„Winchester — Das Haus der Verdammten“ Filmkritik

  

Die Regisseure Michael und Peter Spierig haben in den letzten Monaten vor allem durch ihr bis dato jüngstes Werk, „Saw 8 — Jigsaw“, im Fokus vieler Diskussionen gestanden. Mit „Winchester — Das Haus der Verdammten“ bleiben die beiden zwar im Horrorgenre, gehen jedoch einen spirituellen, durchaus auch subtileren Weg als im achten Schlachtfest rund um den Serienkiller John Kramer (Tobin Bell). Dabei liegt der Fokus auf klassischem Haunted-House-Horror.

Winchester Szene 2

Das Haus der 100 Räume

In dieser Horrormär, die wenigstens im gröbsten Rahmen auf historischen Gegebenheiten basiert, dreht sich alles um die alte Witwe des Winchester-Imperiums, dem größten Waffenhersteller der Welt. Zumindest im Jahr 1906. Die Dame dirigiert ihr Unternehmen zwar nach wie vor mit eiserner Faust, doch machen sich die Anteilsnehmer berechtigte Sorgen um die geistige Verfassung der betagten Lady.

Diese lässt nämlich vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche ihr Haus ausbauen. Ständig werden neue Zimmer dem Anwesen hinzugefügt, wieder abgerissen oder einfach mit großen Brettern versiegelt. Zusätzlich gibt es Gerüchte darüber, Lady Winchester wäre auf die Tricks und Spielereien einer Betrügerin reingefallen, die sich selbst als Medium bezeichnet.

Der hoch geschätzte Psychologe Dr. Eric Price (Jason Clarke), der noch immer den Verlust seiner Ehefrau betrauert, wird angeheuert, Sarah Winchester in ihrem Stammsitz aufzusuchen und ihre psychologische Verfassung einzuschätzen. Eine negative Aussage seinerseits würde dazu führen, dass die Leitung des Unternehmens aus den Händen der Witwe gerissen wird.

Schnell wird Dr. Price jedoch klar, dass Lady Winchester alles andere als verrückt ist. Doch wirklich mit rechten Dingen geht es in dem Haus, welches Tag und Nacht dem Lärm der Bauarbeiten ausgesetzt ist, auch nicht zu. Anfangs schiebt er die Erscheinungen auf seinen Medikamentenmissbrauch. Als fantastische Ereignisse in Kraft treten, wird diese Möglichkeit jedoch schnell zur Ausrede, um den eigenen Verstand zu schützen.

Guter Aufbau < Schlechtes Finale

Die Gebrüder Spierig („Predestination“) beweisen nach ihrem Science-Fiction-Horror-Projekt „Daybrakers“ abermals ein gutes Gespür für subtil spannenden Aufbau. Mit düsteren Klängen sowie schwer wiegenden Bildeinstellung wird ohne überdramatische Mittel ein melancholisches, jedoch auch warnendes Gesamtbild geschaffen, welches die normale Welt bereits wie einen Fluch erscheinen lässt.

Jason Clarke („Planet der Affen: Revolution“, „Zero Dark Thirty“, „Everest“) spielt seine Figur zu Beginn mit einer greifbaren Schwermut, gleichsam undefiniert frei in seiner Charakterdarstellung. Er nutzt diese Freiräume in der Figurengestaltung gekonnt aus, passt sich Thema und Szenario gelassen, jedoch nicht leidenschaftslos an. Er ist der sympathisch unsympathische Anti-Held. Nur ohne tatsächlich ein Held zu sein. Eher ein Überlebender.

Ihm gegenüber präsentiert sich Helen Mirren in der Rolle der Sarah Winchester mit dem richtigen Gespür für ihre Figur. Erhaben, sympathisch, mit genügend Rückgrat für mehrere Großunternehmer. Das Aufeinandertreffen der Persönlichkeiten stellt den gelungenen Abschluss eines formidablen Aufbaus im Horrorgenre dar. Wenn es bis hierhin auch zeitweise etwas langatmig werden konnte, so gelang es den Regisseuren trotz allem, Spannung und Interesse für die Ereignisse aufzubauen.

