„The King of Staten Island“ Filmkritik – Herzhaft unsympathisch

  

Bei diesem Film handelt es sich um eine semi-autobiografische Komödie von Judd Apatow mit dem Comedian und Schauspieler Pete Davidson. Davidson nutzt dieses Werk anscheinend, um eine leicht bis mittelschwer abgewandelte Version seiner eigenen Geschichte zu erzählen, in welcher er Erlebnisse verarbeitet, Konsequenzen aus seinem Handeln zieht und den geneigten Zuschauer davor warnt, auf die gleiche Weise mit Depression umzugehen wie er es getan hat. Das Ganze natürlich abgerundet mit seinem typischen Humor, den man aber nicht kennen muss, um sich mit der Geschichte anzufreunden.

The King of Staten Island Szenebild 1

The King of Staten Island: Zur Handlung

Scott (Pete Davidson) war gerade einmal sieben Jahre alt, als sein Vater als Feuerwehrmann bei einem schlimmen Hotelbrand ums Leben kam. Dieses einschneidende Erlebnis hat seine Spuren auf ihm hinterlassen und der mittlerweile Mittzwanziger leidet noch immer unter Depressionen. Er lebt im Keller seiner Mutter, wo er mit seinen Freunden abhängt, bissige Kommentare von sich gibt und von einem Leben als Tattoo-Künstler träumt, das aber in weiter Ferne liegt, da Scott ein schrecklich schlechter Zeichner ist.

Sein Leben wird jedoch gehörig auf den Kopf gestellt und das innerhalb kürzester Zeit. Während seine Freundin aus Kindheitstagen, Kelsey (Bel Powley), sich nicht mehr sicher ist, ob sie die On-Off-Beziehung mit Scott noch erträgt, beginnt seine Mutter eine Liebesbeziehung mit dem laut polternden Feuerwehrmann Ray (Bill Burr). Gleichzeitig verlässt Scotts kleine Schwester das Elternhaus, um am College zu studieren. Die Welt des jungen Künstlers scheint völlig aus den Fugen zu geraten und er regiert auf die einzige Art und Weise darauf, die er je gekannt hat: beißender Spott und Passiv-Aggressivität.

The King of Staten Island Szenebild 2

The King of Staten Island: Eine Kritik

Ein Werk wie The King of Staten Island steht und fällt mit seiner Hauptfigur und in dieser Hinsicht muss der geneigte Kinogänger eine Menge Geduld mitbringen. Quasi genauso, wie wenn man einen jungen Menschen mit den gleichen Symptomen wie Scott in seinem Umfeld hat. Denn in der ersten Hälfte – ach, eigentlich fast den ganzen Film über – sind der Protagonist und fast alle Nebenfiguren nur schwer zu ertragen. Gerade Scott macht es einem schwer, sich mit ihm zu identifizieren und ihn lieb zu gewinnen, da seine Art und seine Handlungen geradezu danach schreien, ihn als unsympathisch zu deklarieren.

Natürlich ist dies offensichtlich genau das, was der Film erreichen will, doch sollte normalerweise auch ein Fünkchen Liebenswürdigkeit durchscheinen, welche uns zeigt, dass der Zug für den Charakter noch nicht abgefahren ist und unter den dicken Schichten aus fiesen Sprüchen, gemeinen Taten und kindlicher Bockigkeit ein Mensch steckt, den man theoretisch mögen könnte und von dem man möchte, dass er es wieder auf die Beine schafft. Bis es soweit ist, dauert es jedoch eine ganze Weile und dementsprechend bereit muss der Zuschauer sein, die Art von Scott zu ertragen. Genauso wie dessen Freunde und Familienmitglieder dies müssen.

