„Little Women“ Filmkritik - Eine fröhliche Familie

  

Greta Gerwig ist Regisseurin, Schauspielerin, Drehbuchautorin sowie Produzentin und den meisten wahrscheinlich durch ihr Werk „Lady Bird“ bekannt, das von Kritikern wie Kinozuschauern gleichermaßen in höchsten Tönen gelobt wurde. „Little Women“ wiederum ist ein Roman der Schriftstellerin Louisa May Alcott und einer der wichtigsten Vertreter im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur.

Das Ergebnis, wenn sich eine feinfühlige und absolut talentierte Person wie Gerwig an ein melancholisch tiefgründiges und gleichsam humorvolles Buch wie „Little Women“ wagt, darf gut und gerne als Meisterwerk bezeichnet werden. Mit einer eigenen Sicht auf die Handlung und einem feinen Gefühl für den richtigen Erzählstil verwandelt sie die Geschichte von 1868 in etwas, über das selbst 2020 gelacht und geweint werden kann.

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Die March-Schwestern

Im Gegensatz zu der Buchvorlage erzählt Greta Gerwig die Geschichte über die vier March-Schwestern zweitversetzt. Teile der Handlung spielen in den 1860er Jahren und beschäftigen sich mit dem, was aus den jungen Damen geworden ist, andere Teile finden in den 1850er Jahren statt und zeigen uns, was zu den mehr oder weniger aktuellen Gegebenheiten geführt hat.

Grob umrissen dreht sich alles um die Schwestern Jo, Meg, Amy und Beth, die Mitte des 19. Jahrhunderts in einer von starren Geschlechterrollen dominierten Gesellschaft leben. Ihr Vater kämpft im Bürgerkrieg gegen die Sklaverei und ihre Mutter hilft in der Heimat den Armen und Bedürftigen. Die jungen Frauen haben völlig verschiedene Vorstellungen davon, was sie in ihrem Leben erreichen wollen und entwickeln sich entsprechend äußerst unterschiedlich.

Sieben Jahre später versucht Jo Schriftstellerin zu werden. Meg, die immer reich sein wollte, hat sich dazu entschieden, aus Liebe einen armen Mann zu heiraten. Amy will ihrer Einzigartigkeit durch Malerei Ausdruck verleihen, hat sich aber schon damit abgefunden, dass sie einen reichen Ehemann finden muss, um die Familie über Wasser zu halten. Und die überaus talentierte Beth, die eine Karriere als Pianistin angestrebt hat, liegt schwerkrank im Bett.

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Absolut empfehlenswert

Die Geschichte über die jungen Damen ist schon von vornherein eine Erstklassige, was sich leicht daran erkennen lässt, wie oft die Buchvorlage (beziehungsweise Buchvorlagen) in filmischer Form umgesetzt wurden. 1987 erschien unter dem Namen „Eine fröhliche Familie“ sogar eine Animeserie, die sich den Stoff zum Vorbild nahm und diese war weder die erste, noch die letzte japanische Trickserie zu den Büchern von Louisa May Alcott.

Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Die Bücher sind Meisterwerke und es braucht eigentlich nicht viel, um daraus einen anständigen Film zu machen. Auch wenn es in der Vergangenheit durchaus Umsetzungen gab, über die ich lieber nicht reden möchte. Doch was Greta Gerwig hier auf die Beine gestellt hat, ist schlichtweg fantastisch und ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wo ich mit meinem Lob anfangen soll …

Der gewählte Erzählstil ist geradezu perfekt für diese Art der Geschichte und geht ohne Verwirrung bei den Zeitsprüngen vonstatten. Schnitt, Kamera sowie Musikuntermalung sind absolut treffsicher und die gefühlsstarken Szenen wirken nie aufgezwungen oder als würde unnötiger Druck auf die Tränendrüse ausgeübt. Der Humor ergibt sich aus den Situationen und das Gleiche gilt für die traurigeren Momente.

Obwohl der Mangel an boshaften Menschen im Leben der March-Schwestern recht merkwürdig erscheinen kann und es durchaus ein/zwei Ereignisse gibt, die nicht alle Fragen beantworten, die der geneigte Kinogänger haben könnte, ist mir in keiner Sekunde aufgefallen, dass „Little Women“ als romantisches Drama irgendetwas falsch machen würde.

Ganz im Gegenteil, Regisseurin Gerwig rundet die Handlung und vor allen Dingen das Finale sogar durch eigene Ideen ab. Dank einiger geschickt platzierter Szenen im Verlauf der Geschichte, die es so in der Vorlage nie gegeben hat, konnte sie das Ende auf eine Weise anpassen, dass es der Grundaussage der Bücher besser entspricht und vor allem in der heutigen Zeit weniger aufgezwungen wirkt.

Ich behaupte, dass dieser Film über die kompletten 134 Minuten hinweg genau das hält, was er im Vorfeld verspricht. „Little Women“ ist ein romantisches Drama, dass auf paradox wirkende Art eine melancholische Fröhlichkeit ausstrahlt. Die Wendungen wirken nie wie an den Haaren herbeigezogen, es gibt keinen Moment, der sich aufzwingt und wer dem Werk und seiner Handlung gegenüber offen ist und vielleicht sogar empathisch, kann mit den March-Schwestern gleichsam lachen wie weinen.

Große Schauspielerinnen

Ich war ja nicht von Anfang an von der Besetzung in „Little Women“ überzeugt, doch musste ich nach der Pressevorführung einsehen, dass ich mit meinen Bedenken völlig daneben lag. Keiner der Akteure, vor allem kein Weiblicher, lässt in diesem Werk Platz, um mit der Brechstange der negativen Kritik anzusetzen. Auch wenn manch eine Dame durchaus besser spielt als die andere, bewegen sich doch alle mit ihrer Kunst im gehobenen Bereich.

Emma Watson („Harry Potter“) und Eliza Scanlen („Sharp Objects“) beweisen bereits ein gutes Gespür für ihre Figuren und bewältigen die ihnen auferlegten Aufgaben erstklassig. Doch Saoirse Ronan („Abbitte“) sowie Florence Pugh („Midsommar“), sind in dem was sie tun schlichtweg fantastisch und verdienen mein uneingeschränktes Lob. Aber auch Laura Dern („Jurassic Park“) und Timothée Chalamet („Call Me By Your Name“) dürfen und müssen löblich erwähnt werden.

Fazit

Greta Gerwig erzählt die Handlung über die March-Schwestern in ihrem eigenen Stil und rundet die Geschichte mit eigenen Einfällen ab. Beides gelingt ihr hervorragend und dank der sehr guten Technik, wundervoller Kulisse sowie Kostümen, feinfühliger Musikuntermalung und absolut fantastischen Schauspielerinnen, entstand mit „Little Woman“ ein exzellentes Drama, dem gegenüber man nicht einmal allzu offen sein muss, damit es einen hinwegschmilzt. Natürlich funktioniert solch ein Werk nur, wenn man sich den Gefühlen nicht völlig verweigert.

Bewertung: 5/5*****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 10.01.2020