Filmkritik zu The Visit

  

M. Night Shyamalan macht es, ähnlich wie Fortuna Düsseldorf, einem nicht leicht ihn gut zu finden. Natürlich gibt es die glorreiche Vergangenheit, als die Jungs 1933 Meister wurde, als Bayern besiegt wurde, als... Moment. Noch einmal von vorne. Ende der 90er gab es „The Sixth Sense“. Der war großartig. Dann waren da noch „Unbreakable“, „Signs“ und „The Village“. Über die lässt sich streiten, aber schlecht waren sie nicht. Wirklich erfolgreich waren sie aber in keinem Fall.

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The Visit ist ab dem 24.09.2015 in unseren Kinos zu sehen. Mehr Informationen zum Film (Trailer, Bilder, Poster, Cast...) hier.

Die Causa Shyamalan

Die letzten Jahre schließlich waren hart. „The Last Airbender“ wollte ich eigentlich noch während der zweiten Halbzeit... Entschuldigung, kurz vor Ende des Films verlassen. Die Ticketverkäufe waren aber schon vorher im Keller. So tief unten sogar, dass Columbia Pictures sich für den letzten Scientology-Streifen mit Will Smith „After Earth“ weigerte mit dem Namen M. Night Shyamalan auch nur irgendwie Werbung zu machen. Tatsächlich dürfte dies die einzig kluge Entscheidung rund um „After Earth“ gewesen sein. Allerdings ist es auch wichtig, sich vor Augen zu führen, unter welchem Druck M. Night Shyamalan seit „The Sixth Sense“ gestanden haben dürfte. Shyamalan war im erfolgreichsten Moment seines Lebens 29 Jahre alt. Für einen Regisseur ein sehr junges Alter. Von nun an konnte es aber kaum mehr besser werden. Seine nächsten eigenen Filme liefen nicht so an, wie er es sich erhoffte und auch die Kritiken fielen harscher aus. Sein größter Erfolg wurde mit allem, was er tat verglichen. Shyamalan steuerte schließlich weg von selbst verfassten Drehbüchern und griff zum Material von anderen. Dadurch wurde dann alles noch viel schlimmer. Regisseure aber werden immer an ihrer Vita gemessen. Viele Fehltritte kann sich ein Filmschaffender nicht erlauben. Nur wenige schaffen es nach einer Reihe von Flops wieder zurück in die erste Liga. Für die meisten bedeutet ein große Missgriff schon den dauerhaften Abstieg und einen stetigen Wechsel zwischen zweiter und dritter Liga.

Wenn Ihr diesen Hintergrund vor Augen habt, dann ist der Reiz von Shyamalans jüngstem Werk „The Visit“ vielleicht ein wenig verständlicher. Ich persönlich habe recht lange überlegt, wie ich den Film nun tatsächlich bewerten sollte und nach handwerklichen Maßstäben bewerten musste. „The Visit“ ist sehr komödiantischer Gruselfilm im Stile des üblichen Found-Footage Handkamera-Gefilmes. Er ist zudem mit einem extrem schmalem Budget von nur 5 Millionen US-Dollar gedreht, die zu größten Teilen aus Shyamalans eigener Tasche stammen. Auf Grund dieser Gesamtsituation war ich persönlich geneigt über ein paar Fehler hinweg zu sehen und fand mich unter Strich hervorragend unterhalten.

Warum so ernst?

Diese Unterhaltung beruht allerdings in erster Linie darauf, dass „The Visit“ mit weitem Abstand der lustigste Film ist, den Shyamalan bisher gemacht hat. Er ist noch weit von „The Sixth Sense“ entfernt, aber es ist ein erfrischender Ansatz. Besonders dann, wenn einem klar wird, dass Shyamalan eigentlich Stereotypen seiner bisherigen Filme in „The Visit“ verwendet. Aus seiner viel zu großen Ernsthaftigkeit, die schließlich zur unfreiwilligen Selbst-Parodie wurde, schlägt Shyamalan nun ein wenig Kapital. In Filmen wie „After Earth“ und „The Last Airbender“ mussten wir über Shyamalan lachen, in „The Visit“ aber lacht das Publikum mit ihm. Ein gewaltiger Fortschritt.

