Mank – Die Entstehung von „Citizen Kane“

  

Am 04.12.2020 startet „Mank“ beim Streaming-Dienst Netflix. Hier ist unsere Kritik zum Film von David Fincher.

Vor kurzem erklärte David Fincher, dass er einen Film wie MANK bei einem der großen Studios nicht mehr unterbringen könnte. Dort ist man nur noch an den großen Effektspektakeln interessiert. Anspruchsvollere Filme haben dort keine Chance mehr, selbst wenn sie sich mit dem Autor des vielleicht größten aller Filme befassen: CITIZEN KANE. Aber in Hollywood hat man kein Interesse an der eigenen Vergangenheit. Und schreckt vor einem Film zurück, dessen Hauptfigur ein Trinker ist, der eine komplexe Struktur hat und noch dazu in Schwarzweiß präsentiert wird. Netflix hingegen ließ David Fincher völlig freie Hand. 

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Mank – Zur Handlung

Das vom Radio kommende Wunderkind Orson Welles hat Herman Mankiewicz (Gary Oldman), von allen nur Mank genannt, angeheuert, um das Drehbuch für seinen ersten Film abzuliefern. Er hat Mank in die Isolation geschickt, frei von jeder Ablenkung, fern vom Alkohol, und mit 60 Tagen Zeit, um das Skript zu schreiben. Während Mank sich daran macht, die Geschichte eines reichen Zeitungsverlegers zu erzählen, dessen Leben von Einsamkeit geprägt ist, denkt er auch zurück an sein eigenes Leben.

An das letzte Jahrzehnt, in dem er als Autor erfolgreich wurde, sich mit dem MGM-Boss Louis B. Mayer anlegte, gepflegte Gespräche mit der Schauspielerin Marion Davies führte, und mit dem Zeitungsverleger William Randolph Hearst aneinandergeriet. Nun ist der alles andere als amüsiert darüber, dass ein Film über ihn entsteht, auch wenn die Hauptfigur einen anderen Namen trägt.

Mank – Eine Kritik

David Fincher wollte MANK schon vor mehr als 20 Jahren drehen, direkt nach THE GAME. Das Skript hatte sein im Jahr 2003 verstorbener Vater verfasst und die Leidenschaft für das Thema an den Sohn weitergereicht. Aber obwohl Studios an dem Stoff interessiert waren, lehnten sie doch stets ab, als sie hörten, dass Fincher in Schwarzweiß drehen wollte. Seine Vision konnte er gut zwei Jahrzehnte später wahrmachen und MANK nicht nur monochrom – mit einer RED Monstrochrome 8K gedreht und ohne, dass eine Farbfassung existiert –, sondern akustisch wahrmachen. Denn es ist eine Monospur, mit der hier gearbeitet wird, so wie es zu Zeiten von CITIZEN KANE auch war.

Das verleiht dem Film ein sehr authentisches Flair. Er erinnert von seiner Machart nicht von ungefähr an CITIZEN KANE selbst – auch und gerade von der Struktur. Als Mank mit einem knappen Drittel des Drehbuchs fertig ist, wird er von einem seiner Freunde gelobt, weil es gut sei. Aber es sei auch ein Kuddelmuddel, wirr und sehr sprunghaft in seiner Erzählweise. Es würde von seinem eigenen Anspruch erdrückt. Das mag man auch MANK attestieren, der fortwährende Sprung zwischen gegenwärtiger und vergangener Handlung, die dem Jahr 1941, in dem der Film spielt, immer näherkommt, ist anspruchsvoll. Weil man Lücken in den zeitlichen Sprüngen selbst ein wenig füllen muss, aber auch, weil man ein Gespür für die historische Wirklichkeit von Hollywood in den 1930er Jahren haben oder zumindest entwickeln muss, da der Film sich in Teilen auch sehr politisch gibt.

Vor allem lebt MANK aber nicht von der makellosen Inszenierung und prächtigen Kamera, sondern von Gary Oldman, der nach Churchill in DIE DUNKELSTE STUNDE einmal mehr ganz und gar darin aufgeht, einen echten Menschen zu porträtieren. Mank ist dabei ein Mensch mit Ecken und Kanten, ein Trinker, der nur ernst ist, wenn es etwas zu lachen gibt, und umgekehrt kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es Missstände anzuprangern gilt. Er ist eloquent, hantiert mit scharfer Zunge, und er ist unbequem. Das macht ihm das Leben schwer.

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Fazit

MANK ist eine beeindruckende Biographie, der wohl bewusst ist, dass man das Leben eines Menschen nicht in zwei Stunden abbilden kann. Wohl aber kann man einzelne Stationen herauspicken und hoffen, dass sie ausreichen, um ein Gefühl für den Charakter des Menschen heraufzubeschwören. Das gelingt David Finchers Film sehr gut. Er ist edel besetzt, und das bis in die Nebenrollen, und er ist ausgesprochen schön gestaltet. Als hätte man einen Film aus den 1940er Jahren vor sich. Das mag ihn ein junges Publikum kosten, aber Fincher hat dafür einen Film abgeliefert, der zum Feinsten seines Oeuvres gehört.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Peter Osteried, 02.12.2020