Hier beginnt dann bedauerlicherweise aber auch der Leidprozess, der „Winchester — Das Haus der Verdammten“ zu einem eher mittelmäßigen Film degradiert. Mit jedem Schritt, der Handlung und Ereignisse entmystifizieren soll, wird der Trashfaktor in diesem Werk größer. Statt Fragen befriedigend zu beantworten wirft das Drehbuch nur noch mehr eben dieser auf, während die Geschichte sich immer wieder selbst widerspricht, Ereignisse ins Lächerliche zieht oder einfach nur vor sich hin dümpelt.

Die wenigen Schockmomente, in Form von minimal atypischen Jumpscares, sind gar nicht mal schlecht, doch bieten sie keinen auch nur annähernd äquivalenten Ausgleich zu einem Spannungsbogen auf Kellertemperatur und ohne wirkliche Höhen. Die Geschichte schleppt sich bis zum Finale weitgehend von Szene zu Szene, während die Leistung der Darsteller kontinuierlich ins Leidenschaftslose abdriftet.

Zum Ende hin verrät sich „Winchester — Das Haus der Verdammten“ dann auch noch selber, bleibt seiner bisher eingeschlagenen Linie in keiner Weise treu. Stattdessen setzen die Macher auf Action, wo der subtile Ton der ersten zwanzig Minuten die sinnvollere Vorgehensweise dargestellt hätte. Mit viel Trara und Bumbum geht es auf eine Auflösung zu, die viele Elemente des bereits verstrichenen Films in einem neuen, jedoch weitaus weniger schmeichelnden Licht erscheinen lässt.

Winchester Szene 1

Im Schein der Kulisse

Der größte Propunkt verbirgt sich in diesem Werk in der Kulisse, dem wirklich schrägen Gesamtkonzept eines Hauses, welches es in ähnlicher Form tatsächlich noch immer gibt. Die Location biedert sich in der heutigen Zeit jedoch aus allerlei Gründen nicht mehr wirklich als Drehort an und so wurden viele Kulissen geschaffen, während neueste CGI-Technik dem Ganzen einen abgerundeten Touch vermitteln soll.

Bis auf bei zwei/drei Kamerafahrten gelingt die Umsetzung ganz gut, die Atmosphäre erscheint stimmig. Die engen Flure, die merkwürdigen Schränke, die in andere Zimmer führen, das gesamte Konzept des Anwesens ist der stärkste Faktor in Sachen Fürsprache. Drehbuchautoren und Regisseure hätten jedoch deutlich mehr Mut dazu aufbringen müssen, den Geistererscheinungen entsprechende Fürsorge in Sachen Storytelling zukommen zu lassen.

So stimmt zwar das gesamte Feeling, der visuelle Aufbau des Films, doch bleibt es mehr ein Drama über Selbsterkenntnis. Ein erhobener Zeigefinger gegen die Waffenlobby. Eine Chance, Oscar-Preisträgerin Helen Mirren („R.E.D.“, „State of Play“, „Madame Mallory und der Duft von Curry“) in Aktion zu sehen. Doch echten Horror, guten Grusel oder wenigstens einen durchgehend spannenden Ausflug in cineastische Erzählkunst sucht ihr hier vergebens.

„Winchester“ wirkt stattdessen wie die erste Staffel einer Horrorserie, die sich selbst nicht ganz so ernst nimmt und in Zukunft noch viele Geschichten erzählen möchte. In einem solchen Fall wären die vielen ungeklärten Fragen, gleichsam die Anhäufung von Fehlern im logischen Zusammenhang, verschmerzbar. In Filmlänge und mit dem Fokus auf lediglich zwei Figuren, die weitaus weniger spannend sind als das Mysterium des Films selbst, könnte man von Zeitverschwendung sprechen ...

Fazit

„Winchester — Das Haus der Verdammten“ fängt stark an, lässt dann noch stärker nach und endet in einem schwachen wie belanglosen Finale. Die Erzählkunst leidet unter vielen Leerläufen. Der Horror ist deutlich zu subtil, gepickt mit zwar akzeptablen Jumpscares, die sich mit dem Grundprinzip jedoch leicht beißen. Eine starke Helen Mirren und ein überzeugender Jason Clarke kämpfen chancenlos gegen ein lückenhaftes Drehbuch, viele Klischees und fehlender Inspiration seitens der Schöpfer an.

„Winchester — Das Haus der Verdammten“ läuft ab dem 15.03.2018 in den deutschen Kinos.

Bewertung: 2/5**

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 05.01.2018