Filmkritik zu Zoomania

  

Disney überall, Star Wars, Marvel und demnächst Indiana Jones. Aber eben auch endlich wieder ein Animationsfilm. Da es für Disney überhaupt kein Problem darstellt alle Nationen unseres (eigentlich) bunten Planten in eine Parkattraktion zu stecken, schüttelt der Filmgigant mit der selben Leichtigkeit eine Stadt aus dem Ärmel, in der alle Tiere (mehr oder minder) friedlich miteinander umgehen, jeder alles erreichen kann und alle akzeptiert werden. Ein echtes Utopia. Zumindest auf dem Papier. Wobei wegen verwirrender Namensrechte wohl eher ein echtes Umania: „Zoomania“ eben. Wobei ganz so friedlich geht es dann zunächst doch nicht zu. Denn hinter den Kulissen der mausig erdachten Traumstadt geht das Verbrechen um. In feinster L.A.-Crime-Manier im Stile von „The Big Lebowski” oder „Inherent Vice” ein Fall, der nur von den scheinbar ungeeignetsten Kandidaten gelöst werden kann. Ein erwachsenenfreundlicher Krimi mit „Ihr schafft das schon!“ Ausrufen für die Kleinen.

zootopia-DMV_Trailer

Faultier, Hase und Fuchs könnt ihr ab dem 03. März 2016 in den Kinos anschauen. Mehr zum Film hier.

Utopisches Zoomania

Die Bewohner von Zoomania sind fast alle die absoluten Quasselstrippen. Und das, was aus ihren Mündern kommt, sind in vielen Fällen Anspielungen auf die us-amerikanische (Pop)Kultur. Bedenkt man, dass Byron Howard („Tangled“) und Rich Moore („Ralph reicht's“, „The Simpsons“) gemeinsam Regie geführt haben, so dürfte dies wenig Erstaunen auslösen. Auch wenn für uns noch ein Vergleich mit der deutschsprachigen Synchronisation aussteht, so dürfte es allerdings kaum Probleme geben die vermutlich süßesten Disney-Charaktere seit „Lilo & Stitch“ in einfach jeder Sprache zum Knuddeln zu finden.

Da wäre zum einem das aufstrebende Häschen Judy Hopps (Ginnifer Goodwin). Während ihre 225 Geschwister völlig mit einem Leben auf der Farm zufrieden sind, liegen Judys Talente eindeutig im Konfliktmanagment. Wenn der Schulhofschläger Ärger macht, dann geht Judy tapfer dazwischen. Nicht einmal der Umstand, dass jener ein Fuchs ist schreckt Judy ab, denn Vorurteile kennt sie nicht. Arschlöcher kommen eben in allen Größen und Formen. Das gilt auch für Helden und ohne Angst auf Grund ihrer Größe im Dienst unterzugehen tritt Judy ihren Dienst der Polizei von Zootopia (oder „Zoomania“, die deutsche Umsetzung treibt den Schreiber ein wenig in die Manie) an. Zwar hat sie zunächst mit den körperlich deutlich überlegenden Mitbewerbern zu kämpfen, aber weiß schnell sich mit Köpfchen durchzusetzen. Als Klassenbeste abgeschlossen, Taschen gepackt und ab in die große Stadt. Diese ist etwa so vollgepackt wie eines der vielen Disney-Resorts selber. Tundratown, Sahara Square, jedes Tierchen sein Pläsierchen. Der Input der ersten Vorstellung von Zoomania ist so massiv, er geht fast vollständig verloren. Im Gegensatz zu Filmen, wie „König der Löwen“, dessen Savanne wohl bei jedem Zuschauer einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, geht hier fast alles an einem vorbei. Ähnlich wie bei „Tomorrowland“ oder „Baymax“ muss Judys Zugfahrt durch ihre neue Heimat mehr als einmal gesehen werden, um sie wirklich beurteilen zu können, denn sie steckt voller vorbeirasender kleiner Details (wie Trockenstationen für Nilpferde und speziellen Hamsterröhren).

Zoomania — hier sagen sich Fuchs und Hase zumindest Hallo

In „Zoomania“ sind eigentlich alle Charaktere soweit sozial entwickelt, dass sie die komplette Jäger-und-Beute-Kiste hinter sich gelassen haben. Übrigens endlich eine Erklärung für das Aussehen von tierischen Disney-Charakteren. Deren Augen sind menschlich frontal ausgerichtet und es haben sie beiden meisten Daumen gebildet. Egal ob Maus oder Nashorn, dies ist in „Zoomania“ ein süßer Schritt zurück in die Tage von „Robin Hood“, in der Disney sich erstmals eine Welt erdachte, in der Tiere die einzigen Bewohner der Welt sind und menschliche Aufgaben übernehmen — komplett die eigenen Instinkte und artenspezifischen Eigenschaften für diese integrierend.

