Filmkritik zu The Green Inferno

  

Eli Roth ist unter den kommerziell erfolgreichen Filmemachern der Traumfabrik sicherlich einer, der die kontroversesten Produkte abliefert. Ob nun Torture-Porn wie „Hostel“ oder bakterielle Abscheulichkeit wie „Cabin Fever“, er weckt in seinen Zuschauern das dringende Bedürfnis sich im Kinosessel zu winden und eigentlich am liebsten den Saal zu verlassen. Doch wie ein Schaulustiger bei einem Verkehrsunfall fesseln Gewalt und menschlicher Abgrund oftmals bis zu letzten Minute.

green inferno szenebild

Zu hart fürs Kino? Leider kommt The Green Inferno in Deutschland erst gar nicht ins Kino, sondern direkt auf DVD / Blu-ray (Januar 2016). Schade.

Jung, dumm und leicht verspeisbar

Diesen Herbst und Winter ist Eli Roth gleich mit zwei Filmen in kurzem Abstand im Kino. Zum einen mit seiner Vernichtung einer gutsituierten Idylle und eines männlichen Selbstbildes in „Knock Knock“, zum anderen mit seiner Hommage an berühmt-berüchtigte Schocker des italienischen Kinos im Stile von „Cannibal Holocaust“. „The Green Inferno“ steht für so viel wie die grüne Hölle und bezieht sich auf dichtesten Dschungel abseits von westlicher Zivilisation. Eli Roth zynische Geschmacklosigkeit ist ein deftiges Stück Arbeit und in keinster Weise für zarte Gemüter gedacht. Angetrieben wird es, wie häufig in den Arbeiten von Roth, von einer glaubhaften und sympathischen Protagonistin. Glaubhaft soll dabei nicht bedeuten, dass wir jede ihrer Handlungen bis zur letzten Minute komplett nachvollziehen können. Es reicht völlig aus sie ein wenig ins Herz geschlossen zu haben, bevor sie in den höllischen Kochtopf geworfen wird, den Roth für sie vorbereitet hat.

Diese junge und etwas naive Heldin hört auf den Namen Justine (Lorenza Izzo). Die Studienanfängerin reist mit einer Gruppe von Aktivisten in den Dschungel Perus um gegen die Vertreibung der eingeborenen Bevölkerung durch gierige Mineralkonzerne zu demonstrieren. Auslöser für diese Entscheidung sind eine traumatisierende Vorlesung über das Verstümmeln durch weibliche Beschneidung und eine einseitige Liebe zum Anführer der Aktivisten. Nun ist Eli Roth aus tiefstem, filmschaffenden Herzen ein existenzialistischer Misanthrop und allein schon deswegen wirft er seine Protagonistin dem Alptraum eines jeden weißen, privilegierten Touristen mit verstecktem und unerkannten Rassismus vor: Einem Stamm von Frauen beschneidenden, Augen ausstechenden, Gliedmaßen abhackenden, unter Drogen setzenden, aufspießenden und zu allem Überfluss auch noch kannibalistisch speisenden „Wilden“. Auf deren Speisekarte steht natürlich jeder Außenseiter, der ihres Weges kommt. Die Motive der zufälligen Besucher sind dabei völlig unerheblich, eignen sie sich doch hervorragend zum Kleinhacken.

„The Green Inferno“ ist dabei keineswegs so rassistisch, wie es sich anhört. Auch ist er weniger ein Rütteln an den Mauern von selbsternannten Teilzeitaktivisten und Occupy-Symphatisanten als das er ein bis zur letzten Sekunde durchdachter, gemeiner Horrorstreifen von alter Prägung um eine junge Heldin ist, die zu jung ist um hinter die Gründe ihres „Gutmenschentums“ zu blicken.

Welcome to the Jungle

Zu Beginn von „The Green Inferno“ wird Justine sowohl von ihrem gleichmütigen Diplomaten-Vater Charles (gespielt von Richard Burgi und wie wir mehrfach deutlich gesagt bekommen: im Dienste der UN) als auch von ihrer Konkurrentin in Herzensangelegenheiten, der zickigen Kara (Ignacia Allamand), gefragt, warum sie sich überhaupt der wenig aussichtsreichen Mission anschließt einen Stamm von Eingeborenen vor der Vernichtung zu bewahren. Ihr für uns Zuschauer offensichtlicher Grund ist die vermeintliche Liebe zum schönen Alejandro (Ariel Levy), dem selbstverliebten Anführer der Aktivisten. Von Justine auf die wenig effektive Arbeit der Gruppe angesprochen, wird sie von ihm auch erst einmal der Gemeinschaft verwiesen, kurz darauf aber auf Bewährung wieder aufgenommen.

