„Deadpool 2“ Filmkritik — Wenn der Deadpool zweimal klingelt

  

Derber Humor, frei von gesellschaftlichen Grenzen, gemixt mit einer gehörigen Portion blutbespritzter Action. Das und noch so viel mehr ist „Deadpool“ gewesen. Darüber hinaus jedoch vor allem der Grundstein für viele Serien und Filme, die genau in diese Fußstapfen treten wollen. Entsprechend groß sind die Hoffnungen in Teil 2, von dem bereits nach seiner Ankündigung erwartet wie erhofft wurde, dass er den äußerst erfolgreichen Vorgänger übertreffen kann.

Das Problem mit solchen Gedankengängen im Vorfeld ist jedoch, dass sie das Kinoerlebnis nachhaltig ruinieren können. Besonders dann, wenn das ersehnte Werk nicht mit den Träumen des hoffnungsvollen Fans mithalten kann. Bei „Deadpool 2“ ist der Fall ganz ähnlich gestrickt, macht der Film von Regisseur David Leitch („Jupiter Ascending“, „Atomic Blonde“, „John Wick 2“) eigentlich nichts verkehrt. Doch darüber hinaus schafft er es schlichtweg nicht, neue Ansätze zu finden, sondern ruht sich lediglich auf dem frisch gemachten Bett aus.

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Deadpool, der Gute

Doch erst einmal alles zurück auf Start. „Deadpool 2“ setzt direkt nach dem ersten Teil an, präsentiert uns einen irren, mörderisch noch immer äußerst aktiven, jedoch glücklichen Wade Wilson. Die Liebe seines Lebens passt sich dem verschrobenen Gesicht wie Humor des Protagonisten an, während dieser einen bösen Buben nach dem anderen ausschaltet. Es ist wie ein blutiges Märchen, das wahr geworden ist.

Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, könnt ihr euch sicherlich bereits denken, dass dies nicht so bleiben wird. Die Dinge geraten ins Rollen, Deadpool droht, sein letztes bisschen Verstand zu verlieren und selbst Freund Colossus von den X-Men muss sich letztendlich eingestehen, dass ein Deadpool auf freiem Fuß eine äußerst schlechte Idee sein kann.

Die Ereignisse überschlagen sich und von einem Moment auf den anderen muss der Rächer in rot einen jungen Mutanten retten, sich mit einem Zeitreisenden aus der Zukunft rumschlagen, aus einem Hochsicherheitsgefängnis ausbrechen und sein eigenes Team zusammenstellen. Ihr wisst schon: eine typische Woche im Leben eines völlig verrückten Superhelden.

Die Geschichte ist dabei absurd, lustig und völlig abgedreht, so, wie wir es nicht anders kennen, beziehungsweise auch nur gehabt haben wollen. Der große Kontrapunkt im Geschehen ist viel eher die völlige Abstinenz einer Charakterentwicklung beim Protagonisten. Wem die Figur bisher gefallen hat, wer zu Einhörner masturbierende Verrückte mag, die sich ihren Weg frei schießen und erst danach die Fragen stellen, wird nicht enttäuscht werden.

Habt ihr jedoch auch nur mit der kleinsten Änderung im charakterlichen Grundkonzept gerechnet, werdet ihr bitter enttäuscht. Deadpool ist die gleiche Figur wie im ersten Teil, hat weder in der Zeit zwischen den beiden Filmen noch im Nachfolger selbst irgendeine Form der Veränderung erfahren. Diese Tatsache macht die Figur zwar per se nicht weniger attraktiv, doch lässt sich gleichsam nicht von der Hand weisen, dass diese Form der Darstellung von einem ziemlich schwachbrüstigen Drehbuch zeugt.

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Deadpool, der Verrückte

Die aneinandergereihten Szenen versprechen natürlich eine Menge Humor und können alleine für sich überzeugen, wurden dafür leider mehr schlecht als recht miteinander verbunden. Der Erzählfluss wird immer wieder durchbrochen, muss sich für einen weiteren mehr oder weniger wohl kalkuliertem Gag dehnen, strecken und reißen. Ähnlich, wie die Slapstickeinlagen selbst, welche teilweise bis zu den Grenzen der Erträglichkeit ausgedehnt wurden.

