Filmkritik zu "Trash"

  

Wer bei „Trash“ direkt an Andy Warhol denkt, dem sei eine gesunde filmische und künstlerische Bildung unterstellt. Wer den Trailer zum neuen Stephen Daldry Film (Billy Elliot, Extrem laut & unglaublich nah) gesehen hat und auf einen Kinderfilm schließt, dem sei gesagt, ein Besuch im Kino ist dringend an der Zeit. Denn „Trash“ wird ihn oder sie eines Besseren belehren. Auch wenn die drei Hauptakteure sich grade einmal am Anfang ihrer Pubertät befinden, so sind sie gezwungen verdammt schnell erwachsen zu werden. Nicht bedingt durch ihre eh schon harten Lebensumstände, sondern durch die rasanten Entwicklungen, die von jetzt auf gleich in ihr Leben treten.

Trash header

Die drei von der Müllkippe

Vor etwa einem Jahr lag Brasilien im Focus der deutschen und weltweiten Öffentlichkeit. Im Zuge der WM wurde ein Land versucht zu präsentieren, dass jeder Industrienation der ersten und westlichen Welt in nichts nachsteht. Zeitgleich wurde auf soziale Ungerechtigkeit, auf Armut und Korruption hingewiesen und auf den Wunsch nach Veränderungen in vielen Bevölkerungsschichten. Wie so oft entsteht dieser Wunsch bei denen, die unter Korruption leiden und nicht von ihr profitieren. Und wie so oft hat jede Geschichte mehr als nur eine Seite. Sicher findet in unseren „Erste Welt“ Ländern auch Korruption statt. Politiker halten die Hand auf und diejenigen, die die Mittel haben, sind bereit diese Hände zu füllen im Gegenzug für Leistungen und Vorzüge. „Trash“ ist sicher nicht der erste Film, der dieses Thema in seinen Handlung einbaut. Allerdings im Bezug auf Brasilien ist es einer der ersten Filme von internationalem Format, der das Thema verständlich und unsperrig unterbringt. In „Tropa de Elite“ ist es zu groß vorhanden, gleiches gilt für den Nachfolger. In „City of God“ kommt es nur am Rande vor, liegt das Hauptaugenmerk doch auf dem Leben in den Favelas und Bandenkriminalität.

In „Trash“ nun wird die Korruption auf vielen Ebenen Teil einer Geschichte um drei Jungen, deren Leben sich hauptsächlich um Müll dreht. Sie leben am Rande (und damit ist wirklich der direkte Rand gemeint) einer Müllkippe. Sie arbeiten auf dieser als Müllsammler. Und als „Trash“, das macht der Film deutlich, werden sie auch vom System angesehen. Auch wenn im Film eine gewisse Leichtigkeit vorherrscht, dürfte jedem Zuschauer Fassungslosigkeit in den Kopf kriechen, wenn erwachsene Polizisten in einem Land, dass sich vor wenigen Monaten noch als der perfekte Gastgeber für ein sportliches Großereignis dargestellt hat, dem Land, welches die meisten mit Karneval und Mojitos verbinden, nicht zögern Halbwüchsigen eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Nur um sie kurz darauf auf jener Müllkippe zu entsorgen, die diese Halbwüchsige ihre Heimat nennen. Menschen werden wie Müll behandelt.

Und spätestens hier wird klar: „Trash“ ist alles andere als ein Kinderfilm.

