„Tomb Raider“ Filmkritik — Spiel > Film

  

Am 15. März 2018 kommt eine Verfilmung in die deutschen Kinos, die bereits im Vorfeld unter großem Druck zu leiden hat. Die Vorlage, das Quasi-Reboot der Videospielreihe, hat den Namen „Tomb Raider“ schließlich wieder populär, beliebt wie selten zuvor gemacht. Eine Neuausrichtung, die sich am Ende bezahlt gemacht hat, die Erwartungen weitgehend übertreffen konnte. Kritiker, Fans, sowie Hollywood selbst erhoffen sich natürlich, dass sich dieser Prozess auch in Filmform umsetzen lässt.

Tomb raider Kinostart Header DE

Brandflecken im Drehbuch

Und theoretisch ist dies auch alles andere als unmöglich. Die ersten Trailer sahen vielversprechend aus, die Wahl der Hauptdarstellerin zwar umstritten, nichtsdestoweniger aus meiner Sicht völlig richtig für die Rolle der Lara Croft ausgesucht. Was jetzt noch fehlte war ein Rezept, welches den Drehbuchautoren auf dem Silbertablett serviert wurde.

Das Prequel der „Tomb Raider“-Reihe hatte eine packende Geschichte zu bieten, Charaktere, die sich als überraschend vielschichtig herausgestellt haben, sowie eine wirklich gute Mischung aus Mitleid erregendem Drama und packender, Adrenalin treibender Action. Nicht mehr und nicht weniger hätte lediglich cineastisch dargestellt werden müssen und wir wären alle Freunde geworden.

Leider — und nach dieser Einleitung vielleicht auch offensichtlich — ist dem nicht so. Das Problem liegt einfach darin, dass „Tomb Raider“ den falschen Fokus setzt. Hier ist es der deutliche Versuch, uns die Hauptfigur, Lara Croft (Alicia Vikander), so schmackhaft wie nur möglich zu präsentieren. Wir sollen die Heldin mögen, uns mit ihr identifizieren können. Darauf wird eine Menge Zeit verschwendet, was dabei jedoch völlig verloren geht, ist ein guter, packender Erzählfluss.

In der Vorlage war dieser vorhanden, in dieser, cineastischen Form ist es leider der Fall, dass eine nicht geringe Zahl an Möglichkeiten für die größere Reichweite geopfert wurden. Das Herzthema des gleichnamigen Videospiels, wie aus Lara Croft die Person wurde, die wir vor so vielen Jahren kennen gelernt haben, wird lediglich angeschnitten; der Rest der Zeit wird mit Änderungen gefüllt, die der Vorlage nicht im Ansatz gerecht werden können.

Änderungen, von denen ich euch hier nichts verraten möchte. Doch im Sinne des richtigen Verständnisses für das gebotene Genre sei gesagt, dass es sich um einen mehr oder weniger gewöhnlichen Abenteuerfilm handelt und nicht, wie das Game vermuten lassen könnte, ein Fantasyfilm mit großem Anteil an Action. Zweiteres ist vorhanden, vom ursprünglichen Genre blieben jedoch nur Bruchstücke zurück.

Ob das gut oder schlecht ist, muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden können. Im richtigen Blickwinkel mögen die Änderungen hier vielleicht auch wenig bis gar nicht ins Gewicht fallen. Andere Abweichungen zur Vorlage stoßen nichtsdestoweniger sauer auf. Sie wirken, als hätten sich die Verantwortlichen davor gefürchtet, Risiken einzugehen, ihr Werk nicht auf Gedeih und Verderb der breitesten Masse anzubiedern. So verliert nicht nur Lara deutlich an Dimensionen im Charakter, die Geschichte selbst hinkt zur Banalität.

Was am Ende übrig bleibt ist ein Abenteuerfilm, der gerne als ganz gut, vielleicht auch auch nur als okay bezeichnet werden kann. Leider nichts außergewöhnliches, zumindest nicht in Belangen der Geschichte selbst und wie diese erzählt wird. Zu wenig bleibt das Drehbuch hier der Vorlage treu, setzt dafür lieber auf Gefühle und Monologe, wo die Entwicklung der Hauptfigur im Vordergrund hätte stehen müssen.

