Wonder Woman Filmkritik — Bester DC-Film My Ass

  

Was stimmt nur mit unserer Gesellschaft nicht? Wenn eine Comicverfilmung den nächsten Sixpackträger präsentiert und uns das lasche Handtuch von einem Drehbuch um die Ohren klatscht, sind wir in der Lage mit Abscheu das Gesicht abzuwenden und den Daumen nach unten zu zeigen. Der gleiche lahme Film aus Omas unterer Schublade wird aber urplötzlich zum Kassenhit, weil — und ich zitiere an dieser Stelle - „endlich mal eine starke Frau präsentiert wird, die ihren Weg geht, ohne sich von der Männerwelt unterdrücken zu lassen“. Solche Aussagen sind wie Sex mit der eigenen Schwester im Fahrstuhl; auf so vielen Ebenen falsch.

wonder woman header US

Rollenprobleme

Wenn er/du/sie/es eine starke Vorbildfunktion für die Tochter such(s)t, dem Sohn zeigen will, dass er auch und gerade von einer Frau einen Tritt in den Allerwertesten befürchten darf oder Unbekannt XY selbst nach solch einer Powerfrau Ausschau hält, dann nehmt doch bitte eine Figur, die wenigstens gut geschrieben wurde, in einem Film, der aus mehr als heißer Luft und CGI aus der Wundertüte besteht. Da draußen gibt es so viele Rolemodels, für so viele unterschiedliche, kleine Taschenlampen, die wir doch alle sind.

Aber nein. Gefeiert wird eine junge Kriegerin, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, in jeder verdepperten Szene blindlings in die Gefahr rennt und nur dank eines Umstandes nicht vor die Hunde geht, der ihr selbst noch nicht einmal bekannt ist. Diana, verkörpert von Gal Gadot („Batman V Superman“, „Fast & Furious Five“), ist wie ein kleines Kind, mit der Ausbildung eines Ninja und gottgleichem Inventar, zeitgleich jedoch der Vorbildfunktion eines Maschinengewehrs auf der heißen Herdplatte.

Die Mischung aus ihrer zuckersüßen Art und der Fähigkeit, Superman und Co. den Boden küssen zu lassen, ist natürlich eine verlockende Mixtur, täuscht über die ganzen 2 Stunden und zwanzig Minuten jedoch nicht darüber hinweg, dass diese Frau mehr Glück als Verstand hat und die Drehbuchautoren den Finger nicht aus dem Po bekommen haben. Faul und uninspiriert ließen sie so viel Potenzial einfach vor die Hunde gehen. Und wir feiern dieses Elend trotzdem noch.

Brecht nicht sofort in Hassrufe aus, „Wonder Woman“ von Patty Jenkins („Betrayal“, „Five“, „The Killing“) ist kein unterirdischer Murks. Habe ich nicht gesagt und werde ich auch nicht. Dafür gibt es keinen Grund. Dem Hype der heutigen Tage wird er jedoch vorne und hinten nicht gerecht. Sollte es tatsächlich so sein, dass lediglich die Tatsache, dass eine starke Powerfrau Hauptfigur in einem Heldenfilm ist, für diese grandiosen Bewertungen gesorgt hat, dann ist in der Kinowelt bereits Viertel nach gestern.

Wonder-Woman

Langgezogen und verpeilt

Die Liste an Problemen, die „Wonder Woman“ zu kaum einen besseren Film machen als „Iron Man 3“ oder „Batman V Superman“ ist lang und ermüdend. Ganz genauso wie dieser cineastische Ausflug ins Land der kurzen Röcke und langen Leitungen. Jenkins Werk durchbricht mehrere, länger werdende Phasen der puren Langeweile, immer mal wieder mit einer gesalzenen Portion Action und denkt, dass dürfte dann wohl alles ausgleichen.

