Filmkritik zu "Project Almanac"

  

Was waren das noch für Zeiten, als wackelige Handkameras ganze Filme mit Spannung zu füllen wussten, weil sie nicht nur das aufzeichneten, was auch aufzuzeichnen war (nicht unbedingt gleich bedeutend mit „aufzeichnen sollten“), sondern weil sie auch eben jung, frisch und kreativ waren. So waren sie, die großen Tage des „Found-Footage Genre“. Die scheinen jetzt aber endgültig den Bach runtergegangen sein. Wer eine Träne der Rührung vergießen möchte: Jetzt ist Gelegenheit dazu. Denn hier kommt Michael Bay! 

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Das Ende

Niemals würde sich der Midas von Hollywood (kleiner Exkurs: Der Typ aus den griechischen Sagen, der anfassen kann, was er will, es wird zu Gold. Sogar die eigene Tochter) für einen vergleichsweise kleinen Film von seinem Thron herabbegeben. Aber für einen Sitz im Produzentenstühlchen reicht es alle Male. Und so wundert es wenig, dass „Project Almanac“ genau der Film geworden ist, der zu erwarten war. Zwar ist der Ansatz erkennbar, einen Film gemacht haben zu wollen, der sich ein wenig als Worte der Warnung an die „Generation Selfie“ mit ihrem egozentrischen, fast solipsistischen Weltbild von der Masse abheben möchte, aber dieser Ansatz geht schnell unter. So gesehen macht „Hot Tub Time Machine“ dahingehend einen besseren Job. Was aber bleibt ist das Gefühl, Found-Footage hätte endgültig jeglichen Geist verloren.

Damals war alles besser

Als, damals, 1999 „The Blair Witch Project“ in die Welt trat, war es nicht nur Schwindel erregender Grusel, der sich in die Köpfe der Zuschauer wackelte, es war auch irgendwie diese „Fickt euch!“ Einstellung dem aufgeblähten Markt der großen Studios gegenüber, die sich mit minimalistischem Filmemachertum und kostengünstigen Drehs verband. Obendrein lehrten diese Filme Hollywood, wie man das Internet wirklich nutze, wie man in frühen Sozialen Netzwerken für Mund zu Mund Propaganda sorgte und virale Hits kreierte. Allein eben durch die Debatte, ob es nun eine Doku sei oder ein Film — und das noch lange bevor irgendjemand außerhalb des Teams auch nur einen Frame des Films gesehen hatte.

Von „The Blair Witch Projet“ an wuchs und entwickelte sich das Found Footage Konzept. Schlussendlich war es sicherlich der Erfolg und das Geschick der „Paranormal Activity“ Reihe, die nach mehreren Anläufen anderer Macher, 2007 Found Footage aus den Wälder zerrte und in die Wohnungen trug. Hier bereits allerdings schon lange unter reger Zuhilfenahme von stationären Kameras. Übermäßiges Gewackel blieb so erspart. Dem viralen Hype wurde sogar noch eine Schippe obendrauf gelegt. So durften Fans abstimmen und fordern in welchen Wohnungen gedreht werden sollte.

2008 sprangen dann bei „Cloverfield“ supergeheime, cthulhu-kaijueske Monster in den Ring. Auch hier sponn Mastermind J. J. Abrams geschickt ein Netz aus Gerüchten, Fotos und Internetseiten im Netz, die mit Schreien und japanischer Getränkewerbung begeisterte Fans in den Bann zogen. 2012 gab es bei „Chronicle“ dann Telekinese und im selben Jahr wurde mit „Project X“ „Superbad“ und aus dem Ruder laufende Teeniepartys ein gefundenes Denkmal gesetzt.

Die Folge von alledem (und anderen erfolgreichen Found Footage Filmen): Verkaufszahlen explodierten und Erfolge an den Kinokassen trieben allen Beteiligten die Tränen der Freude in die Augen.

Der Lauf der Geschichte

Aber wie das eben so ist, irgendwann stürzen die Geier herab. Große Modeketten produzieren Reprints von Bandshirts aus den 70ern und 80ern und in Sachen Found Footage heißt es „Schon gesehen, schon dran gewackelt“. Besonders eben dann, wann sich Michael Bay beteiligt. Die einzige „Bereicherung“, die „Project Almanac“ bereithält, ist eine Zeitmaschine Marke Eigenbau. Mit dieser verändert eine Bande von pubertären bis postpubertären Nerds ihre Vergangenheit zu Gunsten ihres sozialen Status, ihrer Garderobe, ihres Fuhrparks und ihres Liebeslebens. Die Idee, sagen wir mal Hitler umzulegen, kommt dabei tatsächlich nur kurz auf und statt dessen wird sich lieber auf einen Lottogewinn konzentriert.

