„Countdown“ Filmkritik — 3, 2, 1 … Tod

  

Regisseur Justin Dec hat in den letzten Jahren vor allen Dingen Kurzfilme gedreht, deren Drehbücher er meist auch selbst geschrieben hat. Wirklich erwähnenswerte Produktionen waren bisher nicht dabei, doch dies soll sich jetzt mit dem Horrorfilm „Countdown“ ändern. In der US-amerikanischen Produktion macht eine neue Handy-App von sich reden, die angeblich den Todeszeitpunkt des Benutzers vorhersagen kann.

Countdown Szenenbild 01

Totaler Schwachsinn, denkt sich die junge Krankenschwester Quinn (Elizabeth Lail), die sich trotzdem überzeugen lässt, das zwielichtige Programm einmal selbst auszuprobieren. Während all ihre Kollegen noch Jahrzehnte vor sich zu haben scheinen, werden ihr nur noch wenige Tage zugesprochen. Und durch einen Patienten, der die Macht der App selbst erlebt habt, kommt sie allmählich zu dem Schluss, dass an der Sache doch mehr dran zu sein scheint, als sie für möglich gehalten hat.

Schlussendlich überzeugt davon, dass die App tatsächlich die Wahrheit spricht, sucht sie verzweifelt nach einem Weg, dem drohenden Tod zu entkommen. Dabei bekommt sie nicht nur Hilfe von einem jungen Mann, der ebenfalls nur noch kurze Zeit zu leben hat, sondern auch von einem Priester, der sich bestens mit Dämonen und Flüchen auskennt. Denn diese App ist definitiv nicht von dieser Welt.

Die richtige Einstellung?

Die grundsätzliche Idee von Decs Horrorfilm ist zwar nicht wirklich neu, hat das Herz aber dennoch am rechten Fleck. Der Film ist durchzogen von dem sichtbaren Versuch, etwas Eigenes zu schaffen, ohne sich zu sehr von den altbekannten Mustern erfolgreicher Filme dieses Genre zu entfernen. Der ruhige Erzählstil mit seinen gelegentlichen Spitzen und der Einsatz von einigermaßen funktionierenden Jumpscares machen „Countdown“ zumindest zu einem besseren Streifen, als einige der etlichen anderen Produktionen, die gefühlt jede Woche auf dem Markt erscheinen.

Dadurch ist das Werk mit Elizabeth Lail in der Hauptrolle jedoch nicht per se ein guter Film. Die grundsätzliche Herangehensweise mag löblich sein, unterm Strich kann „Countdown“ jedoch nicht mit seinen eigenen Erwartungen an sich selbst mithalten. Dafür traut sich Dec zu wenig, die Horroreinlagen bleiben zu zahm und die Geschichte ist letztendlich nicht annähernd spannend genug, um das Interesse des Zuschauers durchgehend zu halten.

Hinzu kommt, dass einige Ideen, einige Details im Film, aus dem reinen Versuch entstanden zu sein scheinen, einen gewissen Ausgang in Schlüsselszenen zu erzwingen, Justin Dec aber anscheinend nicht wusste, wie er dies umsetzen soll, ohne ins Lächerliche abzudriften. Dadurch sind einige Momente ungewollt komisch, was es zusätzlich schwer macht, sich auf die Geschichte einzulassen und einen Zustand zu erreichen, in welchem man sich nur zu gerne erschrecken lassen möchte.

Wo eine düstere, bedrückende Stimmung vorherrschen sollte, verströmt „Countdown“ eher eine makabere Heiterkeit, lediglich hin und wieder unterbrochen von einigen gewollt gruseligen Momenten, die mal mehr und mal weniger gut funktionieren. Die recht kurze Laufzeit von knappen eineinhalb Stunden lässt kaum Raum, damit die Story rund um die mystische App ihren Schrecken entfalten kann, gleichzeitig ist das Werk trotzdem zu lang, da sich immer wieder Leerläufe bilden, die weder dem Aufbau der Handlung dienlich sind, noch der Aufmerksamkeit des Zuschauers.

Das Finale ist ein typisches Kind von all diesen Widersprüchen, die sich in dem Horrorfilm die Waage halten. Zwar wurde sich für einen interessanten Ansatz entschieden, den Film zu einem Ende zu führen, die Umsetzung legt sich jedoch selbst immer wieder Steine in den Weg, da es Dec am richtigen Feingefühl zu mangeln scheint, etwas wirklich Erschreckendes zu erschaffen. So sind die letzten, spannenden Minuten des Films zwar durchaus gut umgesetzt worden, doch wirklich gruselig sind sie dabei nicht.

Countdown Szenenbild 08

Wenn man unbedingt sterben möchte

Die Horroreinlagen in „Countdown“ bestehen, wie bereits angedeutet, hauptsächlich aus einigen Jumpscares, die ich eher als handzahm bezeichnen würde. Interessanter sind jedoch die wenigen anderen Szenen, die sich auf einen ruhigen Aufbau verlassen und das Hirn des geneigten Zuschauers rattern lassen, anstatt ihm alles vorzukauen. Hier zeigt Dec, dass er durchaus eine Begabung für dieses Genre hat, sie jedoch zu selten nutzt. Gerade einmal in zwei Momenten kann erahnt werden, was dieser Film hätte sein können.

Zusätzlich werden fast alle gruseligen Momente von den Figuren ruiniert, da sich jeder in diesem Film so unglaublich sinnbefreit anstellt, dass man fast meinen könnte, jeder einzelne wolle sein Leben unbedingt verlieren. Um die jeweils nächste Einstellung zu rechtfertigen ist dem Drehbuch keine Reaktion und keine Entscheidung der Charaktere zu doof. Zwar mag es schwer sein sich vorzustellen, wie man selbst in solchen Situationen reagieren würde, doch kann mit fast absoluter Sicherheit gesagt werden, dass es nicht so wie in „Countdown“ ablaufen dürfte.

Die magere Leistung der anwesenden Darsteller hebt die Probleme mit dem Plot noch weiter hervor. Ich kann und will nicht behaupten, dass einer der Akteure in dem Werk von Justin Dec wirklich schlecht schauspielert, gelobt werden kann die erbrachte Arbeit aber ebenfalls nicht. Wie die Handlung selbst dümpelt auch das Schauspiel von Elizabeth Lail, Jordan Calloway und Talitha Eliana Bateman die meiste Zeit vor sich hin.

Wenn es eine Ausnahme unter den Schauspielern gibt, dann ist es vielleicht P.J. Byrne, der als enthusiastischer Pater John wenigstens noch einigermaßen glaubwürdig erscheint und die Stimmung ein wenig aufzulockern vermag. Einen großen Unterschied bewirkt seine Performance in Sachen Unterhaltungswert letztendlich zwar nicht, doch wenigstens bewahrt er die Zuschauer davor, sich gänzlich aus den falschen Gründen zu amüsieren.

Fazit

Abgesehen von wenigen guten Einfällen und ein/zwei Momenten, die tatsächlich zum Gruseln einladen können, hat „Countdown“ leider kaum Attraktives zu bieten. Die Handlung hat durchaus Potenzial, welches jedoch selten bis gar nicht genutzt wird. Die Charaktere machen es fast unmöglich, sich mit ihnen zu identifizieren und das Finale des Films ist äußerst unbefriedigend und klischeebeladen. Trotz alldem ist Justin Decs Werk nicht wirklich ein schlechter Film im klassischen Sinn, jedoch ein lediglich halbgarer sowie zu scheuer Vertreter des Genre Horror, der über 90 Minuten eigentlich nie wirklich positiv auffällt.

Bewertung: 2/5**

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 29.01.2020