The Great Wall Filmkritik — Epos und Größenwahn

  

Epik: „(…) auch erzählende Literatur genannt, ist neben Dramatik und Lyrik eine der drei großen Gattungen der Literatur und umfasst erzählende Literatur in Vers- oder Prosaform. Angewandt im heutigen Sprachgebrauch, taucht Epik oftmals in Erweiterung mit anderen Kunstgattungen auf, so etwa im epischen Theater, Film, Musik, Roman, Bühnenwerk, Fernsehfilm und Computerspiel, worin die Handlung ein Thema der Größe, Würde und des Heroismus entfaltet, ähnlich wie im klassischen Epos.“ (Quelle: Wikipedia).

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Alles im Überfluss … Fast alles

In einer der teuersten chinesisch-amerikanischen Kinoproduktionen aller Zeiten, „The Great Wall“, orientiert man sich lieber an einer etwas anderen Interpretationsform diese Erzählkunst. Eine Version, die so in den Köpfen vieler Jugendlicher und Kinomeider mit dem Wort Epik gleichgesetzt wird. Groß, ja. Oder besser gesagt: gigantisch. Kämpfe in Zeitlupe. Abgedrehte Kostüme. Fürchterliche Feinde. Fantasy, Action, und alles, was das Herz des Liebhabers von überdrehter Filmkunst sich nur wünschen kann.

Was dabei zurück bleibt, ist meist alles andere. Charaktere, Geschichte, ja, sogar das ganze Drehbuch rückt in den Hintergrund und macht Platz für Ideen, die nur einem einzigen Zweck dienen: mit dem heute gängigen Wort für cool und angesagt in Verbindung gebracht zu werden. Der Action-Fantasyfilm von Regisseur Zhang Yimou („Hero“, „House of Flying Daggers“, „Rote Laterne“) bildet da in keinster Weise eine Ausnahme — ganz im Gegenteil. Er steigert dieses Ungleichgewicht bis in die Extreme und beschränkt sich einzig und allein auf den Versuch, den Kinozuschauer visuell zu beeindrucken.

Zur Story

Eine Gruppe von reisenden Söldnern versucht im frühen 15. Jahrhundert heimlich in China einzudringen, das berühmte Schwarzpulver zu finden und in der Heimat teuer zu verkaufen. Natürlich geht der Plan nach hinten los. Die Gruppe schrumpft auf die einzig wichtigen Figuren, welche sich an der Chinesischen Mauer wiederfinden, wo sie mitten in einen Krieg zwischen Menschen und Aliens geraten. Die Mauer ist die letzte Hürde, die diese Monster noch überwinden müssen. Sollten sie es schaffen, wäre dass der Untergang für die Menschheit. Aber zum Glück ist Antiheld William Garin (Matt Damon) der beste Krieger, den der Westen zu bieten hat — und er sehnt sich danach, ein Held zu sein ...

Viel mehr als diese kurze Zusammenfassung braucht ihr nicht. Es sind für Yimou genügend Informationen, um einen Film von fast 105 Minuten zu füllen und für Liebhaber der Genres, die gesamte Geschichte zu durchschauen. Was abseits davon gezeigt wird, ist ein mehr als lauwarmer Aufguss von 08/15-Märchen, die wir in den letzten Jahrzehnten zuhauf geboten bekamen. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass hier noch viel weniger Wert auf Erzählkunst und Tiefe gelegt wird und stattdessen alles auf fulminante Action hinausläuft.

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Hauptsache cool

Trotz diverser Makel im CGI-Bereich sind die Schlachten und Kämpfe in „The Great Wall“ alles andere als schlecht. Total überzogener Schwachsinn und mit dem großen Verbotsschild ausgestattet, auch nur eine Sekunde über das Gezeigte nachzudenken, aber dennoch recht unterhaltsam und teilweise schön in Szene gesetzt. Jetzt kommt aber der Knackpunkt an diesem Lob: es steht fast zur Gänze alleine da.

