„Red Sparrow“ Filmkritik — Blutig, sexy, spannend

  

Wenn der Regisseur von „Die Tribute von Panem 2 — Catching Fire“ mir nichts dir nichts einen Spionagethriller auf den Markt bringt, ist die allgemeine Reaktion in der Regel kritisch. Francis Lawrence ist nicht unbedingt die Art von kreativem Schöpfer, die sich mit den subtilen Dingen in ihren Werken beschäftigen. Nichtsdestoweniger lässt er mit „Red Sparrow“ so manch großen Konkurrenztitel im Regen stehen, beweist das nötige Fingerspitzengefühl für solch ein Werk.

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Flieg, Vögelchen — Die Handlung

Hollywood-Liebling Jennifer Lawrence („Die Tribute von Panem“, „Silver Linings“, „American Hustle“) verkörpert in „Red Sparrow“ die regionale Primaballerina. Dominika Egorova wird begehrt, umjubelt und beneidet. All dies wird ihr zu Beginn der Geschichte zum Verhängnis, als ein lediglich scheinbarer Unfall ihr die Karriere kostet.

Um weiterhin die Arztkosten ihrer schwer kranken Mutter aufbringen zu können, lässt sie sich auf einen Deal mit ihrem Onkel ein, seines Zeichen Vizedirektor des russischen Geheimdienstes. Nicht zu viel vorwegnehmend sei hier verraten, dass die Ereignisse, die anschließend folgen, nicht sonderlich gut für die geborene Tänzerin verlaufen. Letzten Endes weiß sie mehr, als die russische Regierung für akzeptabel hält.

Ihre letzte Chance entbehrt quasi jeglicher Wahl. Entweder verdammt sie sich und ihre geliebte Mutter zum Tod oder sie akzeptiert die Bedingungen ihres Onkels und wird zu einer Red Sparrow. Eine Geheimagentin, die ihren Verstand genauso scharf einsetzt wie ihren Körper. Die Kombination, beide Waffen ohne Zweifel zu verwenden, ist der Grund, warum diese Vögelchen an alle Informationen gelangen können.

Spannend bis zum Schluss — Der Aufbau

Die größte Stärke von „Red Sparrow“ liegt darin, dass dieser Film kein Blatt vor den Mund und keine Hand vor die Augen nimmt. Ungeschönt, ehrlich brutal, wird hier gezeigt, wie sich Hollywood die Realität vorstellt. Wie nah dies unserer Welt wirklich kommt, mag an dieser Stelle schwer zu beantworten sein. Der erste Impuls neigt jedoch gen Richtung Akzeptanz. Die Welt wird von Francis Lawrence ehrlich genug verkauft, dass ich sie ihm abkaufe.

Gleichsam ist dieser Film brutal, in zweierlei Sinn. Nacktheit und Gewalt werden genauso explizit dargestellt, wie der seelische Druck des Gezeigten dem Zuschauer langsam die Kehle zuschnürt. Mit nur wenig Leerläufen schleppt sich der geneigte Kinogänger von Horrorvision zu Horrorvision, während die Handlung selbst langsam und äußerst subtil dargestellt verläuft. Jede Tat, jede Änderung der Mimik, ja, selbst jeder ausgesprochene Gedanke ist von inhaltlichem Wert.

Wirklich beeindruckend ist jedoch, dass „Red Sparrow“ nicht allein durch diese Vorgehensweise das Interesse des Zuschauers hält, sondern auch schon durch seine oberflächlichsten Ereignisse. Der Film hält eine gut ausbalancierte Waage aus visuellen Eindrücken auf der einen und spannenden Ereignissen auf der anderen Seite. Dabei ist keine Szene länger als sie sein dürfte, während selbst kleine Ereignisse nicht enthalten werden.

Weitgehend muss sich der Ticketkäufer seinen Teil denken, lässt sich dieser Thriller doch ungern in die Karten gucken. Da er sich selbst jedoch bis zu weiten Teilen nicht widerspricht, seinen eingeschlagenen Weg nicht verlässt, ist dies mehr als akzeptabel, da die gelieferten Antworten selbst dann befriedigend aufgenommen werden können, wenn der Rätselnde selbst daneben gelegen haben sollte.

