Filmkritik zu "The Zero Theorem"

  

Dystopien stehen derzeit hoch im Kurs. Meist stemmen sich Teenager gegen ein allmächtig scheinendes Unrechtssystem und versuchen im Rahmen eines blockbusternden Mehrteilers so etwas wie Recht und ein wenig Unordnung wieder herzustellen. Dabei scheinen doch, im Angesicht von Prism und Co, längst viele finstere Aussichten aus der filmischen Vergangenheit Realität geworden zu sein. Ex-Monty-Phyton Terry Gilliam schafft es aber in „The Zero Theorem“ das heutige Überwachungsniveau mehr als nur harmlos erscheinen zu lassen. 

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Starke Darsteller vor großartigem Bühnenbild

Das Terry Gilliam seinen Zuschauern düstere Zukunftsvisionen präsentiert, ist wahrlich nichts Neues. Ob es nun die Tücken des Selbsterhaltes einer totalitären Bürokratie in „Brazil“ oder der verzweifelte Versuch der Menschheit in „Twelve Monkeys“ ist, das Rad der Zeit auf vor einer globalen Katastrophe zurückzudrehen, Gilliam schafft es immer mit seiner fast fiebrigen Regiearbeit die Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Auch „The Zero Theorem“ bildet da keine Ausnahme. Wie von Terry Gilliam gewohnt, hat er es geschafft für seinen wilden Bilderreigen mit Christoph Waltz (zeitgleich mit „Kill the Boss 2“ im Kino), Melanie Theirry, Matt Damon (zur Zeit mit einer kleinen Nebenrolle in „Interstellar“ zu sehen) und David Thewlis (unter anderem bekannt aus der „Harry Potter“ Reihe) einen unglaublich starken Cast zusammenzustellen. Es ist tatsächlich schwer vorstellbar, wie Gilliam für „The Zero Theorem“ noch bessere Vorarbeit hätte leisten können. Immer nah am Wahnsinn spinnt der Meister des Absurden eine irre Bilderfolge, der hin und wieder fast schwer zu folgen ist. An einigen Stellen ist schlicht und einfach zu viel los. Das aber schadet dem Film nur bedingt, geht es doch Hauptcharakter Qohen Leth (Christoph Waltz) auf seiner bezahlten Suche nach dem Sinn des Lebens nicht anders. Jede Szene widmet sich voll und ganz diesem Hauptthema des Films und dieser weiß mit seinen enthusiastisch spielenden Darstellern ein hochwertiges Kinoerlebnis aufzuführen. Allerdings bleibt „The Zero Theorem“ als ganzes ein wenig hinter seinem Potential zurück. Der Film strotzt nur so vor Allegorien, bleibt jedoch auf einem sehr „philosophischen“ Niveau. Anstatt sich voll und ganz auf die Suche des Protagonisten nach Glück und Erleuchtung zu konzentrieren, scheint Gilliam immer wieder filmisch Thesen aufstellen zu wollen, nur um diese kurz darauf in Frage stellen zu müssen.

Die Suche nach dem Sinn und andere Fragen

Drehbuchautor Pat Rushin (sein Erstlingswerk auf der großen Leinwand) hat sich beim Schreiben von „The Zero Theorem“ laut eigener Aussagen durch das Buch Kohelet aus der Tanach (der jüdischen Bibel) inspirieren lassen. Diese Sammlung an Weisheiten und Sinnsprüchen soll jedem Gläubigen das Handwerkszeug für ein erfülltes Leben zu Hand geben. Genau diese Erfüllung ist es auch, die Qohen Leth für seinen Chef und den Konzern Mancom (repräsentiert durch das namenlose „Managment“ Matt Damon), entschlüsseln soll. Keine leichte Aufgabe für das menschenscheuen Computergenie Qohen Leth. Um ihm zumindest seinen Auftrag ein wenig zu erleichtern, schickt ihn „Management“ ins Home Office. Aber auch hier ist nicht vor Ablenkungen sicher und Qohen Leth taumelt, irgendwo zwischen Wachen und Wahnsinn, durch ein schrulliges und einmaliges Bühnenbild.