Im selben Atemzug findet auch ein Aufruf der Heldin zu mehr Inklusivität statt. Ein besonders ironischer Moment. Roth macht sich zunächst über die Umgebung von Justine lustig, stellt die Aktivisten als eine lächerliche Bande von Neo-Hippies dar, die im tiefsten Maße triebgesteuert sind, sich auf ihren alternativen Lebensstil furchtbar etwas einbilden und allen anderen auf den Wecker fallen. Sie sind, genau wie in „Hostel“, ein Beispiel für westlichen Exzeptionalismus. Und grade dieser steht auf Roth Liste ganz oben. Allerdings sind die Akteure in „The Green Inferno“ einfach zu jung, zu dumm und voller extrem dummer Ideen um als wirkliche Bösewichte herhalten zu können. Menschlich werden sie erst dann, wenn es für ein Überleben längst zu spät ist und sie vom Effekt-Team blutige Enden zugeführt werden. Aber keine Sorge, auch wenn sie nicht als wirklich Schurken taugen sind einige Stellen des Films von dem zu erwartenden, bitter-süßen „Ihr bekommt was ihr verdient“ Geschmack erfüllt, den sich die Nebenfiguren verdient haben, nachdem ihr Flugzeug mitten in den Jagdgründen hungriger Kannibalen abstürzt.

Blutbad vor grüner Kulisse

Die Gewalt in „The Green Inferno“ ist für einen Kinofilm recht intensiv. Sie ist jedoch primär technischer Natur und weniger kostenlose Dreingabe, immerhin ist die Gewalt einer der Hauptgründe dafür, dass Filme von Eli Roth überhaupt existieren. In diesen bluttriefenden Momenten ist es ein wenig lustig zu beobachten wie bei Roth der Fanboy hervortritt, der verzweifelt versucht die Krassheiten seines Idols Ruggero Deodato zu übertreffen, letztendlich aber noch immer an gewisse Grenzen der Zulässigkeit stößt, an die sich Deodato nie halten musste (oder wollte). Unfreiwillig wird in diesen Schocksequenzen aber auch die Menschlichkeit von „The Green Inferno“ in Form von kulturellen Kritik offenbart. Folgt man den für Roth typischen Gedankengängen, dann sind die Ereignisse auf der Leinwand der schlimmste Albtraum, den sich ein verwöhntes Mädchen aus der Vorstadt vorstellen kann, das durch Ekel über weibliche Beschneidung zu Aktivismus für genau die Kulturen getrieben wird, über die sich noch kurz vorher weit erhoben sah. Es ist halt eine Karikatur in einer Karikatur mit literweise Blut.

Einer nach dem anderen

Schauspielerisch tanzt in „The Green Inferno“ niemand aus der Reihe. Sonderlich viel Charakterspiel wird den Darstellern allerdings auch nicht abverlangt. Wie es sich für eine Metzelei seit den Tagen von „Texas Chainsaw Massacre“ gehört, werden die Akteure erst dann wirklich menschlich, wenn die Überlebensinstinkte anspringen. Interaktion findet ab dem Punkt, in dem der Film dort angelangt ist, weswegen sich die meisten Besucher in den Kinosesseln einfinden dürften, kaum mehr statt. Die beiden Kulturen, westliche Aktivisten und urtümliche Eingeborenen sind scheinbar soweit voneinander entfernt, dass Kommunikation ausgeschlossen ist. Letztere tragen ihre Fremdheit außen, in Form von Bemalung in Knochen, erstere Innen, indem sie sich für schlau und erhaben halten, aber nichts davon sind. Da aber in Filmen von Eli Roth Naivität und Egoismus nur eine Antwort kennen, müssen die Eingeborenen als Gegenstück für Justine und Co schlicht und ergreifend absolute Sadisten sein.

Fazit

„The Green Inferno“ funktioniert dann am besten, wenn er ein Horrorfilm ist, der sich für Satire hält und sehr schlecht, wenn es umgekehrt ist. Es gibt den ein oder anderen sehr deutlichen Fehltritt. Angeführt besonders von einer Szene um Amy, eine blonde Veganerin, und einen Anflug von Diarrhö. Ein extrem surrealer und langgezogener Moment in dem vom Soundtechniker offensichtlich verlangt wurde Vollgas zu geben. Aber selbst dieser Augenblick dient der Demontage eines der pathetischsten Charaktere in „The Green Inferno“. Ein wirklich kluger und hilfreicher Schachzug von Roth ist es Justine und Konsorten sowohl kritisch, als auch menschlich zu betrachten. Die Stammesangehörigen stehen dadurch weniger in einem Licht, welches als rassistisch zu verstehen ist, sondern dienen als grausame Plot-Device. Für Genrefans eine deutliche Empfehlung. Kein Film zum Wohlfühlen, aber eben einer, der einen sehr speziellen Job gut erledigt.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 23.10.2015