Doch ohne Ausnahme gibt es in Hollywood leider keine Regel. So sorgt auch die Handlung von „Red Sparrow“ an einem gewissen Punkt für aufgestoßene Magensäure, was die vorangegangen Ereignisse zwar nicht entkräftet, jedoch einen äußerst bitteren Nachgeschmack im Mund hinterlässt. Die Rede ist hier vom Finale selbst, der Auflösung aller Taten und Handlungen der Dominika Egorova.

Hier hat sich der Drehbuchautor leider dazu entschieden, den unwahrscheinlichsten Ausgang zu wählen. Ab diesem Punkt macht die Handlung eine ungesunde Kehrtwendung und versucht anscheinend, in irgend einer Form das Publikum zu besänftigen oder vielleicht auch, sich diesem anzubiedern. Schwer zu sagen. Klar ist nur, dass „Red Sparrow“ dadurch im Konflikt mit sich selbst steht.

Dargestellte Verhaltensmuster der Figuren sowie einige Handlungen passen auch nach reiflicher Überlegung und aus mehreren Blickwinkeln betrachtet nicht in das Konzept der abschließenden Szene(n). Zwar fügen sich einzelne Handlungsstränge und lose Enden am Ende zusammen, doch geschieht dies mehr schlecht als recht.

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Schauspielerische Leistung — Arg und stark

Die zur Schau gestellte Leistung der einzelnen Akteure schwankt in „Red Sparrow“ bedrohlich zwischen mittelmäßig und überragend. Wären mit der ersten Beschreibung Neben- und mit der zweiten Hauptdarsteller gemeint, ließe sich dies natürlich einfach ertragen. Doch die Fakten sind leider ein wenig anders geordnet.

Beginnen wir mit Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence, deren Rolle fein ausgearbeitet wurde und allerlei psychologische Tiefen vorzuweisen hat. Das Problem an dieser Figur ist jedoch nicht die Vorlage, sondern Frau Lawrence selbst. Sie spielt zwar ziemlich gut, vielleicht sogar mehr als das, doch schafft sie es nicht, die komplexe Natur der Dominika auch visuell erfassbar zu machen.

Das minimale Spiel mit der Mimik, das eine solche Persönlichkeit in ihrer Darstellung nun einmal verlangt, will Lawrence einfach nicht gelingen. Die amerikanische Schauspielerin lässt keine Empathie mit ihrer Figur zu. Mitleid, ein gewisser Grad an Verständnis … doch keine echte Verbundenheit. Dafür ist das Spiel des „Tribute von Panem“-Stars zu unausgereift.

Bei ihrem Co-Star Joel Edgerton („Warrior“, „Der große Gatsby“, „The Gift“) sieht die Sache ganz anders aus. Hier ist es der australische Schauspieler, der maximale Leistung aufbringt, doch unter der Drehbuch-Vorlage zu leiden hat. Seine Figur, CIA-Agent Nate Nash, ist ein zweidimensionaler Fehler. Es ist erstaunlich, dass Edgerton einen solch unausgereiften und der Welt von „Red Sparrow“ widersprechenden Charakter, überhaupt so formidabel zu spielen versteht.

Doch nicht alles ist so wechselhaft wie zwischen den beiden Hauptdarstellern. So haben beispielsweise Matthias Schoenaerts und Jeremy Irons („Stirb Langsam — Jetzt erst recht“, „Lolita“, „Die Poesie des Unendlichen“) das Vergnügen, dass nicht nur ihre Charaktere gut ausgearbeitet wurden, sondern sie diese auch noch exzellent in Szene setzen konnten. Einige der Nebendarsteller, allen voran Ciarán Hinds, versuchen dem scheinbar aktiv entgegen wirken zu wollen, fallen nichtsdestoweniger kaum ins Gewicht.

Fazit

Der Spionagethriller von Francis Lawrence ist spannend aufgebaut sowie subtil, doch fesselnd erzählt. Einzige Schwachpunkte stellen das blauäugige Finale und manch ein schauspielerischer Fehlgriff dar. Letzten Endes trotzdem ein sehenswerter und spannender Film, mit vielen guten, eigenen Einfällen. „Red Sparrow“ verfügt über genügend Alleinstellungsmerkmale, um eine Sichtung wert zu sein.

"Red Sparrow" ist ab heute in den Kinos zu sehen.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 01.03.2018