The King of Staten Island Szenebild 3

Entgegen meiner eigenen Annahme während der Sichtung von Judd Apatows Werk, kommt dieser Moment aber tatsächlich und es gelingt der Geschichte, die feinen Nuancen des menschlichen Verhaltens herauszukristallisieren und aufzuzeigen, dass weder Menschen noch ihre Taten nur in schwarz und weiß eingestuft werden können. Einige wirklich zuckersüße Szenen und spätere Auflösungen zur Motivation manch einer Figur sind tadellos und lassen entsprechend keinen Raum für negative Kritik. Schade ist lediglich, dass der Film sich dafür viel zu viel Zeit nimmt und es immer wieder starke Leerläufe in den knapp 140 Minuten gibt.

Außerdem kann ich gar nicht oft genug betonen, wie unglaublich unsympathisch Scott die meiste Zeit über ist. Ein manipulierender Depressiver, der alles sagt, um seine Ziele zu erreichen und eine unglaubliche Motivation und Einsatzbereitschaft zeigt, nur um sich ein Leben zu sichern, in welchem er keinerlei Motivation und Einsatzbereitschaft aufbringen muss. Er bezeichnet sich oft und gerne als Looser, wird aber sehr schnell wütend, wenn andere ihn so sehen oder benennen. Dies macht es enorm schwierig, ihm die Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken, bis es endlich zur Wandlung kommt.

Diese wird dafür jedoch schön und gut erklärt in Szene gesetzt. Zwar sind einige Szenen wirklich unnötig und für das Bild seiner Entwicklung, dass wir von ihm haben sollen, fast schon kontraproduktiv, dafür machen dies einige andere, wirklich clevere Szenen wieder wett, die deutlich zeigen, dass der Schauspieler hinter der Hauptfigur aus seinen vergangenen Fehlern gelernt hat und die Menschen zu schätzen weiß, die ihm helfend zur Seite standen. All dies macht The King of Staten Island zu einem sehr menschlichen Film, der eine schöne Anekdote zum Thema Selbstreflexion zu bieten hat.

Humor und Talent

Obwohl Pete Davidson weitgehend einfach nur sich selbst spielt und dementsprechend nicht wirklich zeigt, was er als Schauspieler auf dem Kasten hat, setzt er die Rolle von Scott, also quasi von sich selbst, sehr gut um und es fällt einem leicht, ihm seine komplette Art abzukaufen. Leider gilt sowohl für ihn als auch für einige Nebenfiguren, dass manch eine wichtige Szene deutlich zu kurz kommt und andere zu sehr breitgetreten werden, weswegen Mimik und Gestik hier und dort fehlinterpretiert werden können und ab und an Zweifel an den Fähigkeiten der Darsteller aufkommt.

Im Großen und Ganzen machen aber alle Beteiligten einen guten Job. Zwar gelingt es niemandem auf einem Niveau zu spielen, welches dem professionellen Kritiker die Pantoffeln weg fliegen lässt, aber in Anbetracht des angepeilten Ergebnisses und für die Aussage, die getroffen werden soll, ist das gezeigte Talent mehr als ausreichend. Was jedoch den Humor des Films angeht, kann ich keine wirkliche Aussage treffen, da sich um dieses Thema einfach nicht streiten lässt. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob die Art der Comedy, die Davidson an den Tag legt, gefällt oder nicht.

Am besten ist es wohl, wenn ihr euch einfach mal an den Computer setzt und im Internet nach dem Comedian sucht. Schaut euch ein/zwei seiner Auftritte an und ihr wisst ungefähr, womit ihr es in The King of Staten Island zu tun bekommt.

Fazit

Der Film von Regisseur Judd Apatow ist deutlich zu lang, manche Szenen erhalten entgegen jeglicher Vernunft viel zu viel Aufmerksamkeit, während andere, deutliche wichtigere Momente, fast schon unter den Teppich gekehrt werden. Außerdem dauert es viel zu lange, bis der Protagonist durchscheinen lässt, dass er eigentlich ein guter Typ ist, den man unterstützen und dessen Fortschritt man feiern sollte. Abgesehen von diesen Negativargumenten handelt es sich bei The King of Staten Island jedoch um einen herzlichen, menschlichen Film, mit vielen starken Momenten und einer angenehmen sowie cleveren Abschlussbotschaft.

Kinostart ist am 30. Juli.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 09.07.2020