„The Witcher“ Staffel 1 Serienkritik — Wie ein ziemlich langer Kinofilm

  

Ob dank der Bücher des polnischen Autors Andrezej Sapkowski, die als Geralt-Saga oder auch Hexer-Saga weltberühmt geworden sind, oder durch die auf der Buchreihe basierenden Computerspiele von CD Projekt RED, so oder so hat fast jeder Freund guter Fantasy schon einmal von „The Witcher“ gehört. Seit dem 20. Dezember 2019 gesellt sich zu dem Universum eine Serie des VoD-Senders Netflix hinzu.

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Falls ihr mit der Vorlage oder den Videospielen noch nicht in Berührung gekommen seid, lasst uns die Handlung kurz grob umreißen. In einer fantastischen Welt voller Ritter, Magie, Monster, Elfen und Zwerge lebt der Hexer Geralt von Riva. Der wortkarge Krieger ist ein professioneller Monsterjäger, der von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt zieht, um seine Dienste gegen bare Münze anzubieten.

Durch eine Verkettung von Ereignissen wird sein Leben mit dem der jungen Prinzessin Cirilla von Cintra verbunden, die ihr Königreich verlassen muss, nachdem dieses durch eine feindliche Macht erobert wurde. Auf der Flucht vor den Soldaten dieses unnachgiebigen Feindes sucht sie verzweifelt nach Geralt, da ihr gesagt wurde, dass nur der Hexer sie beschützen könne ...

Das Auge fürs Detail

Die erste Staffel von „The Witcher“ umfasst acht Folgen, allesamt mit einer Laufzeit von circa einer Stunde. Und obwohl eine Stunde ziemlich lang erscheinen mag, gehen die Episoden erschreckend schnell vorbei, was wohl vor allen Dingen daran liegen dürfte, dass in dieser Zeit eine verhältnismäßig große Menge an Informationen und Ereignissen dargestellt wird. Als Resultat erscheint die Geschichte also eher gehetzt als langgezogen, jedoch nicht so sehr, dass es wirklich negativ zu Gewicht fällt.

Jedoch nicht nur in Sachen Handlung ist jede Episode bis unters Dach vollgestopft, die Produktion von Lauren Schmidt Hissrich strotzt gleichsam vor Detailverliebtheit in jedem Bereich. Von den Kostümen und der Kulisse, über die Ausarbeitung und Darstellung der Figuren, bis hin zu unwichtig erscheinenden Gegenständen, Bewegungen und Andeutungen. Auf der Strecke bleibt lediglich die Darstellung von mystischen Kreaturen und Magie, welche für Witcher-Verhältnisse etwas zu wenig Screentime abbekommen haben und nur selten durchgängig überzeugen können.

Alle anderen visuellen Aspekte sind über jegliche negative Kritik erhaben. Das Design der Figuren ist fantastisch und die Kämpfe, welche von den gut durchdachten Kampf-Choreografien profitieren, sehen zudem exzellent aus. Henry Cavill („Man Of Steel“, „Codename U.N.C.L.E.“), welcher die Rolle des Protagonisten übernommen hat, verkörpert diesen in einer sehr interessanten Mischung aus Geralt aus den Büchern und der Version aus den Videospielen. Als Geralt von Riva glänzt Cavill sowohl visuell als auch in seinem Schauspiel.

Chronologischer Zickzack

Trotzdem könnte es Neulingen in der Welt der Hexer ein bisschen schwer fallen mit Cavills Figur warm zu werden, schließlich ist Geralt, wie vorhin bereits angedeutet, kein Mann großer Worte. Seine ruhige, raue und oftmals abweisende Art, in Kombination mit der tiefen Stimme und minimaler Mimik, erfordern es, dass man als Zuschauer ganz genau hinhört und hinsieht, um die Feinheiten in seinem Schauspiel zu erkennen. Wer das nicht vermag, nimmt ihn stattdessen vielleicht als Backstein wahr.

Hinzu kommt, dass „The Witcher“ es dem Zuschauer nicht leicht macht, der Geschichte reibungslos folgen zu können. Die düstere Serie, in welcher gleichermaßen Blut und nackte Haut zu sehen sind, wird nicht chronologisch erzählt. Beständig springt die Erzählung zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her und gibt keinen offensichtlichen Hinweis darauf, wann die aktuellen Ereignisse eigentlich stattfinden.

Um den Überblick über die Zeitlinien zu bewahren müsst ihr auf viele kleine Details achten, die manchmal sehr subtil sind und je nach Situation einen genauen Blick oder ein Denken um die Ecke erfordern. Dadurch ist es durchaus möglich, dass es zu Verwirrung kommt, im schlimmsten Fall sogar Frustration. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass die Sprünge unregelmäßig sind, ihr also selten von Anfang an wissen könnt, wann ihr euch gerade befindet und stets erst nach besagten Hinweisen suchen müsst.

Solltet ihr damit jedoch keine Probleme und Interesse an guter Fantasy haben, macht ihr mit „The Witcher“ in erster Linie nichts falsch. Solltet ihr die Bücher kennen und lieben, stellt euch jedoch darauf ein, hin und wieder in den sauren Apfel beißen zu müssen, da sich die Serie einige Freiheiten herausnimmt. In Sachen Storytelling habt ihr nur äußerst wenig zu befürchten, bei der Wahl von einigen Darstellern kann es aber zu Unmut kommen.

Fazit

„The Witcher“ ist eine erstklassige Serie, die spannend erzählt und präsentiert wird. Die Schauspieler sind mit wenigen Ausnahmen alle überdurchschnittlich gut in dem was sie tun und Henry Cavill, in der führenden Rolle des Geralt von Riva, spielt absolut hervorragend. Die Figuren sind mindestens so interessant wie die Handlung selbst. Jedoch gibt es auch ein paar Abstriche in der B-Note. Die nur schwer als solche zu erkennenden Zeitsprünge können für Verwirrung sorgen, die Tricktechnik lässt immer mal wieder zu wünschen übrig und manchmal wirkt die Erzählung etwas gehetzt.

Bewertung: 4/5****

Redaktion: Heiner "Gumpi" Gumprecht, 27.12.2019