Filmkritik zu "Wild Card"

  

Wenn Jason Statham in Filmen zulangen darf, dann kracht es meist ganz ordentlich. Für ihre Dialogstärke allerdings sind seine Streifen eher kaum bis gar nicht bekannt. Allgemein besucht man eben Filme mit dem sympathischen Briten ob ihrer Action-Sequenzen und Filmemacher sind bemüht diesen Anforderungen gerecht zu werden. Dabei steckt in Statham, so ihm die Gelegenheit gegeben wird mehr als kurze Sätze oder coole Einzeile raus zuhauen, ein Schauspieler, der auch recht flache Charaktere mit einer guten Portion verbalem Witz und streitbarem Talent erfüllen kann.

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Wie Bruce Willis als er noch jünger und schöner war

Hier aber liegt, durch die Bank, die Crux in seinem neuen Prügelfilm „Wild Card“. Wenn man ihm die Vorlage gibt und der Film es zulässt, dann sind seine Dialoge mit den größtenteils recht unspektakulären und beliebigen Charakteren rund um die düstere Seite der Stadt des (Un)Glücks Las Vegas echten Überraschungen. Überraschungen, die ansonsten in „Wild Card“ nicht ansatzweise zum Vorschein treten. Die Gewaltszenen sind durchgehend absolut vorhersehbar und enden jeweils in knochenbrechender oder anderweitig schwer verletzender Belohnung. Würde Nick (Jason Statham) nicht konstant ein dunkle Wolke von Verletzbarkeit schweben, so könnte man sich ein wenig an Steven Seagal Filme nach Alarmstufe Rot I und II erinnert fühlen, in denen das selbsternannte Multitalent ohne einen Kratzer sich durch Horden von willfährig zu Boden gehende Gegner prügelt.

Dank Statham aber fühlt man sich in „Wild Card“ eher an Bruce Willis zu seinen besten Zeiten erinnert. Dieser Vergleich liegt umso näher, wenn man sich vor Augen führt, dass Nick, der Hauptcharakter von „Wild Card“, sich nicht zum ersten Mal sich durch Las Vegas boxt. Bereits 1986 durfte er dies, verkörpert durch Burt Reynolds, tun. Damals war die Verfilmung von William Goldmans Geschichte „Heat“ nicht wirklich vom Glück verfolgt. Ähnlich wie Nick, der in seinem ersten Auftritt Mex genannt wird, obwohl der deutsche Titel „Heat, Nick der Killer“ lautet, musste auch die Produktion schon vor Beginn der Dreharbeiten einige Schläge einstecken. So sollte eigentlich Robert Altman Regie führen. Allerdings wurde seinem Kameramann Pierre Mignot von der US-Einwanderungsbehörde das Visum verwehrt und deswegen zog sich Altman zurück. Obendrein war tatsächlich damals Bruce Willis für diese Rolle gecastet worden, wurde aber durch damals deutlich bekannteren und allgegenwärtige Burt Reynolds ersetzt. Nicht auszudenken, welche Gelegenheit durch diese Misere Actionfans weltweit entgangen ist. Bruce Willis machte sich erst zwei Jahre später im ersten Teil der „Stirb Langsam“ Reihe, den Namen, der seinen Ruf noch heute untermauert.

Im Dschungel der Großstadt

Ähnlich wie in der Romanvorlage und dem Reynoldsfilm bleiben auch in „Wild Card“ die Details aus Nick Wilds früherem Leben bestenfalls vage. Wie Las Vegas selber umgibt sich der Held des Films mit einer Aura des mysteriösen und legendären. In einem Dialog mit dem jungen Softwareentwickler Cyrus Kinnick (Michael Angarano) zählt er allerlei immer faszinierender werdende Details seiner Vita auf, nur um den zusehends begeisterter dreinblickenden Nerd nach einer dramatischen Pause - „Wait, there is more!“ - vorzuhalten, dass er zudem lügt wie gedruckt. Im weiteren Verlauf von „Wild Card“ trifft Nick unentwegt auf Gestalten aus den Abgründen und höchsten Gipfeln der Stadt, die nicht nur ein Heidenrespekt vor ihm zu haben scheinen, sondern ihm auch noch allerlei Gefallen schulden. Warum dies so ist, wird nie erwähnt. Er ist eben einfach einer der Typen, die alles und jeden kennen, mit allen auf Augenhöhe zu stehen scheinen, gerne Gefallen (wenn auch für bares Geld) erfüllen, aber ihr eigenes Leben kaum unter Kontrolle zu haben scheinen.

