„The First Purge“ Filmkritik — Altes Jahr, alte Säuberung

  

Am 05. Juli erscheint in Deutschland die Antwort auf die außerordentlich erfolgreiche „The Purge“-Reihe. Mit „The First Purge“ kommt das Prequel, das sich Fans schon lange gewünscht haben und um das gleichzeitig niemand je gebeten hat. Die Regie übernimmt dieses Mal der Regisseur von „Nächster Halt: Fruitvale Station“, Gerard McMurray. Da das Franchise schon längst nicht mehr einfach nur schockieren möchte, sondern sich gleichzeitig politisch immer wieder zu äußern hat, gibt es in diesem Teil einige interessante Wendungen.

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Zum Hintergrund

Jahre vor dem ersten Film, der „The Purge“-Reihe, befindet sich die Verbrechensrate in den Vereinigten Staaten auf einem Rekordhoch. Die Partei „Neue Gründungsväter Amerikas“ hat die mehr oder weniger grandiose Idee, einmal im Jahr, für zwölf Stunden, jegliche Art von Verbrechen zu legalisieren. Die Richtigkeit ihrer Idee wird dabei von der renommierten Psychologin Dr. Updala (Marisa Tomei) bestätigt.

Als Prototyp der Säuberung soll sich die erste Purge auf den New Yorker Stadtteil Staten Island beschränken. Jeder Teilnehmer wird mit 5.000 US-Dollar Entschädigung belohnt, was kann jetzt also noch schief gehen? Nun, ja. Zum Beispiel könnten sich die Bürger, hauptsächlich Menschen, die in Armut leben, weigern, aufeinander los zu gehen. Ein Umstand, mit welchem die hohen Tiere bei der Partei alles andere als einverstanden sind.

Um die Sache in Gang zu bringen, beschließt die Regierung, selbst in das Geschehen einzugreifen. Doch wieder werden sie überrascht, denn die Anwohner beginnen, sich gegen die Idee und die Brutalität zu wehren. Eine kleine Widerstandsbewegung wird gegründet, welche schnell Feuer des Idealismus im ganzen Land entfacht.

Zum Film

Auch im vierten Teil der Horrorreihe ist es den Machern in erster Linie wichtig, Vergleiche zu realen Figuren und Ereignissen zu ziehen. Immer wieder gibt es Szenen, die uns die mögliche Realität einer Säuberung vor Augen halten sollen. Gleichsam wird stets in den Vordergrund gerückt, dass die Umsetzung einer solchen Idee nur einen Steinwurf entfernt sein könnte. Dies geschieht sehr zum Leidwesen der wirklichen Schockmomente.

The First Purge“ entfernt sich in dieser Hinsicht noch ein Stückchen von seinen ersten Gehversuchen, zeigt dem Genre Horror immer wieder die kalte Schulter, während mit einem gewissen Schema des Politthrillers geliebäugelt wird. Die neu gewählte Richtung ist im gleichen Atemzug kaum als solche zu erkennen, da die aufgegriffenen Themen mittlerweile doch recht geläufig wirken.

Abseits davon kann „The First Purge“ sich zumindest erneut mit einer äußerst dichten, packenden Atmosphäre brüsten. Diese lebt im vierten Teil hauptsächlich davon, dass die eingebauten Figuren überhaupt keine Ahnung davon haben, wie solch eine Säuberung überhaupt abläuft. Und auch der Zuschauer, der sich mittlerweile für einen Experten auf dem Gebiet halten könnte, wird das eine oder auch andere Mal eines Besseren belehrt.

In diesem Sinne wird „The First Purge“ dann auch von der ersten bis zur letzten Minute gezeichnet, während sich die Gräuel der Vorgänger hier meist nur erahnen lassen, das Prequel jedoch stellenweise einen ganz eigenen Horror mit sich bringt. Nichtsdestoweniger wirken einige Wendungen wie Szenen ungewollt lustig, da der Film selbst bemüht ist, mit ernster Miene Unwissenheit vorzutäuschen, während es der gewillte Kinogänger doch schon längst besser weiß.

Würde sich der Film von Gerard McMurray („Burning Sands“) nun wenigstens darum bemühen, seinen Möglichkeiten entsprechend seicht, jedoch gut zu unterhalten, müssten wir diesen Tanz um den heißen Brei nicht vollführen. Stattdessen sieht es jedoch leider so aus, dass sein Werk viel zu stiefmütterlich behandelt wird, über einiges an Spielzeit hinweg lediglich dazu dient, weitere Filme dieser Reihe zu rechtfertigen, beziehungsweise möglich zu machen.

Dadurch, dass der Fokus durchgehend auf den Handlungen, den Beweggründen der Politiker liegt, wird viel der theoretischen Möglichkeiten links liegen gelassen, das ganze Projekt verliert schnell an Fahrt, die zuvor erst einiges an Zeit gefressen hat, um überhaupt aufgebaut werden zu können. Über weite Strecken wird dadurch die Illusion erzielt, dass ein sich endlos in die Länge zu dehnen scheinender Film plötzlich schon dem Finale genähert hat.

Zur Kunst

Gerade zum Finale hin schafft es der Film dann jedoch trotzdem, sich in eine ordentliche Spannung zu steigern, die bis zum Abspann anhält. Was lange währt wird endlich gut, auch wenn ich nicht behaupten kann, dass es sich wirklich gelohnt hätte, die Ausdauer als Zuschauer an den Tag zu legen. Nichtsdestoweniger haben die letzten Minuten einiges für sich, eine kraftvolle Explosion aus angestauten Möglichkeiten, die endlich ihren Weg ins Freie finden.

Wirklich punkten kann der Film jedoch mit keinem der zuvor erwähnten Punkte. Und schon gar nicht mit der schauspielerischen Leistung der anwesenden Akteure. Diese machen zwar einen durchweg durchschnittlichen Job, mehr kann an dieser Stelle dann aber auch nicht behauptet werden. Nein, die Rede ist von der Arbeit des Regisseurs selbst, wenn es um Bildeinstellungen, Schnitt und Kamerafahrten geht.

Hier gelingt es allen Beteiligten, dem Film fast eine höchst künstlerische Note zu verpassen. Abseits des gemeinen und höchst stumpfen Exzesses wählt McMurray die Einstellungen, die „The First Purge“ im rechten und gleichsam sonderlichen Licht dastehen lassen. Definitiv nicht schlecht, trotzdem ungewohnt, erschreckend melancholisch. Im Kontrast mit den gezeigten Taten und dem Wissen um die Umstände, kein fröhliches Spiel mit den Bildern, dafür eines, das fesselt.

Fazit

„The First Purge“ bleibt weitgehend hinter seinen Möglichkeiten zurück, verlässt sich zu sehr darauf, reiner Fanservice zu sein, statt sich mit echten, eigenen Ideen zu bewähren. Der Fokus auf die psychologischen Irrwege der Politiker erweist sich als Fehlentscheidung, wird dadurch doch enorm Tempo aus dem Werk genommen. Gleichsam wirken viele Szenen austauschbar wie unnötig. Lediglich die gute Kamera- und Regiearbeit schmeichelt letztendlich wirklich und bleibt entsprechend in Erinnerung.

Bewertung: 2/5**

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 05.07.2018