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Schauspielerische Leistung

Es ist schwer viel zu der Leistung der beteiligten Schauspieler zu sagen, wenn diese nicht in der Lage sind, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Zumindest kann bei der gebotenen Darstellung nur gehofft werden, dass es sich hier nicht um die maximalen Möglichkeiten der Akteure handelt.

Ihre Vorlagen aus Worten auf Papier sind auf ein, vielleicht zwei besondere Charaktereigenschaften beschränkt; daraus sollten sie dann das Beste machen.

Damit kommen manche ganz gut klar, wie zum Beispiel Hauptdarstellerin Alicia Vikander („Tulpenfieber“, „Grenzenlos“, „Euphoria“), welche sich sichtlich Mühe gibt, ihre weltberühmte Vorlage nicht zu blamieren. Und dann sind da wiederum Schauspieler wie Walton Googins („Justified“, „The Hateful 8“, „SIX“), der dank seinen Einschränkungen überfordert, oder eher unterfordert wirkt. Je nachdem wie man es betrachtet.

Nicht zu vergessen Anwesende wie Dominic West („The Wire“, „300“, „Money Monster“), der den Vater von Lara darstellt. Seine Figur ist so unsinnig wie lustlos ins Drehbuch gekritzelt. Es fehlen die Worte um zu beschreiben, wie fehlplatziert jegliche Ideen sind, die in dieser Hinsicht von der Vorlage abweichen. Nicht, weil sich nicht Wort für Wort ans Original gehalten, sondern schlichtweg die Alternative schwach, beinahe faul konstruiert wurde.

CGI-Wahnsinn

Der beste Grund in „Tomb Raider“ zu gehen ist wohl — wie so oft bei solchem Popcorn-Kino — ein rein visueller. Der 2018er Film sieht fantastisch aus, lässt bei diesem Ansatz keine Mängel erkennen. Dabei ist es egal, wo der Fokus des Betrachters im Moment liegt, der Film präsentiert sich stets von der Schokoladenseite.

Wo die meisten Actionkracher wenigstens hier und dort geschludert haben, ihnen das Geld ausging, oder ab und an ein Auge zugedrückt werden musste, hält „Tom Raider“ die Messlatte konstant oben.

Das gilt nicht nur für rasante Szenen, sondern auch für die komplette Landschaft/Kulisse, die Kostüme … Einfach allem, was das Auge erfassen und verarbeiten kann. Sollte es euch also schlicht an einem abendfüllenden Werk mangeln, welches die Gehirnzellen weitgehend in Ruhe lässt, dafür die Augen immer mal wieder weit aufreißen kann, dann ist dies wahrscheinlich der richtige Film für euch.

Abseits davon macht Roar Uthaugs („Cold Prey 2“, „Magic Silver“, „The Wave“) Werk nur wenige glücklich, ist es doch weder eine gute Umsetzung der Vorlage, noch ein für sich allein stehen könnender Abenteuerfilm mit charakteristischer Daseinsberechtigung. Unterhaltend, keine Frage, und doch weit unter dem, was hätte sein könne. Verschenktes Potenzial, an welcher Ecke man auch ansetzt.

Fazit

Der norwegische Regisseur Roar Uthaug hatte alles. Eine spannende Geschichte, interessante Charaktere, eine gute Mischung aus Drama und Action … er hatte sogar die richtige Schauspielerin für die Rolle der Lara Croft. Das einzige was er nicht hatte, war ein Drehbuch, dass all diesen Dingen und vor allem der Vorlage gerecht wurde.

So bleibt sein Werk zwar aus gewissen Blickwinkeln eindrucksvoll, jedoch auch unbedeutend. Wäre „Tomb Raider“ mutig neue Wege gegangen, wie es die Vorlage ohne Scheu bereits getan hat, würdet ihr hier wohl deutlich andere Zeilen lesen. Doch so bleibt das Werk hinter seinen Möglichkeiten zurück, biedert sich lieber der breiten Masse an.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 15.03.2018