Cars 3: Evolution Filmkritik — Zeit für die Rente

  

Für jeden kommt einmal die Zeit, wo er oder sie inne halten und sich ernsthaft überlegen sollte, ob es nicht Zeit für den Rücktritt ist. Das Zepter der nächsten Generation überlassen und beratend eine schützende Hand über sie halten. Ausnahmen sind dieser Redakteur, der noch bis 85 Kritiken schreiben wird und Pixar/Disney, die das Cars-Franchise einfach nicht ruhen lassen können. Hier kommt also „Cars 3: Evolution“ - ein lang erwarteter Abschluss oder aber der Startschuss für etwas, um das nie jemand gebeten hat.

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Wie ein Autounfall …

Lightning McQueen (in der deutschen Version gesprochen von Manou Lubowski) ist zurück und noch immer der schnellste Rennwagen seiner Zeit. Jedoch nicht für lange, denn wie in jedem Wettkampf, beginnt die nächste, furchtlose und arrogante Generation, das oberste Treppchen für sich zu erobern. Der alte Rennhase im Zirkus wäre aber wohl kaum wer er ist, wenn er sich so schnell ausmustern lassen würde. Also müssen neue Methoden herhalten, die ihn schneller, windschnittiger und wieder konkurrenzfähig machen.

Helfen soll dabei die neueste Technik, eine persönliche Trainerin und die Hilfe vom Mentor seines Mentors. Aber ist das auch genug, um wieder ganz vorne mitzumischen? Eine Frage, die in „Cars 3“ nicht wirklich aufkommt, ist das Ziel des Weges doch immerzu präsent und durchschaubar, wenn auch nicht so plump und verkorkst wie die Prämisse im zweiten Teil. Letztendlich ist die Geschichte aber auch auf ein sehr viel jüngeres Publikum ausgerichtet und unter diesem Aspekt kann man den eingeschlagenen Pfad durchaus als mutig und vielleicht sogar kompromisslos bezeichnen.

Aber genug davon, ich will dem geneigten Kinozuschauer ja nicht den Spaß verderben. Konzentrieren wir uns also lieber auf die Qualität und nicht auf den Inhalt selbst. Und was soll ich sagen? Die erste Hälfte von diesem unerwünschten Pixar-Abenteuer hat mich fast einschlafen lassen. Müde Gags, Einfälle aus der langweiligen Trickkiste, die im zweiten Teil schon ausgekratzt wurde und, um die Sache noch schlimmer zu machen, quasi Mitleidskino vom Feinsten. Was nicht wirklich fruchtet, bieten die Figuren doch kaum Identifikationsspielraum.

Wirklich lustig, besonders einfallsreich oder geschickt erzählt ist hier nichts - mehr ein Revival dessen, von dem wir nach Teil 1 schon genug hatten. Glücklicherweise ändert sich das im Verlauf der Erzählung und ab dem Moment, wo das Ziel der Reise klarer wird, nimmt auch die Geschichte und der Humor Fahrt auf. Zum Schluss kann ich mich fast schon dazu hinreißen lassen, dass das Werk von Regisseur Brian Fee („Cars 2“) durchaus seine Existenzberechtigung hat und eher noch als Fortsetzung mit echtem Inhalt verstanden werden darf als der direkte Vorgänger.

Wer auch immer Fee hier auf die Finger gehauen und den Drehbuchautoren die Nasen lang gezogen hat, verdient unseren Dank, denn statt der gleichen langweiligen Herangehensweise versucht „Cars 3: Evolution“ zumindest, eine deutliche Aussage zu treffen und intelligente und nachvollziehbare Entscheidungen über den laschen Versuch der billigen Unterhaltung zu stellen. Na, ja, zumindest eben in der zweiten Hälfte.