Erich und die Detektive

Das Kinder in spannungsgeladenen (Kinder)Filmen in Ereignisse gezogen werden, die jenseits dessen liegen, was sie beschäftigen sollte, ist nun nichts neues. Oft aber werden dabei die Erwachsenen überzeichnet und übersteuert. Ihre Handlungen wirken albern. Man denke nur an die Einbrecher bei „Kevin allein zu Haus“. Nimmt man den Antagonisten allerdings diesen karrikaturhaften Mantel und stellt sie so dar, wie sie sind, wird aus Spaß ziemlich schnell bitterer Ernst. Natürlich hat „Trash“ auch eine Menge Süße, menschliche Wärme und Momente, in denen geschmunzelt werden darf. Stephen Daldry kommt mit „Trash“ eben der Höhe (und Tiefe) von „Billy Elliot“ wieder sehr nahe, zieht sogar bisweilen endlich wieder gleich. Aber immer wieder bleibt einem doch die berühmt berüchtigte Spucke weg. Denn Daldry gelingt es sehr beeindruckend in einer Geschichte um drei Jungs aus den Favelas einen schnelle Handlung um Korruption auf den höchsten Ebenen zu installieren, ein Geschichte aus der Welt der Erwachsenen und Vermögenen Brasiliens, die so oder so ähnlich auch stattgefunden haben kann. Oder stattfinden wird. Leider sicherlich nicht mit so mutigen Protagonisten, die mit ihrem kindlichen und aufgeweckten Gemüt nur etwas tun „weil es richtig ist“. Ganz egal, wie viel sie doch hätten für sich herausholen können.

Schätze im Müll vergraben

„Trash“ hat einige Zeit gebraucht um seinen Weg in die deutschen Kinos zu finden. Ein Grund dafür dürfte sein, dass, im Gegensatz zu originalen Version, wirklich alle Dialoge ins Deutsche übersetzt wurden. Im britischen Originalcut sind die meisten Stellen auf Portugiesisch mit Untertiteln. Einzig Martin Sheen als alkoholabhängiger Priester und Rooney Mara als seine Assistentin und Hilfskraft sprechen dort Englisch. Sicher wollten die Macher sich damit auch von dem sonst sehr viel deutlicher im Raum schwebenden Eindruck eines Kinderfilms distanzieren und sehr viel mehr Authentizität erwecken. Denn, auch wenn dieser Eindruck aufkommen könnte, „Trash“ ist eben kein brasilianischer Film, sondern eine UK Produktion, mit einen teilweise brasilianischen Team. Hier liegen dann auch einer der Schwächen des Films. Zu sehr versucht er eine ähnliche Geschichte wie „Slumdog Millionär“ zu erzählen (ebenfalls eine britische Produktion). Zu sehr wird auch immer wieder versucht, die Geschichte zu den drei Jungen zurückzuholen, in dem sie in Form von YouTube Clips die Ereignisse aus ihrer Sicht erklären.

Auch wenn dadurch irgendwann der Eindruck entsteht, die drei hätten, zusammen mit Drehbuchautor Richard Curtis (Notting Hill, Bridget Jones, Radio Rock Revolution) und Stephen Daldry zu viel dünne Luft auf der Spitze des Zuckerhuts geatmet, so ist es die Spielfreude und Ehrlichkeit von Rickson Tevez, Eduardo Luís und Gabriel Weinstein, die den Zuschauer wieder und wieder abholt und mitreißt. Denn die drei jungen Talente lassen jeden ihrer erwachsenen Kollegen in „Trash“ weit hinter sich zurück.

Fazit

„Trash“ ist kein perfekter Film. Allerdings ist „Trash“ ein Film, der zwar sein Herz in hohen Wolken trägt, seine Beine aber beide fest in der Gosse hat. Wer „Slumdog Millionär“ oder „Billy Elliot“ mag, wird hier sehr glücklich werden. Er verfügt zwar nicht über die Härte von „City of God“ oder „Tropa de Elite“, kommt dieser aber schon recht nahe. In jedem Fall ist „Trash“ ein Film, der sich in vielen Belangen von dem abhebt, dass derzeit in den Kinos ist. Sicher ist er nicht für Kinder geeignet, bringt aber mehr Spannung mit sich, als jeder Film mit einer ähnlichen Zielgruppe, nämlich der ab 12 Jahren, aus der Traumschmiede Hollywood. Trash ist ab dem 18. Juni 2015 in den deutschen Kinos zu sehen.

Bewertung: 4 von 5 Sternen. ****

Filmkritik von Julius, 29.04.2015