Das Gilliams Hauptcharaktere taumeln, schwanken und mit offensichtlichem Wahnsinn so ihre Probleme haben, ist nichts neues. Ob nun ausgelöst durch erhöhten Drogenkonsum (Fear and Loathing in Las Vegas) oder durch einen Wohnungsbrand (Time Bandits), Sinn, Wahnsinn und Unsinn lauern eben auch in „The Zero Theorem“ an jeder Ecke. Aber, als schöne Parabel auf unsere Zeit, gibt es ja für jedes Problem, für jede Erkrankung eine Lösung. Während der arme Qohen auf einen erlösenden Anruf wartet und dabei zwischen Depression und aggressiver Manie hin und her rast, wird ihm von der digitalen Haus und Hofpsychologin von Mancom (gespielt von einer awardwürdigen Tilda Swinton) Erkrankung nach Erkrankung diagnostiziert. Deren Lösung kommt in Form eines VR-Ganzkörperanzuges (siehe Bild unten) daher und treibt den labilen Qohen in die Arme einer waschechten Online-Porno-Sucht.

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Zwischen Erklärung und Abstraktion

Im Verlauf des Films weiß Gilliam geschickt immer wieder Wendungen hervorzubringen, die sich alle dem Zweck und der Bedeutung des gesuchten „Zero Theorems“ widmen. Die sich dem Zuschauer stellenden Rätsel und Fragen werden gen Ende des Films nach und nach abgearbeitet und dargelegt. Fast ein wenig zu sehr und einem „Murder Mystery“ Abend nicht unähnlich, an dessen finalen Momenten ein Erzähler genau aufschlüsselt, wer wen warum eigentlich um die Ecke gebracht hat. Das Opfer ist in „The Zero Theorem“ erwartungsgemäß die menschliche Seele und der Täter die (post) kapitalistische Gesellschaft, die dank sozialer Netzwerke und Oberflächlichkeiten uns längst eingelullt und jeden einzelnen zum Mittäter gemacht hat.

Auf dem Weg dahin aber schafft es Gilliam leider nicht, wie gewohnt, den Zuschauer an die Zweifel und Leiden seiner Charaktere zu binden. Er bleibt einfach etwas zu abstrakt. Der Film scheitert dadurch nicht, er fällt aber eben hinter seine Möglichkeiten zurück.

Ein optischer Hochgenuss

Neben den starken Darstellern aber hat „The Zero Theorem“ noch deutlich mehr zu bieten. In sehr starken Sequenzen wird dem Zuschauern die Welt vorgeführt, die Qohen nicht versteht und Ursprung seiner Leiden ist. Besonders der Look ist dabei ein äußerst sehenswert. Relativ früh im Film versucht Qohen seine kathedralenhafte Behausung zu verlassen und wird vom maßgeschneiderter Werbung förmlich bombardiert. Nichts ist vor diesem Spam- und Werbeterror sicher und auch jeder andere Passant ist ein sicheres Gelegenheitsziel. Ein wenig erinnert diese Sequenz an „Minority Report“ mit Tom Cruise, setzt dem ganzen aber eben noch eine absurde Krone auf.

Eine der möglicherweise besten Stellen, die Terry Gilliam bisher in seinem Gesamtwerk drehte, spielt an einem virtuellen Strand. An diesen und anderen sehenswerten Momenten schafft es Gilliam genau das zu bieten, was seine Zuschauer von ihm erwarten. Diese Szenen sind es auch, die „Zero Theorem“ so sehenswert machen. Leider beschleicht den Zuschauer aber mehr und mehr der Eindruck vor dem Werk eines brilliant-missgestimmten Autors zu sitzen, der sich mit einem ausdrucksstarken Karikaturisten zusammengetan hat, denen es aber nicht ganz möglich war, ihre Vision filmisch umzusetzen.

Fazit

Wer Gilliams Werke mag, irre Dystopien zu schätzen weiß oder schon immer eine Antwort auf den Sinn des Lebens suchte, der wird „The Zero Theorem“ zu schätzen wissen. Der Film beschäftigt und lädt zum Philosophieren ein. Leider aber bleibt der überspringende Funken schlussendlich aus.

3 von möglichen 5 Sternen. ***

Filmkritik von Julius, 26.11.2014

Mehr zum Film "The Zero Theorem"

The Zero Theorem ist ab morgen, Donnerstag, den 27.11.2014 überall in den deutschen Kinos zu sehen. Wer nach unserer Filmritik noch mehr über den Film erfahren möchte, sollte sich unsere Information zu "The Zero Theorem" in unserer Filmdatenbank anschauen. Dort gibt es Bilder, Trailer, das Filmplakat und mehr zum Film. Die Kinospielzeiten für den Film findet ihr hier.