Rettung erfährt „Project Almanac“ einzig durch die Darsteller. Da findet sich zum einen Jonny Westen (zuletzt in „Taken 3“) als David. Ein adretter Superschlaumeier, dessen einzige äußerliche Referenz zum Geektum seine Harry-Potter-Gedächtnis-Brille ist, der gemeinsam mit seiner kleinen Schwester Christina (Virginia Gardner), um seine Chancen auf ein dickes Stipendium am MIT zu verbessern, durch den heimischen Dachboden, genauer gesagt durch die dort befindlichen Aufzeichnungen des verstorbenen wissenschaftlernden Vaters stöbert. Dabei fällt ihnen ein Camcorder nebst Aufzeichnung von Davids siebten Geburtstag in die Hände. Und auf diesem Band findet sich David in seiner jetzigen Version im Hintergrund wieder.

Diese Entdeckung lotst die beiden und Davids beste Nerdfreunde, den genauso schlau wie schüchternen Adam (Allen Evangelista) und den pummeligen Loser Quinn (Sam Lerner, der mit einer einmaligen „Argo“ Referenz deutlich zum Unterhaltungsniveau von „Project Almanac“ beizutragen weiß), in den Keller des Hauses. Dort finden sich praktischerweise nicht nur direkt Baupläne, sondern auch alle Teile für eine Zeitmaschine versteckt. Bevor die Truppe aufbrechen kann, stößt noch das schönste Mädchen der ganzen Schule, Jessie (Sofia Black D'Elia) hinzu. Diese ist, natürlich, in David verschossen, dieser hat aber trotz Brille keinen Durchblick. Die Truppe macht wirklich Spaß und die Effekte sind gar nicht mal übel, bis der Film sich kopfüber in völlig aufgeblähtes und unverdientes Melodrama stürzt.

Teeniekörper und Handlungsschwäche

Zwar sitzt nämlich mit Dean Israelite ein Neuling auf dem Regiestuhl, aber der allgegenwärtige Michael Bay schafft es fast jeder Szene seinen Stempel aufzudrücken. In „Project Almanac“ äußert sich dies dahingehend, dass der für die Dokumentation der Reise gedacht Camcorder auf die anziehenden aufdrappierten Körper heranwachsender Mädchen zoomt. Weibliche Hintern, Brüste, Beine und Schritte scheinen vor der Linse nicht sicher zu sein — und das obwohl die meiste Zeit Davids kleine Schwester die Kameraarbeit übernimmt. Irgendwann kommt das Gefühl auf, dass der Film eigentlich jungen Frauen in knapper bis dürftiger Bekleidung auf einer Wasserrutsche gewidmet sein könnte.

Das aber ist irgendwie dann auch nicht mehr wirklich schlimm. Denn neben der unnötigen Dramatik interessiert sich der Film Null für Genreregeln in Sachen Zeitreise. Man muss sicherlich kein Fachmann für die Gesetze temporaler Reisen sein um einige, lehrreiche Fakten aus Filmen wie „Terminator“, „Zurück in die Zukunft“, „Bill und Teds verrückte Reise durch die Zeit“ oder wenn es sein muss „Looper“ gezogen zu haben. Alles übrigens Filme, die von den Helden von „Project Almanac“ als gesehen erwähnt werden. Eigentlich sollte es die Bande eigentlich besser wissen, als mit bereits geschehenen Ereignisse herumzuspielen und diese zu verändern. Wer's trotzdem macht, der bekommt den „Butterfly Effekt“ zu spüren.

So dauert es natürlich auch nicht lange bis Oberschlaumeier David, der scheinbar gar nicht so wirklich schlau ist, alle Vorsicht fahren lässt und in den verrückter Wissenschaftlermodus wechselt. Das alles natürlich, Charme ebenfalls futsch, aus einem eher eigennützigen Beweggrund. Obendrein einem, der völlig unnötig ist und durch wenige Worte hätte ohne Zeitmaschine gelöst werden können.

Der arme H. G. Wells dreht sich derweil im Grabe um, während seine Augäpfel in die entgegengesetzt Richtung rollen und sich zeitlich Fuß- und Fingernägel aufrollen.

Aber damit nicht genug. Die Unlogik und das überzogene Drama lassen sich noch recht gut ertragen. Allerdings kommt kein aufmerksamer Zuschauer um die Frage: Wer zum Henker hält den grade die Kamera. Immer wieder scheint diese wie von Zauberhand im Raum zu schweben oder vergessen zu werden, nur um sich kurz drauf wieder in mehr oder minder sicheren Händen zu befinden. Warum man dann einen Film versucht zwingend im Found Footage Stil zu drehen ergibt nun wirklich überhaupt keinen Sinn mehr.

Fazit

Ein Augenschmauß für 14 bis 18 jährige Jungen und ein wenig auch für deren Freundinnen. Wer wirklich Found Footage haben möchte, der sollte beten, dass „The Pyramid — Grab des Grauens“ besser wird. Für Zeitreisende bahnt sich als Pendant ja „Hot Tub Time Machine 2“ an.

Bewertung: 2 von 5 Sternen

Filmkritik von Julius, 23.02.2015

Project Almanac Infos

Mehr Informationen zum Film gibt es hier: Project Almanac | Info zum Film

Project Almanac ist ab dem 05. März im Kino zu sehen.