Die Figuren in diesem Machwerk haben keinerlei Tiefe, sie sind Schablonen anderer Charaktere und auf ihre auffälligsten Persönlichkeitsmerkmale reduziert. Die Geschichte ist ziemlich dünn, reißt über die lange Strecke fast und überschlägt sich zum Ende in nicht nachvollziehbaren Wendungen. Es scheint fast so, als wären den Drehbuchautoren einzelne Szenen eingefallen, denen sie eine gewisse Größe zugeordnet haben, doch dann gingen ihnen schnell die Ideen aus, wie sie diese einzelnen Fäden miteinander verbinden können.

So besteht der Film hauptsächlich aus lieblos in den Topf geworfenem Füllmaterial und wenigen, nett anzuschauenden Kämpfen in den Ritzen. Davon abgesehen gibt es nicht viel zu berichten. Die Kostüme der Darsteller und die gesamte Armee auf der Mauer sind direkt dem Verstand eines Wahnsinnigen entsprungen — auch wenn sie in gewisser Weise schon ziemlich eindrucksvoll anmuten. Die Kämpfe sind gleichzeitig absolut over the top und dienen einzig und allein der anspruchslosen Unterhaltung.

Lustlos und lustlos gesellt sich gern

Was die Darsteller angeht, so könnte man zu dem Gedanken kommen, sie wussten bereits im Vorfeld, welche Erfolgschancen „The Great Wall“ haben würde. Vor allem Matt Damon und sein Partner Pedro Pascal, der den Pero Tovar verkörpert, könnten kaum gelangweilter wirken. Völlig antriebslos stolpern sie von Szene zu Szene und blühen nur dann ein wenig auf, wenn sie hässlichen Monstern die Visage eindrücken dürfen.

Willem Dafoe erscheint dem Zuschauer so, als würde er nicht wirklich wissen, wie er in diesem Film gelandet ist und die chinesischen Stars (unter anderen Zhang Hanyu, Andy Lau und Lu Han) schauspielern von der ersten bis zur letzten Minute auf Sparflamme. Es ist nicht wirklich schön, sie dabei zu beobachten, wie sie stocksteif ihren Job machen und dem Werk keinerlei Mehrwert hinzufügen können.

Um den Vogel abzuschießen, sind die deutschen Synchronsprecher genauso uninteressiert daran, sich Aufträge für die Zukunft zu sichern. Es ist äußerst anstrengend, ihrem lustlosen Versuch ausgeliefert zu sein, auch nur annähernd glaubwürdige Arbeit abzuliefern. Wären die Bilder und die recht anmutigen Kamerafahrten nicht, mir würde nichts mehr einfallen, um dieses Werk zu loben.

Fazit

„The Great Wall“ kann mit zwei Dingen locken: Größe und Wahnwitz. In dem ganzen Film geht es um den Versuch, dem Publikum zu imponieren, nicht, es wirklich zu fordern oder gar zum Denken anzuregen. Eine flache Geschichte, eindimensionale Figuren und jede Menge Logiklöcher von der Größe der Milchstraße stehen im Ungleichgewicht mit Wellen aus Monstern, die sich á la „World War Z“ stapeln. Man muss einzelne Szenen aus diesem Machwerk definitiv mal gesehen haben, wenn das aber bedeutet, sich über eineinhalb Stunden langweilen zu müssen, dann hoffe ich für euch, dass diese Clips demnächst auf Youtube auftauchen ...

Unterm Strich bekommt ihr also denkbar faule Arbeit, die dafür wenigstens schön verpackt wurde. Ein Augenschmaus, wenn man so will, aber halt keiner, der mehr zu bieten hat als bloße Fassade. Der Kern besteht aus einem eintönigen, grauen Etwas, das lediglich dazu dient, die Form zu wahren, aber sonst keinen tieferen Zweck erfüllt. Wer sich einfach mal berieseln lassen will, kann hier getrost die Augen aufreißen und das Gehirn in den wohlverdienten Urlaub schicken. Solltet ihr einen Hauch mehr erwarten, sucht lieber nach Alternativen.

Bewertung: 2/5**

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht", 11.01.2017