„Bullet Train“ Filmkritik: Deadpool + John Wick = Irrsinniges Chaos

  

von Heiner Gumprecht | 02.08.2022

Regisseur David Leitch hat uns in den letzten Jahren ein paar ordentliche Actionkracher spendiert, die es allesamt gut verstanden haben, uns visuell zu schmeicheln, den Denkapparat wenigstens minimal arbeiten zu lassen und mit Humor sowie Einfallsreichtum neue Richtungen einzuschlagen. Nach seinen Erfolgen mit Titeln wie „John Wick“, „Atomic Blonde“ und „Deadpool 2“ wagt er sich nun an die Buchverfilmung „Bullet Train“, in welcher Aspekte all dieser Filme Verwendung finden. Das Ergebnis ist höchst unterhaltsames Chaos mit sichtbar motivierter Schauspielriege.

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Bild: Filmszene aus „Bullet Train“ (2022) ©Sony Pictures

Bullet Train: Eine Kritik

Der schräge Humor und die regelmäßigen Überraschungen eines Deadpool stoßen in dieser Adaption von Kotaro Isakas Bestsellerroman auf die schick choreografierten und durchweg visuell bemerkenswerten Kampfeinlagen eines John Wick. Inklusive der charismatischen und manchmal auch verrückten Figuren, die wir in beiden genannten Titeln präsentiert bekommen haben. Garniert wurde das Ganze mit einem flotten Erzählstil, manch einer kuriosen Wendung sowie allerlei gelungenen Spielereien mit der Kamera.

Wir treffen in dem Werk den Auftragskiller Ladybug (Brad Pitt), der seinen Job aktuell auf einfache Lieferaufgaben beschränkt, da er versucht, seine aggressive Seite in den Griff zu bekommen und ein besserer Mensch zu werden. Der Profi hat aber leider eine mächtige Portion Pech abbekommen, die sich erst im Verlauf der Handlung als Teil des Schicksals zu erkennen gibt. Zuvor wirkt sie einfach nur wie eine Aneinanderreihung von schlechten Omen, vor allen Dingen mit Blick auf die Passagierliste des Shinkansen-Zugs, in welchem Ladybug einen Koffer sicherstellen soll.

Denn hier tummeln sich noch andere Killer*innen, die allesamt ebenfalls mit Aufträgen losgeschickt wurden, die sich mehr oder weniger um den besagten Koffer drehen. Da wären die Zwillinge Tangerine (Aaron Taylor-Johnson) und Lemon (Brian Tyree Henry), die den McGuffin zu einem Verbrecherboss liefern sollen, irgendwo in der Menge ist die auf Gift spezialisierte Killerin Hornet (Zazie Beetz) unterwegs, das unscheinbare Mädchen Prince (Joey King), die eigene Pläne verfolgt, sowie der verzweifelte Vater Kimura (Andrew Koji), der seinen Sohn retten will.

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Bild: Filmszene aus „Bullet Train“ (2022) ©Sony Pictures

Irgendwer hat dafür gesorgt, dass diese Psychopathen sich gegenseitig in die Quere kommen, was zu einigen wirklich einfallsreichen Kämpfen führt, die meist sehr schnell sehr blutig werden aber auch mit viel Einfallsreichtum überraschen. Und zudem mit deutlich weniger Schnitten auskommen, als manch anderer Film in diesem Genre. Das weitgehende Fehlen einer aggressiven Aneinanderreihung von Cuts sowie einer dramatisch wackelnden Kameraarbeit ist sehr angenehm und wird durch einige gute Eigenideen abgerundet.

Zwischen diesen brutalen aber durchgehend auch humorvollen Kämpfen arbeitet Leitch mit einer Prise Drama, ganz viel Humor und einem überaus rasanten Erzählstil, der Details clever in die Handlung einwebt, anstatt sie uns mit nervigen Unterbrechungen um die Ohren zu klatschen. Und schweift das Werk doch einmal ab, ist es zumindest relevant für die Geschichte und mit einer entsprechende Pointe versehen. Was im Grunde auch für den kompletten Film gilt, der in sich schlüssig ist und zum Ende alle offene Fragen auflöst.

Bullet Train Kinofilm  2022 (c) Sony Pictures Filmszene  008Bild: Filmszene aus „Bullet Train“ (2022) ©Sony Pictures

Bullet Train: Kaum Abzüge in der B-Note

In seinen besten Momenten ist „Bullet Train“ eine kunterbunte und wahnwitzig unterhaltsame Mischung aus Guy Ritchies „Gentlemen“ und den Werken von Leitch, die wir bereits weiter oben erwähnt haben. Und in seinen Schlechtesten ist es immer noch ein gut gemachter Film, der mit offensichtlich motivierten Hollywoodstars überzeugt, die interessante Figuren zum Besten geben. Also selbst dann, wenn diese Actionkomödie nicht alles richtig macht, funktioniert sie nichtsdestoweniger so weit, dass man am Ball bleiben möchte und dies auch problemlos kann.

Mit fortschreitender Verschrottung des Shinkansen nimmt das Tempo der Handlung zwar ein wenig ab, doch hält diese Durststrecke lediglich wenige Szenen an, bevor sich das Werk wieder fängt und zur Höchstgeschwindigkeit zurückkehrt. Das Finale ist der vorangegangenen Qualität würdig und wenn man hier überhaupt etwas aussetzen kann, dann, dass der große Antagonist, der sich erst zum Schluss die Ehre gibt, irgendwie gar nicht so beeindruckend und ehrfurchtgebietend ausgearbeitet wie zuvor angekündigt wurde.

Natürlich darf man ebenfalls nicht vergessen, dass es sich hierbei um ordentliches Popcornkino handelt, die Details mancher Szenen sollten also nicht allzu lange analysiert werden und manche Logikfehler muss man einfach akzeptieren können. Dafür halten sich solche Ungereimtheiten aber durchaus in Grenzen und „Bullet Train“ macht deutlich öfter mit guten Einfällen auf sich aufmerksam. So vergehen die knapp zwei Stunden auch wie im Flug und wirken eher wie knappe eineinhalb.

Fazit

Dieser Actionkracher von David Leitch hält sich nur bedingt an die Vorlage von Isaka, was wahrscheinlich nicht jedem schmecken wird, vor allen Dingen mit Blick auf die weitgehend westliche Besetzung. Wer damit aber kein Problem hat, wird mit einem sehr unterhaltsamen sowie cleveren Film belohnt, der mit guten Wendungen, erstklassigen Kampfszenen und überzeugenden Schauspieler*innen aufwartet. Vollkommen überzogen, von Anfang bis zum Ende von Irrsinn durchwachsen und unglaublich unterhaltsam.

Bewertung: 5/5*****

"Bullet Train" ist ab dem 04.08.2022 in den Kinos zu sehen.

Bullet Train Kinoplakat DEBild: Poster zu „Bullet Train“ (2022) ©Sony Pictures