Brillant in HD

Ich habe keine Ahnung, warum Pixar ein solcher Fan davon ist, seine Figuren schlicht und detailarm darzustellen und die gesamte Umgebung in solch einer unglaublichen Qualität, dass selbst geschulte Kritiker immer wieder verwundert ihre Augen reiben müssen. Die Frontansicht der lebenden Automobile ist so minimalistisch und cartoonlastig wie eh und je, alles andere sieht einfach fantastisch aus und wurde mit entsprechend hochwertigen Animationen untermalt.

Texturen der Landschaften, der Fahrzeuge und einfach alles andere zeigen, warum diese Firma die Nummer 1 in Sachen Animationsfilme ist und wohl noch für einige Zeit bleiben wird. In diesem Sinne gehen Grafik und Sounduntermalung Hand in Hand und ergänzen sich formidabel. Das macht die Geschichte zwar nicht besser und das Zielpublikum nicht älter, ist aber auf jeden Fall lobenswert zu erwähnen. Pixar gelingt es einfach immer wieder, Fortsetzungen so aussehen zu lassen, als wären sie in gleicher Qualität und mit den selben Mitteln entstanden wie die Vorgänger, obwohl die Wahrheit ganz anders ausschaut.

Sollte euch „Cars 3“ schon nicht vom Inhalt her gefallen, eure Kinder, der kindgebliebende Ehemann oder auch die Animationsfilm liebende Frau euch jedoch zum Kinobesuch zwingen, habt ihr zumindest einen Strohhalm zum Festhalten: der Film sieht bombastisch aus. Aber nicht aufdringlich und um Aufmerksamkeit um jeden Preis versessen, sondern unterstützend und diskret, wenn man es so ausdrücken will.

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Wohin gehst/fährst du?

Was die Richtung angeht, welche Pixar mit dem Verlauf und dem Ende dieses Films anstrebt, teilen sich die Meinungen. Per se wäre nach dem Abspann ein guter, solider und den zweiten Teil etwas erträglicher machender Abschluss denkbar, der eine Trilogie hinterlässt, die noch die Kinder eurer Kinder unterhalten kann. Aber genau dabei sollte es auch bleiben, denn wenn „Cars 3: Evolution“ eines gezeigt hat, dann, dass die Luft aus dieser Idee schon lange entwichen ist.

Dieser dritte Teil holt zugegeben noch einmal tief Luft und schafft es daher qualitativ locker über bloßes Mittelmaß hinaus, wirkt jedoch auch wie ein sterbendes Franchise. Was jetzt noch kommen könnte, gehört auf den Disney-Channel, irgendwann zum Mittagsprogramm und ohne großen Aufwand. Etwas schlichtes für Fans - genug für einen vierten Teil ist meines Erachtens nach nicht drin und sollten Disney und Pixar trotzdem in diese Richtung fahren, prophezeie ich jetzt schon das totale Chaos.

Fazit

„Cars 3: Evolution“ ist um Längen besser als sein direkter Vorgänger, kann die Reihe aber auch nicht mehr retten. Ein Umstand, den der Film selbst immer wieder unterstreicht und entsprechend auf ein befriedigendes Ende hinarbeitet. In der ersten Hälfte bekommt ihr nicht mehr als das Beste aus den beiden Vorgängern, in der Zweiten nimmt der Animationsfilm nichtsdestoweniger noch einmal Fahrt auf (ha, ha) und bringt den Gedanken konsequent zum Ende.

Visuell äußerst eindrucksvoll, vom Inhalt her lauwarmes Mittelfeld und im Gesamtpaket akzeptable Abendunterhaltung für Groß und Klein. Sind wir an dieser Stelle ehrlich, natürlich eher für die jüngeren Zuschauer, was jedoch niemanden überraschen sollte, war die Reihe nie für pingelige, besserwissende und auf Logiklöcher achtende Erwachsene gedacht. Erwartet also nicht zu viel, schreibt den Film auf Grund seines Vorgängers aber auch nicht sofort ab — dass hätte „Cars 3“ nicht verdient.

Cars 3 läuft ab dem 28. September 2017 in den deutschen Kinos.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 29.06.2017