"KIN" Filmkritik - Eli und die Gangster der Tafelrunde

Science-Fiction, Actionfilm und Thriller. All dies und noch ein kleines bisschen mehr möchte das ambitionierte Werk "KIN" der Gebrüder Baker sein. Die Produktion sieht sich selbst als eine moderne Variante der König-Arthus-Legende, wird im Presseheft mit stolz geschwellter Brust als etwas ganz Eigenständiges in der heutigen Zeit bezeichnet. Die Wirklichkeit schaut wie immer anders aus, doch hätte ich mir im Vorfeld nicht denken können, dass "KIN" so weit vom angegeben Pfad abweicht ...

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Ein Junge auf Abwegen

Wir befinden uns in der Moderne. Der Teenager Eli, gespielt von Neuentdeckung Myles Trutt ("Superstition"), streift durch baufällige Bürogebäude und sammelt dort jegliche Form von Altmetall und Schrott, die sich unter der Hand verkaufen lassen. Sehr zum Missfallen seines alleinerziehenden Adoptivvaters Hal (Dennis Quaid). Dieser hält von solch illegalen Aktivitäten herzlich wenig, reagiert auf die kleinste Abweichung eines ehrlichen, hart arbeitenden Lebens äußerst ungehalten.

Doch im Grunde seines Herzens möchte er nur, dass sein Sohn einmal ein guter Mensch wird, etwas Härte sieht er dabei hauptsächlich als notwendiges Übel. Am Wichtigsten ist ihm, dass Eli nicht wie Hals richtiges Kind wird, Jimmy (Jack Reynor). Dieser ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden und scheint, in den Augen des enttäuschten Vaters, nicht anständiger geworden zu sein. Was er noch nicht weiß ist, dass Jimmy einigen Kriminellen dafür Geld schuldet, dass diese ihn im Knast beschützt haben.

Es kommt, wie es kommen muss und der Sohnemann hat schon bald richtigen Ärger am Hals. Gangster Taylor Balk, widerlich charismatisch verkörpert durch James Franco ("127 Hours", "Spider-Man", "Milk"), verlangt die ausstehenden Zahlungen, droht damit, die Familie von Jimmy mit in die Sache hineinzuziehen. Was der Waffenschieber und Mörder jedoch nicht weiß ist, dass Eli auf seinen Beutezügen eine außerirdische Waffe gefunden hat, die nur er bedienen kann. Dieser Vorteil hilft zwar, die Verfolger in Schach zu halten, ruft jedoch auch schon bald die Besitzer des Mordinstruments auf den Plan ...

Ein Familiendrama

Über weite Strecken ist "KIN" nicht unbedingt das, was er dem Kinozuschauer vorgaukelt zu sein. Die Alien-Waffe ist nur eine Nebensächlichkeit, die gewisse Punkte im Plot erklären soll, während sie den flüchtenden Brüdern einige Vorteile bringt. Der Fokus liegt stattdessen auf der kleinen Familie selbst, zu der Protagonist gehört. Das Werk der Regisseure Josh und Jonathan Baker konzentriert sich auf die Verhältnisse zwischen den Figuren, dem positiven Einfluss, den Vater Hal mit Strenge auf Eli hat und gleichzeitig die negativen Folgen des nachlässigen jedoch liebevollen Bruders.

Es ist in gewisser Weise ein Road-Trip, der alle wichtigen Punkte eines solchen Werks abklappert. Der Fokus liegt dabei stets auf den Charakteren, ihren Gefühlen und Handlungsentscheidungen. Ein Drama, wenn man so will, dass sich lediglich hin und wieder im Science-Fiction-Bereich Details ausleiht. Und obwohl "KIN" mit seinen 103 Minuten stellenweise etwas zu lang wirkt, macht er seinen Job gar nicht mal schlecht.

Gerade die Chemie unter den beiden Brüdern, Eli und Jimmy, stimmt, zeigt eindrucksvoll den positiven wie auch negativen Einfluss, den der geschichtsträchtige Adoptivbruder auf den Protagonisten hat. Eli selbst, zum Spielball zwischen seinen zwei starken, männlichen Vorbildern geworden, wird dem geneigten Kinogänger gut und nachvollziehbar präsentiert. Es ist beinahe spürbar, wie der Junge hin- und hergerissen wird, sich noch nicht recht entscheiden kann, welchen Weg er einschlagen soll.