Im fortschrittlichen Zoomania hat man sich allerdings über das finstere Mittelalter erhoben. Die Maus kann längst zusammen mit einem Schneeleoparden die Nachrichten moderieren, ohne das es zu einem Blutbad kommt. Aber dennoch leben die Bewohner von Zoomania in einer Art Kastensystem, aus dem es schwer fällt auszubrechen. Judy ist dafür ein gutes Beispiel. Die meisten anderen Bewohner erfüllen stereotypische Jobs. Wie schon aus dem schwer amüsanten Trailer bekannt, arbeiten beim Straßenverkehrsamt beispielsweise nur Faultiere. Dieses Kastensystem ist der Nahrungskette erstaunlich ähnlich. Nur selten wird diese durchbrochen. Der Cameoauftritt von Maurice LaMarche (sowohl Pinky als auch Brain) als mafiöse Spitzmaus ist eines der witzigsten Beispiele dafür in „Zoomania“. Auf der anderen Seite spielt „Zoomania“ schon Rassismus vor. So ist es völlig in Ordnung, wenn sich Hasen untereinander als „süß“ bezeichnen, wenn andere Tiere das tun, dann geht das überhaupt nicht klar. Auch die Benachteiligung von Frauen ist ein Thema, welches in „Zoomania“ kinderverständlich angesteuert wird. In den Reihen von Judy Kollegen arbeiten so halt nur Nashörner, Tiger und Büffel — die sprechen dafür auch mit den Stimmen von Idris Elba (Capt. Bogo) und J.K. Simmons (Mayor Lionheart). Ihre Chefs trauen Judy keine wirkliche Polizeiarbeit, immerhin ist sie nur ein Hase und obendrein noch eine Frau.

Hinein in den Kaninchenbau!

Aber wie steht es dann um die potentiell gefährliche Allianz von Hasenpolizist Judy und Fuchsgauner Nick Wilde (Jason Bateman)? Hier ist von eventueller Gefahr, abseits von eben keiner Unterstützung durch die bulligen (Entschuldigung) Kollegen, keine Spur. Judy verbündet sich mit Nick und rein geht es in den Kaninchenbau, immer tiefer in die finsteren Ecken von Zoomania. Hier gibt es Läden wie die Mystic Spring Oasis, in denen Tiere komplett nackt herumtollen und eine finstere Forschungseinrichtung, deren Insassen „dem Jagdtrieb“ verfallen sind.

Je tiefer es in den Untergrund geht, desto mehr spielt „Zoomania“ mit Noir-Elementen und wird nach und nach zu einem halbwegs kinderfreundlichen „Chinatown” oder “L.A. Confidential”. Sogar der Soundtrack nimmt düster-jazzige Töne an. Nicht zum ersten Mal spielt Disney genau mit diesem Element („Falsches Spiel mit Roger Rabbit“) und ab diesem Punkt ist Disney sehr weit von herkömmlichem Disney-Animationen entfernt. Die Witze, meist nur noch Anspielungen auf andere Filme, sind erwachsen, haben aber dennoch genug Disney in sich um für etwas größere Kinder unterhaltsam zu sein.

Und in mitten all des Verbrechens stehen eben Fuchs und Hase Rücken an Rücken und Hand in Hand. Genau wie Zoomania als Stadt, stehen die beiden für die Vereinbarkeit von Gegensätzen. Nick nimmt nichts ernst und ist ein Gauner (mit gutem Herz), Judy ist freundlich, aufrichtig und optimistisch. Und trotz dieser für unsere Tage sehr wichtigen, kinderfreundlichen und kinderverständlichen Botschaft, kommt auch bei den beiden Helden typisches Disney (besonders schön an Judys Ohren und Nicks Augen zu sehen) nie zu kurz.

Fazit

Als reiner Kinderfilm im Stile von „Die Eiskönigin“ taugt „Zoomania“ wenig. Genau wie „Baymax“ sollte ein kindlicher Kinobesucher schon etwas herangereift sein — sonst könnte es einzig für den erwachsenen Geleitschutz witzig werden. Alles in allem ein gut gelungener Film mit viel Potential um von Disney in der Zukunft als TV-Serie, Themenpark und Teil 2 ausgeschlachtet zu werden.

Bewertung: 4 von 5 Sternen****

Filmkritik von Julius, 20.02.2016