Filmkritik zu The Gallows

  

Ein paar Meter hinter der Jahresmitte ist es durchaus gestattet einen Blick zurück zu werfen. 2015 hat uns, mit Blick auf Horror und Grusel für das breitere Publikum, einige wirkliche Highlights beschert. Mark Hofmeyer hat kürzlich mit dem us-stämmigen Blog „Movies, Films & Flix“ in nerdiger Kleinstarbeit weltweite Kritikerbewertungen zu Horrorfilmen seit 2000 zusammengerechnet und über die so ermittelten Filme mit den besten Bewertungen abstimmen lassen. In den daraus resultierenden Top 10 befinden sich mit „Der Babadook“ und „It Follows“ gleich zwei Filme aus diesem Jahr. Dies kann leider nicht darüber hinweg täuschen, dass es dieses Jahr auch einiges an Mist zu sehen gab. Die Macher von „The Gallows“ scheinen es sich als Ziel gesetzt zu haben sich mit Tiefpunkten wie „The Pyramid - Grab des Grauens“ und „The Vatican Tapes“ im Feld ganz weit unten einzufinden.

TG-FP-036

Bild oben: Szene aus The Gallows. Kinostart ist am 27. August 2015

Laientheater

Das Setup von „The Gallows“ ist zunächst eines, mit dem sich arbeiten ließe. An einer Highschool in Nebraska kam es vor 20 Jahren während einer Aufführung von „The Gallows“, einem Theaterstück, dass der Dramaclub der Schule aufführte, zu einem abrupten und grausamen Ende. Hauptdarsteller Charlie Grimille wurde im letzten Akt auf der Bühne erhängt. Aus nicht näher erläuterten Gründen wird nun, 20 Jahre später, genau dieses Stück wieder aufgeführt. Dieser Umstand mag schon an sich sehr absurd und makaber anmuten, aber darüber lässt sich noch geflissentlich hinwegsehen. Die Hauptrolle ist in der Wiederaufführung Reese Houser (Reese Mishler) zugefallen. Der ist eigentlich Footballspieler, hat sich aber in das Oberhaupt der Theater AG Pfeifer Ross (Pfeifer Brown) verguckt und versucht diese wohl mit seiner unterirdischen Performance zu becircen. Das ganze amüsiert besonders Ryan (Ryan Shoos) und dessen Freundin, die Cheerleaderin Cassidy (Cassidy Gifford, Tochter von TV-Moderatorin Kathie Lee Gifford). Ryan opfert sich obendrein, dankenswerter Weise, als Chronist der damit einhergehend Ereignisse, schleppt er doch unentwegt seine Digitalkamera mit sich herum und filmt alles und jeden. Denn, wie um alle Erwartungen im Keim zu ersticken, bei „The Gallows“ handelt es sich um einen Found-Footage Film.

Ryan und Cassidy beschließen schließlich, nur einen Tag vor der eigentlichen Aufführung, es den Theaternerds so richtig zu geben und natürlich, ganz selbstlos, ihren Freund vor der Schmach auf der Bühne zu bewahren, brechen mit Reese im Schlepptau durch einen zufällig entdeckten, nicht abschließbaren Hintereingang zur Bühne in die Schule ein um diese zu verwüsten. Die aufwallende Zerstörungswut, absurd konterkariert durch Reese, der anstatt falsche Bäume umzuwerfen und Flasche zu zerschlagen, beginnt brav mit dem Akkuschrauber den Galgen abzubauen, wird plötzlich durch die überraschend auftauchende Pfeifer unterbrochen, alle Türen und Fenster (inklusive vormals nicht schließbarer Hintertür) sind auf einmal wie von Geisterhand fest verschlossen, alle Zerstörung ungeschehen gemacht und die üblichen Ereignisse nehmen ihren Lauf.

Lichtblicksuche

Erstaunlich ist bei der Einleitung, dass sich niemand, aber wirklich niemand, für die gruseligen Ereignisse von vor 20 Jahren interessiert. Die wackeligen Kamerabilder aus der Einleitung suggerieren zwar, dass es eine polizeiliche Ermittlung gegeben haben muss und auch ein Kommentar von Ryan beim Filmen des Trophäenschranks der Theatergruppe beinhaltet die Anmerkung, dass das dortige Vorhandensein eines Fotos der damaligen Darsteller makaber isei, aber das war's. Keine Fragen, wie es denn überhaupt zu dem vermeintlichen Unfall mit Galgen und Strick kam, noch kritisches Hinterfragen, warum eine Schule nicht im Ansatz um ihren Ruf besorgt ist, wird sie doch die dunkle Vergangenheit mit einer Wiederaufführung sicher wieder ins Gespräch bringen. Aber vielleicht verbirgt sich dahinter auch eine geschickte Anspielung auf die Gleichgültigkeit unserer Tage, die mir völlig entgangen ist.

Nicht minder erstaunlich ist der Aufbau der Schule. Diese dürfte den Protagonisten eigentlich hinreichend bekannt sei, dennoch verfügt die Örtlichkeit über eine schier endlose Reihenfolge an unendliche Korridoren und versteckten Räumlichkeiten. Da sich keiner der Charaktere über diesen Umstand zu wundern scheint, muss dies immer schon so gewesen sein. Als Zuschauer lässt sich allerdings nicht im Ansatz ein Verständnis dafür aufbauen, wo wer sich gerade befindet. Als positiver Beigeschmack wird durch die Suche nach Orientierung aus dem Kinositz heraus das Gehirn in Betrieb gehalten.

Ebenfalls positiv erwähnen lässt sich die sehr kurze Dauer des Films. Länger als 76 Minuten wären die Darsteller auch nicht zu ertragen. Deren Performance ist kaum vorhanden und bewegt sich auf Höhe von Nachmittagsfernsehen. Die Charaktere sind keineswegs besser, entpuppen sie sich doch in kürzester Zeit als durch die Bank nervig, eintönig und unerträglich. Mein einziger persönlicher Lichtblick war Pfeifer Brown als Pfeifer Ross, die mit ihrer affektierten Art fast schon wieder ein wenig süß wirkte. Keinem dieser Protagonisten wünscht man dennoch ein langes Leben. Weniger subjektiv betrachtet ließe sich auch noch Ryan Shoos als Ryan hervorheben, der mit seiner Art es tatsächlich, wie Fingernägel auf Schiefertafel, schafft sogar die Aufpasserin von Gray und Zach aus „Jurassic World“ zu übertreffen.

Fazit

Welcher böse Geist auch immer das Regie- und Autorenduo Travis Cuff und Chris Lofring für „The Gallows“ besessen hat, er (oder sie) hat ganze Arbeit geleistet. Der Film ist annähernd unerträglich und nach allen handwerklichen Maßstäben wohl nur mit hartem Alkohol oder anderen bewusstseinslähmenden Substanzen zu ertragen. Oder mit einem Galgenstrick um den Hals.

Bewertung: 0 (NULL!!!) von 5 Sternen

Filmkritik von Julius, 20.08.2015