Denn eigentlich möchte Nick raus aus Vegas. Er möchte genug Geld bei Seite legen um sich ein Segelboot zu kaufen und das Mittelmeer zu durchkreuzen. Allerdings ist Nick nicht nur scheinbar untrennbar mit der gewalttätigen Seite der Wüstenstadt verwoben, er kann auch einfach nicht aufhören zu zocken. Und wenn er zockt, dann zockt er richtig. Bis er nichts mehr hat, außer einer Flasche Wodka an der Kasino-Bar.

Verschenkte Möglichkeiten, zertreten von Mafiaschlägern

Und genau hier liegt die Tragik von „Wild Card“. Der Film ist ein Mischung aus einem Drittel „The Gambler“ und zwei Dritteln des „Kevin allein zu Hause“-Geprügels für große Jungs „The Equalizer“. Hätte sich aber Regisseur Simon West (zuletzt mit „The Expendables II“ im Kino) weniger auf die vorhersehbaren Kampfszenen und mehr auf die Dramatik seines Hauptcharakters und dessen Umfeld konzentriert, wäre „Wild Card“ vermutlich ein sehr guter Großstadtthriller mit einem Hauch schwarzer Komödie und einer ordentlichen Portion Drama geworden. Ist aber leider nicht. So drängen sich immer wieder die Schergen des Unsympathen und Mafioso Danny DeMarco (Milo Ventimiglia) in den Vordergrund, nur um mit Fäusten, Pampelmusen-Löffeln und Aschenbechern auf den Boden der blutigen Tatsachen zurückgeholt zu werden. Schauspielerisch wirklich hochwertige Ansätze, die grade durch Jason Stathams Talent und trotz William Goldmans stellenweise arg abstruser Dialogschreibe, sehr sehenswert sind bleiben dadurch immer wieder stecken und werden unsanft in den Hintergrund geprügelt. Die Action-Sequenzen sind tatsächlich nicht schlecht und an der ein oder anderen Verwendung von Essbesteck und Kreditkarten hätte gewiss Quentin Tarantino sogar Freude, aber sie wirken oft wie ein Störfaktor und führen dem Zuschauer leider absolut nicht neuwertiges vor. Denn schlussendlich hat jeder halbwegs bewanderte Actionfan Jason Statham schon dutzende von Gegner vermachen gesehen. Einige davon in Filmen von Simon West.

Fazit

Wer mit seinen Jungs (oder Mädels) mal wieder bei drei bis fünf Bieren Jason Statham in üblicher Manier sehen möchte, der findet an „Wild Card“ sicher ein gewisses Vergnügen. Mit hochwertiger Actionarbeit wie „John Wick“ kann „Wild Card“ aber nicht im Ansatz mithalten. Dafür fehlt einfach zu sehr das Geschick in Sachen Choreografie. Letztendlich bleibt der Film weit hinter seinen Möglichkeiten zurück und verschenkt eine Gelegenheit dem Schauspieler, weniger dem Actionmimen, Jason Statham ein gute Performance zu bieten, wie sie doch eigentlich bereits nach „Snatch — Schweine und Diamanten“ lange überfällig wäre. Es bleibt zu hoffen, dass irgendwer in den Hügel Hollywoods oder dahinter dieses brachliegende Potential erkennt und dem Mann die Bühne gibt, die er verdient.

Bewertung: 2 von 5 Sternen. **

Filmkritik von Julius, 12.02.2015

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