„I Am Mother“ Filmkritik - Geheimtipp für Science-Fiction-Fans

In jedem zweiten Science-Fiction-Film beißt die Menschheit ins Gras. Mal erschaffen wir etwas, was lieber nonexistent geblieben wäre, ein anderes Mal jagen wir uns selbst in die Luft und manchmal ist es ein Virus, das die Bevölkerung der Erde unter eben diese bringt. In „I Am Mother“ gibt es auf der Suche nach dem Warum keine Antwort, dafür stellt das Werk von Grant Sputore eine Menge Fragen.

IamMother

Zur Geschichte

In einer geheimen Einrichtung erwacht ein Roboter zum Leben und macht sich daran, die Menschheit zu retten. Aus einer gigantischen Zahl an Embryonen, die dort gelagert werden, sucht sie sich einen aus und lässt diesen via Technologie heranwachsen. Sie selbst bezeichnet sich als Mutter und die Hoffnung für unsere Zukunft nennt sie schlicht Tochter (Clara Rugaard).

Das Mädchen wächst heran, wird von der KI in verschiedenen Bereichen ausgebildet und auf ihre Fähigkeit getestet, schwierige moralische Dilemmata zu lösen. Das Kind scheint glücklich, doch wird schnell klar, dass sie sich nach der unbekannten Außenwelt sehnt, in welcher laut ihrer Erzieherin aus kaltem Stahl niemand überleben konnte, da ein Virus alles Leben ausgelöscht hat.

Aber ist das auch wirklich wahr und sind die Absichten von Mutter tatsächlich die Besten? Diese Fragen muss sich die mittlerweile junge Frau unweigerlich stellen, als eine Unbekannte vor den Toren der Einrichtung erscheint, um Hilfe bittet und Mutters Aussagen Lügen schimpft. Fortan ist Tochter hin- und hergerissen. Zwar will sie dem Androiden, dem sie alles zu verdanken hat, glauben, doch was, wenn die Fremde die Wahrheit sagt?

Erzählstil und Tempo

Grant Sputore, der Regisseur von „I Am Mother“, war bisher in erster Linie für seine Arbeit an der Serie „Castaway“ bekannt. Mit diesem Film wagt er sich in deutlich andere Gewässer und zeigt dabei ein recht feines Gespür für einen angenehm zu folgenden Erzählstil. Er geht die Geschichte ruhig an, doch ohne sie unnötig in die Länge zu ziehen oder Leerläufe zu riskieren.

Stattdessen baut er neue Informationen geschickt ein und spielt über fast zwei Stunden relativ berechnend mit den Erwartungen der Kinogänger. Schnell wird einem klar, dass nicht alles, was wir sehen und hören, unbedingt der Wahrheit entsprechen muss. Gekonnt beweist der Regisseur schon zu Beginn, dass sein Werk auf etwas Größeres hinaus will, jedoch nicht dazu bereit ist, diese Tatsache dem Zuschauer auf die Nase zu binden.

In der ersten Stunde mag das noch wenig problematisch sein, aber spätestens nach Ablauf dieser Zeit bewegt sich „I Am Mother“ in Richtungen, in welchen Mitdenken unbedingt notwendig wird und ihr ebenfalls dazu bereit sein müsst, eigene Antworten zu akzeptieren, da ihr nicht alle vom Film selbst erhaltet. Zwar erwartet das Werk keine Gehirngymnastik der verdrehtesten Sorte von euch, doch wer sich einfach nur beschallen lassen will wird hier wohl eher unglücklich werden.

Regisseur und Ensemble stellen sich bei ihrer Arbeit so gut an, dass es tatsächlich spannend ist, der Geschichte zu folgen und sich beständig zu fragen, wohin die Reise geht. Die Antwort im Finale mag nicht jedermann schmecken, doch behaupte ich, dass sie konsequent ist und in anderer Form schwerlich funktionieren würde.

Visueller Stil

IamMother-Plakat„I Am Mother“ arbeitet nur mit zwei Schauspielern und einem Androiden, der lediglich synchronisiert wird und dem nur absolut minimal so etwas Ähnliches wie Mimik anzusehen ist. Und das auch nur mit viel gutem Willen. Und trotzdem schafft es das Werk, in einer gleichbleibenden Umgebung, mit diesen eingeschränkten Möglichkeiten, Maximales darzustellen.

Der Stil passt zu der Geschichte und ihrer Entwicklung. Genau wie das Konzept von Mutter. Der Mix aus Liebe zum Detail der Motion-Capture-Performance und der durchgehend ruhigen und gefassten Stimme von Synchronsprecherin Rose Byrne („The Place Beyond The Pines“, „Insidious“, „Troja“) verschafft dem Androiden eine Persönlichkeit, die gleichzeitig fürsorglich wie verstörend wirkt.

Dies interessant darzustellen ist schon schwer genug, doch dem Team um Sputore gelingt es, den Effekt durch das Voranschreiten der Story und dem Aufploppen neuer Informationen zu verstärken. Während sich der geneigte Zuschauer durchgehend fragen muss, was Mutter eigentlich wirklich ist und was ihre Ziele sind.

Der Science-Fiction-Film beweist, dass auch heute noch weniger durchaus mehr sein kann. Doch beschränkt sich das Werk nicht auf diesen Leitsatz, sondern bricht immer wieder aus dem gewohnten Schema aus. Mal, um dem Zuschauer Abwechslung zu bieten, und dann erneut, um das, was wir wissen, zu erweitern und gleichzeitig zu hinterfragen.

Mini-Cast

Abgesehen von kurzen Ausnahmen beschränkt sich der Cast auf drei Personen. Tochter, grandios gespielt von Clara Rugaard („Teen Spirit“, „Good Favour“, „The Lodge“), Hilary Swank („Million Dollar Baby“, „Insomnia - Schlaflos“, „11:14 - Elevenfourteen“) als die unbekannte Frau und Mutter, zum Leben erweckt durch die Performance von Luke Hawker und der Stimme von Rose Byrne.

Swank macht einen guten Job, wird aber von der exzellenten Darstellung Mutters in den Schatten gestellt. Diese muss sich in Sachen Darbietung wiederum Rugaard geschlagen geben, die auf drei verschiedene Weisen brilliert. Und zwar in ihrem Spiel mit Swank, ihrer Chemie mit Mutter und ihrem differenzierten Schauspiel, wenn sie ganz alleine ist. Sie verbindet die anderen beiden Figuren miteinander und sie ist es auch, die „I Am Mother“ trägt.

Fazit

„I Am Mother“ ist nicht perfekt, doch für das, was der Film sein möchte, nah dran. Sputores Werk ist clever, weitgehend wirklich spannend und regt durchgehend zum Mitdenken an. Außerdem bindet der Streifen dem Zuschauer die Antworten auf viele Fragen nicht auf die Nase, sondern lässt einiges absichtlich offen, dessen Auflösung die Geschichte entmystifizieren würde. Nur etwas für richtige Sci-Fi-Fans, dafür dann aber auch ein absoluter Geheimtipp.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 30.07.2019