„The Visit“ behandelt auf der einen Ebene einen Konflikt innerhalb einer Familie, der sich durch drei Generationen zieht. Kinder können einfach nicht mit ihren Eltern kommunizieren. Das gilt sowohl für die beiden jungen Hauptcharaktere Rebecca und Tyler, als auch für deren Eltern, die wiederum mit den Großeltern der Protagonisten kein Wort mehr reden. Aber in „The Visit“ geht es dieses Mal nicht um den direkten Konflikt zwischen Mutter oder Vater und Kind, sondern dem Abstand zwischen Großeltern und Kindern. Anstatt hier aber wieder nach tiefschürfender Ernsthaftigkeit zu wühlen, geht Shyamalan das Thema mit parodistischem Grundsatz an. In „The Visit“ ist wenig bis nichts von Shyamalan einst aufgeblasenem Ego zu verspüren, keine semi-genialen Entwicklungen von Paranoia zu Gottes großen Plan und keine Charaktere, die allen Ernstes Cypher Raige heißen.

In „The Visit“ gibt es zwar auch ein paar typische Shyamalan-Momente, allerdings gehen diese fast alle in selbst-reflektierte Scherze über, in abgedrehte Auswirkungen und absurder Bildsprache. Möglicherweise würde beziehungsweise hätte Shyamalan gerne mehr Drama herausgezogen, denn die Charaktere sind definitiv darauf ausgelegt. Rebecca ist ein extrem junge Filmemacherin und Tyler hält sich für einen Rapper, dessen Markenzeichen es ist die Namen von Pop-Sternchen als Schimpfworte zu benutzen. Beide haben noch nie ihre Großeltern gesehen. Dies soll sich nun aber ändern, da ihre geschiedene Mutter mit dem neuen Freund einen Urlaub verbringen möchte. Seit einem Streit spricht ihre Mutter jedoch nicht mehr mit den eigenen Eltern. Es ist nun also Aufgabe der Kinder bei den Großeltern auf der Farm für ein paar Tage zu bleiben und somit die Risse in der Familie vielleicht ein wenig zu kitten. Doch kurz nach der Ankunft legen die Gastgeber ein sehr bizarres Verhalten an den Tag, das schließlich in nackter Gewalt mündet.

Familienbanden

Aber dieses Verhalten hat keinen tieferen Sinn. Wenn ein Großelternteil in „The Visit“ von den Beinen geholt wird und den Kopf mit einer Kühlschranktüre eingeschlagen bekommt, dann ist dies keinen Anspielung auf die Zerbrechlichkeit der menschlichen Natur. Tylers krankhafte Reinlichkeit führt zu keinem Metaplot in Sachen Göttlichkeit. Sie ist einfach eine von vielen nervigen Eigenschaften eines nervigen Kindes. Vieles funktioniert allerdings in „The Visit“ nur, weil Shyamalan mit einem Cast zusammenarbeitet, der seinen Aufgaben mit viel Liebe und Spielfreude nachkommt. Die Dialoge im Film nämlich sind ein gewaltiges Manko. Allerdings war schlüssige Dialogschreibe niemals die starke Seite von Shyamalan. Dank Olivia De Jonge als Rebecca und Ed Oxenbould als Tyler, aber auch dank Deanna Dunagan und Peter McRobbie als die Großeltern kommen die Charaktere dennoch überzeugend beim Publikum an.

Fazit

Lange Rede, kurzer Sinn, ein Besuch bei den Großeltern lohnt sich. Zumindest wenn er in „The Visit“ stattfindet. Sofern kein echter Gruselschocker erwartet wird. „The Visit“ hat Atmosphäre und auch ein paar ordentliche Scares, er ist aber in erster Linie auf eine etwas finstere Art sehr witzig. Natürlich gibt es, dank der Filmemacherin Rebecca, die immer wieder als Shyamalans Sprachrohr zu fungieren scheint, dabei einiges zu entdecken, aber auch dies dient in erster Linie der absurden Narrative. Hoffentlich geht Shyamalan diesen Weg weiter und findet so zu neuer Größe.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 02.09.2015