"Hard Powder" Filmkritik — Ein blutiges Comedy-Drama

Liam Neeson ("Schindlers Liste", "Batman Begins", "96 Hours") darf wieder tun, was er laut manch einem Kinogänger am Besten kann: Böse Buben kaltmachen, die sich mit seiner Familie angelegt haben. In dem britischen Remake des norwegischen Thrillers "Einer nach dem anderen" übernimmt Neeson die Rolle, die zuvor noch Stellan Skarsgard inne hatte und zieht Gangster zur Rechenschaft, die den Tod seines Sohnes zu verantworten haben. Dieser geriet eher unfreiwillig in einen Drogenhandel und wurde als Konsequenz des Fehlers, den einer seiner Kumpel gemacht hat, aus dem Verkehr gezogen.

Vater Nels Coxman bezweifelt, dass sein Sohn eine Überdosis Drogen genommen hat, was laut Polizei die Todesursache ausmacht und beginnt, selbst ein paar Nachforschungen anzustellen. Während sich die Mutter des Toten, Coxmans Ehefrau, immer mehr zurückzieht und den Verlust ihres Nachwuchses betrauert, fängt der Schneepflugfahrer an, sich mit der hiesigen Mafia anzulegen und einen nach dem anderen aus dem Verkehr zu ziehen. Auf äußerst brutale Art und Weise.

HardPowder


Action, Krimi, Drama, Komödie?

In erster Linie soll der Film eine Mischung aus Krimi und Actioneinlagen sein, um der Wahrheit etwas näher zu kommen, bezeichnen wir das Werk vielleicht eher als einen komödiantischen Krimi, mit einem durchgehenden, dramatischen Unterton. Zu Beginn gibt sich der Streifen des norwegischen Regisseurs Hans Petter Moland jedoch hauptsächlich als Drama; mit dem typischen Aufbau und der wohlbekannten Schwere.

Sobald Nels' Sohnemann unfreiwillig ins Gras gebissen hat, ändert sich das Baugerüst des Werks auf skurrile Art und Weise. Die Dramatik weicht absolut trockenem, schwarzen Humor. Der dramatische Part verschwindet zwar nicht gänzlich, wird jedoch in den Hintergrund befördert, während sich blutige Action und wenig subtile Komik die Klinke in die Hand geben.

Ab jetzt muss der geneigte Kinogänger nicht nur die theoretische Lust auf drei Genres mitbringen, sondern just in diesem Moment auch bereit sein, einer wechselnden Kombination aus diesen Wesenheiten beizuwohnen. Denn nach ungefähr der Hälfte der Spielzeit verschiebt sich die Gewichtung des Streifens noch einmal. Das Drama kehrt zurück, die Action verschwindet bis zum Finale beinahe komplett ... Der fast schon unpassende - wenn für manch einen sicherlich dennoch lustige - Humor bleibt bestehen.

Für solch einen Kinogänger, der/die sich auf ein ganz bestimmtes Erlebnis gefreut, beziehungsweise vorbereitet hat, kann dies wie ein Schlag ins Gesicht anmuten. Als Käufer eines Kinotickets solltet ihr also im Hinterkopf behalten, dass euch "Hard Powder" nicht durchgehend auf eine einzige Art und Weise bespaßt, sondern sich immer wieder die Freiheit nimmt, zwischen den Genre hin und her zu springen. Als Verbindungsstück dient hier lediglich eine Form des Humors, die man mögen muss, um sie zu genießen.

Bei dem Erstlingswerk, wo ebenfalls Moland die Regie geführt hat, war der Mix noch ganz ähnlich. Trockener Humor, kombiniert mit schwerem, dramatischen Passagen und teils äußerst brutaler Action. Ob das Original von 2014 besser oder schlechter ist als das Remake von 2019 lässt sich schwer sagen. In ihrem Kern sind beide, trotz großer Unterschiede im Detail, vom gleichen Schlag. „Hard Powder“ ist lediglich weniger radikal als „Einer nach dem anderen“ und vielleicht ein bisschen verspielter.

