Filmkritik zum Gangsterfilm "Legend"

  

Auf dem Papier ist es schwer einen schwachen Film zu drehen, wenn einem ein doppelter Tom Hardy als schwerverbrecherisches Zwillingspaar aus East London zur Verfügung steht. Dennoch stellt sich „Legend“ dieser Herausforderung mit erstaunlich großer Bereitschaft. Dabei bietet das Leben der berüchtigten Kray Brüder genug Material für mehr als einen Gangsterfilm.

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Bild oben: Szene aus dem Film "Legend". Kinostart ist am 07. Januar 2016.

The Last Of The Famous International Playboys

Die beiden realen Gangster regierten die Unterwelt von East London in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Hin und wieder schafft es Brian Helgelands „Legend“ sogar etwas fesselndes zu erzählen und darzustellen, unglücklicherweise aber meandert sich der Gangsterstreifen zu weiten Teilen durch seine Laufzeit von 131 Minuten. Anstatt sich dabei auf einen Stil festzulegen, legt Helgeland (als Regisseur bekannt für „Payback — Zahltag“, als Drehbuchautor gefeiert für „L.A. Confidential“) beachtlich viel Kraft in die Darstellung von familiären Klischees und raubt seinem Film dadurch seiner potentiellen Energie.

Helgeland, in „Legend“ Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion, zeichnet eigentlich den Aufstieg und Fall von Reggie und Ronald Kray nach. Zwar führen beide Kray Brüder ihre Gang gemeinsam an, doch Reggie hat so etwas wie die Funktion eines Oberbosses auch über seinem Bruder inne. Ronnie ist ein ziemlich schräger Typ und leidet unter paranoider Schizophrenie. Reggie versucht das Geschäft mit einem kühlen Kopf und einer ruhigen Hand zu leiten. Ronnie jedoch hat mehr als nur eine Schraube locker, neigt zu Wutausbrüchen und allgemein alles andere als rationalem Verhalten. Sicherlich auch aus Neid seinem in sich ruhendem Bruder gegenüber. Der Umstand, dass Ronnie laut seiner Biographie bisexuell, in Helgelands Film offen homosexuell, ist, trotz der intoleranten und ablehnenden Kultur der damaligen Tage, gehört zu den stärkeren Momenten des Films.

Die daraus resultierende Dynamik, in Kombination mit Reggies tief verwurzelter Loyalität seinem Bruder gegenüber, egal was dieser auch anstellt, resultiert in einem rasanten Aufstieg in den Rängen der Gangster des East Ends. Auf dem Weg an die Spitze der lokalen Verbrecher verliebt sich der klare Reggie in Frances Shea (Emily Browning). Auch durch diese Verbindung bestärkt sucht Reggie nach Wegen, wie er die kriminellen Machenschaften der „letzten internationalen Playboys“ in die Legalität bewegen kann. Als wäre das nicht schon kompliziert genug hat sich noch ein ehrgeiziger Londoner Polizist (Christopher Eccleston) an die Fersen des ungleich/gleichen Brüderpaars geheftet und will diese final zu Fall bringen.

So weit kein schlechtes Ausgangsmaterial. Und ja, in mehr als nur ein paar Momenten kann „Legend“ fesseln. Aber leider weiß der Film (und Drehbuchautor Helgeland) einfach nicht so recht wohin er überhaupt will. In der zweiten Stunde entwickelt er sich zu einem wahren Gewaltmarsch für den Zuschauer. Völlig offensichtlich versucht Brian Helgeland seine Version von „Goodfellas“ in London zu installieren. Inklusive einer langweiligen und genau so langen Sequenz in einem Londoner Nachtclub und der obligatorischen Erzählung aus dem Off (durch Frances). Anstatt aber durch den guten Stils der Vorlage zu überzeugen, kommt „Legend“ dabei so weit von der Zielgraden ab, dass es besser wäre, möchte man einen guten Gangsterfilm sehen, sich einfach „Goodfellas“ noch einmal anzuschauen.

Das doppelte Lottchen

Tom Hardy trifft dabei keine Schuld. Zum einen ist er definitiv einer der interessantesten Schauspieler der letzten Jahre. Seine Entwicklung von Film zu Film ist beachtlich. Die Aussicht ihn in einer Doppelrolle als Gangster zu sehen ist eine verlockende. Das Ergebnis aber ist deutlich weniger eklektisch als erhofft. Hardy hat eindeutig Spaß in seinen Rollen und versucht, so es Drehbuch und Regie zulassen, die sehr unterschiedlichen Charaktere der Krays scharf hervorzuheben, aber immer dann, wenn der Film ins Groteske, fast comichafte auf Grund seiner Performance abdriftet (und gut zu werden droht), bremst ihn die Handlung aus. Eine überzeichnete Karikatur der 60er im Stile von Groschenromanen wäre dem Einsatz von Hardy und „Legend“ deutlich besser bekommen, als der ernste Ton, zu dem der Film leider immer wieder zurückfindet.

Emily Browning als Frances Shea hat, technisch betrachtet, eine gewichtige Rolle in „Legend“. Schlussendlich aber verkommt ihr Charakter nur zu einem weiteren Hindernis auf dem Weg nach oben. Sie wird zwischen Ronnie und Reggie geworfen und, schlimmer noch, zwischen Browning und Hardy kommt überhaupt keine Chemie zustande. Da ein gutes Stück der Handlung aber der Beziehung zwischen Reggie und Frances gewidmet ist, zieht dieser Mangel an Zusammenwirkung „Legend“ noch weiter herunter. Diese Teile wirken wie ein weiterer zwingender Haken auf der Liste unbedingt zu erfüllender Genre-Klischees.

Fehlerfrei hingegen ist Dick Popes (oscarprämiert für „The Illusionist“) Kameraarbeit. Sein Stil ist, neben Hardy, einer der Aufwerter des Films. Im krassen Gegensatz dazu steht Carter Burwells („No Country for Old Men“) Soundtrack. Der klingt zwar beeindrucken, ist jedoch völlig unpassend eingesetzt und unterminiert diverse dramatische Sequenzen des Films.

Fazit

Auch wenn Tom Hardy einige gute Momente, viele davon kommen durch seine Spielfreude zustande. Es macht, wie immer in der letzten Zeit, viel Spaß im dabei zuzusehen. Aber „Legend“ gibt ihm teilweise erstaunlich wenig zu tun, schlimmer noch, bremst ihn aus. Brownings Erzählung aus dem Off fasst es gen Ende schön zusammen: Alle Personen in „Legend“ sind nur Geister, schemenhafte Abbilder dessen, was sie einmal waren. Gleiches trifft auf den Film selber leider auch zu.

Bewertung: 3 von 5 Sternen.***

Filmkritik von Julius, 06.11.2015