„Nightlife“ Filmkritik — Sympathisch, aber zu lang

  

Der deutsche Regisseur Simon Verhoeven, dem wir Komödien wie „Willkommen bei den Hartmanns“ und „Männerherzen“ zu verdanken haben, kehrt nach einem kurzen Ausflug in das Land der Horrorfilme zurück in sein bekanntes Metier und liefert mit „Nightlife“ in diesem Jahr genau die Art Film, die wir von ihm erwartet hätten. Elyas M`Barek, der in den letzten Jahren neben dem Gerichtsdrama „Der Fall Collini“ vor allen Dingen in humorvollen Produktionen glänzen konnte, kehrt zudem quasi in seine Paraderolle zurück; als Raubein mit einem Herz aus Gold und einer Verbindung zur Unterwelt.

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Zur Handlung

Die Barkeeper Milo und Renzo sind nicht nur die besten Freunde, sie träumen auch einen gemeinsamen Traum, nämlich den von einer eigenen Bar in Berlin. Das notwendige Selbstvertrauen für so ein Unterfangen wäre bei beiden vorhanden, nur die erforderliche Kohle leider nicht. Und die Bank ist auch nicht bereit, ein Darlehen zu vergeben, da Renzo eine kriminelle Vergangenheit hat. Nun möchte dieser aber nicht Schuld daran sein, dass die Hoffnungen seines Freundes zerplatzen wie Seifenblasen.

Also schmiedet er einen Plan. Nur eine kleine Drogenlieferung, eine kurze Fahrt von hier nach dort. Und vielleicht einmal kurz anhalten und etwas zu essen kaufen. Und natürlich … ist der Wagen plötzlich verschwunden. Zusammen mit Milo muss Renzo nun irgendwie die Lieferung beschaffen, da die Besitzer ansonsten sehr ungehalten werden. Doch der Protagonist hat heute eigentlich sein großes Date mit Traumfrau Sunny (Palina Rojinski), die bereits am nächsten Tag die Stadt für immer verlassen könnte.

Klar, dass sich die Ereignisse überschlagen und überkreuzen und schon bald sind allerlei zwielichtige Gestalten hinter dem Trio her, während dieses sich mit schlecht durchdachten Plänen von einem Ärgernis in das nächste rettet. Obwohl alle drei sich in einer fast aussichtslosen Situation befinden und sich nicht sicher sein können, ob sie den nächsten Tag noch erleben, hat Milo sein Date nicht aufgegeben und versucht sie trotz allem zu überzeugen, Berlin nicht zu verlassen.

Wenn die Chemie stimmt

Die Funktionalität von Verhoevens „Nightlife“ ergibt sich aus dem selten platten, meist aus der Situation heraus entstandenen Humor, welcher wiederum nur dank zwei Elementen funktioniert. Zum einen durch die teilweise stark überzeichneten Charakterzüge einiger Figuren und zum anderen dank der Chemie zwischen den Schauspielern. Der Ansatz entpuppt sich über weite Strecken als die richtige Wahl, auch wenn es nicht immer gelingt, die Situationen nachvollziehbar darzustellen.

Obwohl der Humor an sich als recht bodenständig bezeichnet werden könnte, gibt es immer wieder übertrieben alberne Szenen, manch eine Situation lädt eher zum Fremdschämen als zum Lachen ein und es gibt durchaus ein paar längere Durchhänger im Erzählstil der fast zweistündigen Geschichte. Diese Momente sollten wohl vor allen Dingen von Elyas M`Barek getragen werden, der zwar gute Arbeit leistet, jedoch vor allen Dingen mehr vom Altbekannten zeigt und nicht interessanter spielen kann als es die entsprechende Szene zulässt, gleichsam aber fordert.

Während die Chemie zwischen M`Barek und Frederick Lau, der den besten Kumpel Renzo spielt, ziemlich gut ist und dafür sorgt, dass die meisten Szenen, in welchen die beiden zusammen spielen, durchaus funktionieren, lässt das gleiche Phänomen zwischen M`Barek und Schauspielkollegin Palina Rojinski zu wünschen übrig. Rojinski hat die Rolle von Sunny inne und funktioniert im Zusammenspiel mit ihrem Kollegen nur über die halbe Strecke. Gefühle wirken nicht echt, weder positive noch negative, und der Funke zwischen beiden ist weder spür-, noch sichtbar.

Kann man über diese Fehler im Film hinwegsehen, ist „Nightlife“ jedoch durchaus unterhaltsam, wenn, wie bereits erwähnt, auch ein bisschen zu langatmig. Eine recht oberflächliche Komödie, die auf ihrer angepeilten Ebene jedoch weitgehend funktioniert, gleichzeitig nicht allzu viel vom Zuschauer abverlangt und dank der Hauptcharaktere durchgehend sympathisch wirkt. Vorbehaltlos empfehlen kann man Verhoevens Werk zwar nicht, wer vergleichbare Komödien aus deutschem Hause bisher aber mochte, macht hier mit einem Kinobesuch wohl nichts falsch.

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Wenig bedrohlich?

Das größte Problem bei Komödien dieser Art ist meist der Part mit den Bösewichten, denn oft sind diese genau das: böse Wichte. Sind die Gegenspieler zu bedrohlich, geht eine gehörige Portion der humoristischen Unterhaltung flöten, sind sie jedoch dumm und tölpelhaft, driftet die gesamte Geschichte schnell ins Lächerliche ab und verliert einen großen Teil ihrer Glaubwürdigkeit, was ebenfalls den Comedypart negativ beeinflusst. Eine Zwickmühle, an der manch ein Drehbuch bereits verzweifelt ist.

In „Nightlife“ haben die Verantwortlichen diese Hürde jedoch trick-, und erfolgreich überwunden und Gegenspieler erschaffen, die durchaus bedrohlich wirken, jedoch gleichzeitig ihren Teil zum Humor beitragen. Sei es die Truppe kleiner Schläger, die zwar allesamt harte Kerle sind, aber weniger Glück als Verstand haben. Oder die Gangster aus Marzahn, die wirklich beängstigend sein können, aber ihr Hauptquartier halt in einer Lagerhalle für Hüpfburgen haben. Und dann wäre da natürlich noch der Vorort-Mafia-Pate, hervorragend gespielt von Nicholas Ofczarek.

Der Antagonist kommt absolut abgebrüht und boshaft rüber, eine spürbare Gefahr für die Hauptfiguren. Und obwohl dem so ist, sorgt sein österreichischer Akzent, im Zusammenspiel mit seinem fabelhaften ersten Auftritt und der Tatsache, dass er unter der Fuchtel seiner herrischen Ehefrau steht, für einen komödiantischen Ausgleich, der dem Film eine gehörige Portion Mehrwert einbringt. Sollte es einen Grund geben, „Nightlife“ unbedingt gesehen haben zu müssen (Und den gibt es nicht), dann wäre es die Performance von Ofczarek.

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Fazit

„Nightlife“ von Simon Verhoeven hat einige gute Ansätze und der Humor funktioniert fast durchgehend, wenn auch nicht immer treffsicher. Der bodenständige Ansatz steht in einem unangenehmen Kontrast zu manch einer zu stark losgelösten Humorspitze, während die durchaus gut ausgearbeiteten Figuren untereinander nicht immer die beste Chemie haben. Wer die Darsteller mag, macht mit einem Besuch im Kino wohl nichts falsch, mit fast zwei Stunden ist das Werk aber auf jeden Fall ein gutes Stück zu lang, was sich in mehreren Leerläufen bemerkbar macht.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 11.02.2020