Pustekuchen. Dieser Film zieht sich an einigen Stellen endlos in die Länge, besteht quasi aus nichts relevantem und was gesagt und getan wird ist stellenweise einfach nur dumm. Von den Entscheidungen der Charaktere, bis hin zur Hintergrundgeschichte, hat dieses Werk eine Menge Fehltritte zu verantworten. Das zieht sich über fast alle Elemente und lässt nur kleine Details am Wegrand liegen. Alles andere wird ohne Scham über den Haufen gebrettert.

In der ersten Hälfte wirkt Jenkins Arbeit wie eine altersgehobene Version der Disney-Meisterwerke — ich rechnete fast jeden Moment damit, dass Gadot anfängt zu singen. Von anfänglich eingeschlagenen Richtungen, die an Mulan aus dem gleichnamigen Filmhit erinnern, entwickelt sich dieser Superheldenfilm langsam in eine romantische Abenteuerkomödie und driftet dann in ein Kriegsdrama ab. Nichts davon macht es jedoch besonders gut.

Im letzten Fall darf auch gerne das Wort lächerlich verwendet werden. Im Zusammenhang mit dem mehr als heuchlerischen und infantilen Ende ein totaler Schuss ins Knie. Es fehlt an jeder Ecke an Glaubhaftigkeit, an eigenen Ideen, am gewissen Funken, der eine Geschichte erst so packend macht und uns danach sehnend zu erfahren, was als nächstes passiert. „Wonder Woman“ ist einfach nur … lang.

Hinzu kommt, dass Gal Gadot und Co-Star Chris Pine („Star Trek“, „Hell Or High Water“, „Kill The Boss 2“) nicht gut miteinander harmonieren. Auch zwischen ihnen fehlt dieser Funke. Der richtige Blick in besonderen Momenten, die feine Mimik die erforderlich ist, das Wechselspiel aus Gestik und Tonlage. Beide schauspielern höchst niveauvoll, keine Frage, doch die Dynamik, die sie untereinander haben sollten, ist absolutes Wunschdenken.

Einheitsbrei

Dieser Teil des DC Extended Universe ist eine Geschichte aus dem Topf mit dem fettigen Einheitsbrei. Ein schwaches 08/15-Drehbuch, wenig überzeugende Figuren und die charakterliche wie handlungstechnische Tiefe einer Pfütze in der Mittagssonne. Natürlich kann man mit diesem Werk seinen Spaß haben, nichtsdestoweniger hört dort der Nutzen dieses Films aber auch schon wieder auf. Kann man mal gesehen haben aber dann geht das Leben auch unverändert weiter.

Außer natürlich, ihr habt das gleiche Problem wie ich und einige Szenen sind dank der miserablen Tricktechnik so in eurem Hinterkopf verankert, dass ihr sie vielleicht nie wieder vergessen könnt. So schön das CGI hier auch angewendet wurde, so erschreckend billig sieht das Ganze aus, wenn es um Animationen geht, in welchen eine Figur fällt, springt oder fliegt. Ich fühlte mich an gewisse asiatische Actionfilme erinnert, in welchen die Kontrahenten über die Dächer gleiten, während sie sich in der Luft duellieren und auf einem dünnen Ast landen … Wo sind die Fäden? Ich kann sie doch fast erkennen, oder?

Fazit

Gal Gadot mag eine äußerst faszinierende Frau sein, aber dann nimmt doch bitte sie zum Vorbild für eurer Kinder oder euch selbst und nicht diese fiktive Peitschenschwingerin mit dem Horizont eines Teelöffels. Patty Jenkins Film ist absolut durchschnittlicher Einheitsbrei und ist anderen Filmen dieses Subgenre in keiner Disziplin überlegen. Sein einziges Lockmittel besteht aus einer Frauenpower-Figur, die nur aus diesem einen Zweck überhaupt auf diese Weise existiert und dafür gänzlich ungeeignet scheint. Abseits davon werdet ihr zwar nicht unterirdisch bedient, aber sicherlich auch nicht weit über dem Meeresspiegel.

"Wonder Woman" startet am 15.06. in unseren Kinos

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 09.06.2017