Die Möglichkeit, frei mit Lob um sich zu werfen, gerät in Sachen Antagonist jedoch leicht ins Stocken. Zwar spielt Franco den Gangsterboss Taylor Balik äußerst eindrucksvoll, fast schon packend, doch fehlt ihm die notwendige Screentime, um seine Figur komplett entfalten zu können. So bleibt er über weite Strecken undefiniert, nicht mehr, als eine schattenhafte Gefahr, die den Hauptfiguren beständig im Nacken sitzt.

Die Aliens, welche ebenfalls Jagd auf den jungen Mann machen, sind dabei noch weniger relevant. Sie bleiben bis zum Finale Geister, deren Dasein darauf reduziert wird, eine weitere Bedrohung darzustellen. Erst am Ende des Films wird ihre Motivation enthüllt und um ehrlich zu sein, hätten sich die Macher diese Auflösung lieber sparen sollen. Generell lassen sich die letzten circa zwanzig Minuten von "KIN" nur mit gemischten Gefühlen ertragen.

Hier bricht das Werk aus seiner bisherigen Vorgehensweise aus, wird deutlich härter, schneller und lauter. Der Science-Fitcion-Anteil wird innerhalb von wenigen Minuten stark erhöht; leider jedoch nicht zum Guten. Die große Auflösung am Ende nimmt dem Film eine gehörige Portion an Glaubwürdigkeit, verstrickt sich selbst in widersprüchlichen und deutlich zu überzogenen Aussagen. Hier hätte es "KIN" deutlich besser getan, weiter auf den zuvor eingeschlagenen Weg zu setzen.

Es ist ironisch, dass ein Werk, welches sich selbst als Science-Fiction-Thriller sieht, als Familiendrama funktioniert, als Sci-Fi-Action jedoch nichtas Besonderes zu bieten hat. Ganz im Gegenteil, die große Auflösung ist letztendlich mit Abstand der schwächste Part in der gesamten Produktion.

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Vorbildlich gespielt

Abseits von kleinen Ausnahmen muss sich der Cast für seine Leistungen in diesem Werk nicht verstecken. Alle Beteiligten erledigen einen guten, teilweise sogar sehr guten Job. James Franco, wie oben bereits angeschnitten, verkörpert seine Figur mit großer Hingabe, lässt den Gangster bedrohlich, verrückt aber auch nachvollziehbar handeln. Zumindest auf seine ganz eigene Weise. Gegenspieler Jack Reynor ("Sing Street", Macbeth", "A Royal Night"), welcher in die Rolle von Elis großem Bruder Jimmy schlüpft, stellt das genaue Gegenteil dar, spielt seinen Charakter jedoch keinen Deut schlechter.

Sein Akt erinnert hin und wieder an die typische Art von Chris Pratt, auch wenn er nicht ganz so überzeugend spielt. Es reicht jedoch, um Jimmy verstehen zu können, ihn gleichzeitig für seine Art zu lieben wie zu hassen. In einer eher kleinen Produktion, wie "KIN" eine darstellt, ist dies keine Selbstverständlichkeit. Doch muss auch bedacht werden, dass sich fast alle Szenen mitunter um ihn drehen, es also verstörend gewesen wäre, wenn er daraus nichts gemacht hätte.

Bei Hauptdarsteller Myles Truitt sieht die Sache etwas anders aus. Er spielt Eli zwar ziemlich hingebungsvoll und ebenfalls recht vielschichtig, jedoch merkt der aufmerksame Kinogänger hier, dass es dem Jungen noch an Erfahrung mangelt. Nichts, worüber nicht hinweggesehen werden kann, nichtsdestoweniger ein kleiner Dämpfer in einem Werk, dass von der Überzeugungskraft seiner Figuren lebt.

Zoë Kravitz und Dennis Quaid, die einzigen anderen beiden Schauspieler die in "KIN" noch von Relevanz sind, spielen ihre Rollen gut; wirklich mehr gibt es zu ihrer Leistung jedoch nicht zu sagen.

Fazit

Josh und Jonathan Baker haben mit "KIN" ein gutes, für Liebhaber des Genre sehenswertes Familiendrama im Road-Trip-Gewand geschaffen. Damit ist ihr Werk zwar nicht das, was uns versprochen wurde, jedoch nicht weniger interessant. Erst zum Ende hin kommt der Sci-Fi-Anteil ordentlich zum Tragen, doch dann ist eine solche Wendung auch schon wieder unpassend. Das Finale ruiniert weite Strecken des Gesehenen, macht sich stellenweise sogar lächerlich.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 07.09.2018