„Valerian — Die Stadt der tausend Planeten“ - Spoilerfreie Filmkritik

  

Kennt ihr die französische Comic-Reihe „Valérian Et Laureline“ von Jean-Claude Mézières? Wenn nicht, ist das kein Beinbruch, dass tun dieser Tage die wenigsten, vor allem bei uns im deutschsprachigen Raum. Einer ihrer größten Fans ist nichtsdestoweniger die lebende Regisseur-Legende Luc Besson („Leon — Der Profi“, „Das fünfte Element“, „Lucy“) und der hat seit einer gefühlten Ewigkeit den großen Traum, diesen Werken ein cineastisches Denkmal zu setzen. Lange Rede, gar kein Sinn: das Warten hat am 20. Juli 2017 ein Ende und Besson präsentiert Star Wars auf Speed.

Valerian Header Kinostart DE

Das schräge Element

Oder LSD. Oder einem Coctail aus allen Drogen die helfen, meinem Vergleich ein Fundament zu bieten. Es gibt nämlich einen guten Grund warum sich bisher kein Produktionsstudio finden ließ, welches eine solch abgedrehte Achterbahnfahrt finanzieren würde. Zum einen gab es bis vor wenigen Jahren gar nicht die technischen Möglichkeiten. „Das fünfte Element“ (ebenfalls vollgespickt mit Ideen aus „Valérian Et Laureline“) zum Vergleich lässt euch lediglich erraten, wie surrealistisch die Welten der Vorlage eigentlich sind.

Zum anderen bestehen die Comics nicht unbedingt aus dem, was ich als kinotauglich bezeichnen würde. Zumindest nicht dieser Tage. Mit dem immensen Erfolg von „Lucy“ aus dem Jahr 2014 konnte Besson die Grübler und Pessimisten jedoch umstimmen und bekam die nötige Finanzspritze. Alles andere ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Was dabei entstand, können Fans/Kenner des Originals erahnen, lässt sich allen Außenstehenden jedoch nur schwer erklären.

Stellt euch einen Mix aus den buntesten, lautesten und abgedrehtesten Sci-Fi-Streifen vor, die ihr je gesehen habt und mixt das Ganze mit einer unbeschreiblichen Zahl von Spezialeffekten. Würzt das Endprodukt mit verrückten Charakteren und serviert dem Gast dann alles mit einigen dekorativen Anspielungen auf moderne und klassische Filme dieser Art; schließlich haben diese ja ebenfalls immer mal wieder bei „Valérian“ abgeschaut.

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Comic "Botschafter der Schatten" als Grundlage des Films

Dieses Gericht basiert lose auf dem sechsten Band der Comics, „Botschafter der Schatten“, sollte aber eher als eine allumfassende Liebeserklärung seitens Luc Besson angesehen werden. Ein Film, der auf eigenen Beinen stehen will — stolz wie eine Statue, in Ehren errichtet -, vordergründig unterhalten möchte und nur nebenbei so etwas ähnliches wie eine Story mit sich führt. Diese mag zu Beginn noch irgendwo vorhanden sein, zerbröselt mit der Zeit jedoch und zerfällt in eine episodische Erzählform.

Ähnlich ergeht es einigen Figuren, die ziemlich eindimensional ausgefallen sind und dem Projekt kaum etwas hinzuzufügen haben. Nein, es ist wahrlich nicht alles Gold, was hier glänzt. Die Gewichtung liegt nun einmal ganz woanders und wer sich an die Kinokasse stellt und ein Ticket für diesen Streifen kauft, sollte sich dessen absolut bewusst sein. Ihr kommt nicht, um intellektuell beansprucht zu werden, sondern für die pure Freude am Spaß.

Davon bekommt ihr im Austausch aber auch mehr als genug. „Valerian — Die Stadt der tausend Planeten“ sieht umwerfend aus und ist vollgepackt mit derben Sprüchen, rasanter Action, hervorragenden Trickeffekten und dem puren Hass gegenüber Laune fressenden Leerläufen. Ja, ja, ich weiß. Popcornkino halt. Aber Popcornkino in der größten sche** Verpackung, die ihr je gesehen habt und darauf ein Mosaik aus allen Sci-Fi-Streifen die ihr liebt.

Natürlich spricht da in großen Teilen mein Fanboy-Herz aus mir heraus, gleichzeitig versichere ich jedoch, dass ich auf professioneller (ha, ha) Ebene mit beiden Beinen auf dem Boden stehe. „Valerian“ ist kein großartiger Film per se, jedoch ein geniales Monument in Ehren aller Filme gleichen Genre und ganz klar, eine rührende Liebeserklärung für alle Fans von „Valérian Et Laureline“.

So ließ es sich Luc Besson auch nicht nehmen, seinen Film mit allerlei Anspielungen und direkten Hommagen an klassische Science-Fiction-Filme zu füllen. In Kombination mit den fast schon süßen Gastauftritten entstand hier etwas, dass ich jedem Fan des bereits übermäßig erwähnten Genre nur wärmstens ans Herz legen kann. Selbst wenn nicht direkt mit dem Eimer gemalt wird, besteht der Film immer noch aus genügend Witz und visuellem Bombast, dass die Langweile bis zu den Credits ein ungesehener Gast bleibt.

Besson pinselt in allen Farben, die der Menschheit zur Verfügung stehen, kotzt sich in Sachen Kreativität regelrecht aus und überschüttet seinen Film mit Ideen und Kniffen, die schon seit Jahren in seinem Innersten darauf gewartet zu haben scheinen, endlich an die Oberfläche brechen zu können. Das mag manch einem zu viel sein, ein anderer bleibt jedoch sicherlich berauscht und wie vom Glück überfahren zurück.

Die schauspielerische Leistung der Anwesenden ist durchgängig einwandfrei, in Sachen Hauptfiguren muss ich Dane DeHaan und Cara Delevingne jedoch besonders lobend erwähnen. So etagenlos ihre Figuren auch im Bereich der Persönlichkeitstiefe sein mögen, so schwer (oder sogar umso schwerer) dürfte es sein, solch verrückte und undurchschaubare Charaktere zu verkörpern. Ihnen ist es jedoch auf einer Ebene gelungen, auf welcher ich ihnen ihren Part in dieser LSD-Welt durchaus abgekauft habe.

Fazit

Was ihr unterm Strich erhaltet ist absolut kompromisslos. Luc Besson hat seinen Fokus gesetzt und diesem müsst ihr unbeirrbar folgen können. In dem Fall ist „Valerian — Die Stadt der tausend Planeten“ quasi Pflichtkino und kann/darf von keinem Sci-Fi-Fan verpasst werden. Wer in diesem Genre ganz konkret Filme á la „Westworld“ sucht und ohne ausgeklügelte Geschichte nicht befriedigt werden kann, sollte den Kreis stattdessen recht großzügig ziehen. Die filmische Umsetzung von „Valérian Et Laureline“ ist laut, schnell, bunt, vollgepackt mit tausend Effekten und nicht mehr und nicht weniger als ein reines, herziges Spektakel.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 12.07.2017