Alle Figuren, neue wie alte gleichermaßen, lassen charakterliche Tiefe vermissen, sind lediglich so ins Rampenlicht gedrängt worden, wie wir sie bereits im ersten Teil kennen und lieben gelernt haben. Abseits davon bleiben sie zweidimensional, halten mit ihren Persönlichkeiten und Macken lediglich für die humoristische Sparte ihren Kopf hin.

Natürlich (diesen Punkt kann ich gar nicht oft genug erwähnen) macht das Gesehene eine große Portion Spaß, kann alleine durch seine Grundprämisse bereits hervorragend unterhalten. Abseits davon fehlt es jedoch an allen Enden. Wo Teil 1 noch einen ansprechenden Erzählstil vorweisen konnte, sich für eine Origin-Geschichte unerwartet clever angestellt hat, tritt die Fortsetzung lediglich in vorgesetzte Fußstapfen.

Es ist schwer zu erklären, doch unterm Strich fühlt sich „Deadpool 2“ über weite Strecken an, als würde hier das ausgeschlachtet, was im Prequel bereits funktioniert wie unterhalten hat. Neue Wege wie Ideen findet ihr lediglich hier und dort. Der gesamte Rest ist eine Aneinanderreihung dessen, was die großen Leute da oben in Hollywood wohl für den richtigen Weg gehalten haben, letztendlich jedoch nur von fehlendem Enthusiasmus zeugt.

Deadpool, der Hässliche

Ein Film wie „Deadpool 2“ lebt natürlich auch von seiner Fähigkeit, sich optisch ansprechend zu präsentieren. Leider müssen auch hier einige Abstriche meinerseits eingeräumt werden. Sieht das ganze Projekt über weite Strecken schon ziemlich gut aus, knickt die visuelle Leistung bei höherem Gebrauch von CGI schnell ein. Gerade in einem Film, der von der Fähigkeit lebt, das Fantastische in die Realität zu zerren, ist dies ein großes Manko.

Zwei Szenen im Film driften sogar so stark in den Keller, dass ihr ganzes Dasein wie ein Videospieltrailer von vor zehn Jahren wirkt. Unterm Strich nur ein kleines Problem, vor allen Dingen für solche, die bereit wie fähig sind, hier und dort ein Auge zuzudrücken. Letztendlich trotz allem auch ein Indikator dafür, dass dem Erfolg von Teil 1 nicht genügend getraut wurde. Weder in Sachen Inhalt noch im Bereich des Budgets, welches zur Verfügung gestellt wurde.

An den Leistungen der anwesenden Schauspieler ändern all diese Punkte zum Glück wenig bis gar nichts. Zwar kann keiner der Akteure aus seiner Figur mehr rausholen als absolutes Mittelmaß — womit sollen die armen Darsteller hier denn auch arbeiten -, doch sind sie mit sichtbarerer Freude am Werk.

Die wichtige Ausnahme der Regel ist hier tatsächlich einmal nicht Hauptdarsteller Ryan Reynolds, sondern Neuzugang Josh Brolin („No Country For Old Men“, „Die Goonies“, „Sicario“), welcher den Cable verkörpert. Kaum wiederzuerkennen, schauspielerisch auf hohem Niveau agierend und in der Lage, seine Figur sehr viel überzeugender zu vermarkten.

Fazit

„Deadpool 2“ ist blutig, unterhaltsam und voll mit derben Humor. Also genau das Richtige für alle Fans des ersten Teils. Abseits davon kann in keiner Weise von irgendeiner Form der Entwicklung die Rede sein. Figuren, Drehbuch, Präsentation; all dies bewegt sich im lauwarmen Gewässer des Mittelmaßes, ruht sich lediglich auf dem Erfolg des Vorgängers aus. Die Möglichkeiten waren da, wurden jedoch nicht genutzt. So bleibt diese Fortsetzung weit hinter dem zurück, was letztendlich möglich gewesen wäre.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi", Gumprecht, 15.05.2018