Qualitatives Mittelgewicht

Jetzt, wo ihr zumindest ansatzweise wisst, worauf ihr euch bei einem Besuch im Kino eurer Wahl einlasst, kommen wir doch mal auf die Qualität des Gezeigten zu sprechen. Beziehungsweise, wir überschlagen das Thema, denn wirklich viel gibt es dazu einfach nicht zu sagen. Alles bewegt sich irgendwo in einem akzeptablen Bereich; mit Ausschlägen nach oben wie nach unten.

So sind die Kamerafahrten und Standbilder solide ausgewählt worden, teilweise sogar schön. Dafür gibt sich der Schnitt zwischen verschiedenen Akten als wahlloses, unschönes Durcheinander. Der Faktor des Unberechenbaren, der ihnen innewohnt, soll wohl die harten Unterschiede im Aufbau der einzelnen Szenen und ihrer Art, sich zu präsentieren, verdeutlichen. Ansatzweise kann dies als gelungen angesehen werden, letztendlich wirken die Cuts jedoch eher zufällig, oft im Timing verrückt.

Gleiches gilt für die Figuren im Film. Manch eine Rolle wurde schlüssig durchdacht und entsprechend präsentiert. Andere wechseln ihr Auftreten, ihre Persönlichkeit, wie das Chamäleon die Farbe. Während sich Taten und Aussagen von einem bestimmten Charakter also leicht nachvollziehen lassen, wirkt schon der Nächste so, als hätte er im Laufe der Handlung angefangen, harte Drogen zu konsumieren. Oder damit aufgehört.

Und dieses Spiel könnt ihr beinahe ewig fortführen und auf alle Gebiete anwenden. Überall bewegt sich die Qualität zwischen absolut hochwertig, beziehungsweise clever durchdacht und gleichzeitig faul und losgelöst vom Rest der Produktion. Die einzige Ausnahme kommt hier in Form des roten Fadens, also der Handlung an sich und wie diese sich durch Hans Petter Molands ("Ein Mann von Welt", "Erlösung") Werk zieht.

Denn auch wenn die anderen Bereiche teils wie ein heilloses Durcheinander wirken, so scheint der Erzählstil und der Inhalt dessen, was dem anwesenden Zuschauer vorgeführt wird, stimmig und meist sogar spannend (sofern ihr in der Lage seid, den Wechsel im Genre zu verkraften). Die Art, wie diese Szenen aufeinander aufbauen und der Grundstil, in welchem sie präsentiert werden, darf und muss wohl oder übel Inhalt von regen Diskussionen sein, als Ganzes, als zusammenhängender Film, funktioniert die Geschichte trotzdem recht gut.

Schau, schau, Liam

Es ist selten, doch "Hard Powder" macht es enorm schwierig, die Leistung der Schauspieler ordentlich zu bewerten, da ihre Figuren alle recht eindimensional geschrieben wurden und entsprechend verkörpert werden. Neben Neesons Charakter, Nels Coxman, gibt es noch einige andere Gestalten, die ebenfalls wenig Mimik und Gestik zur Schau stellen. Nicht, weil sie nicht wollen oder können, sondern schlichtweg, weil ihre Rolle so viel Aufwand nicht hergibt.

So ziehen viele der Figuren ein einziges Gesicht, zeigen nur eine Art von Persönlichkeitsmerkmal und haben nur eine Art, auf Überraschungen, Feinde und/oder Neuigkeiten zu reagieren. Dadurch ist es beinahe unmöglich zu sagen, ob sich Akteur XY wirklich Mühe gegeben oder ob er die fast zwei Stunden Laufzeit weitgehend verschlafen hat. Gerade weil sich dies nicht spezifisch sagen lässt, kann vielleicht davon ausgegangen werden, dass sie ihren Job gut gemacht haben. Genauso könnte aber auch das Gegenteil behauptet werden.

Fazit

Ja, nein, Käsekuchen. "Hard Powder" ist ein komödiantischer Action-Thriller, der sich immer mal wieder in ein humorvolles Drama verwandelt. Habt ihr die Absicht, dem Film beizuwohnen, stellt euch darauf ein, dass ihr euch auf nichts einstellen dürft. Die Qualität liegt zwischen einem Punkt, der knapp unter Mittelmaß liegt und einem Wert, der sich immer mal wieder weit davon nach oben absetzt. Letztendlich ist "Hard Powder" also ein guter Streifen, es ist lediglich schwer, ihn als solchen zu erkennen und zu akzeptieren.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 29.01.2019