„Der wunderbare Mr. Rogers“ Filmkritik – Tom Hanks in Höchstform?

  

Am 16. April erscheint mit „Der wunderbare Mr. Rogers“ ein biografisches Drama in den deutschen Kinos, bei dem sich die Frage nach dem Zielpublikum in jeder der knapp 109 Minuten stellt. Man könnte natürlich mutmaßen, der Film richte sich speziell an Menschen, die zwischen 1968 und 2001 mit der Vorschulfernsehserie „Mister Rogers' Neighborhood“ groß geworden sind, schließlich trägt der Film den Namen des US-amerikanischen Fernsehmoderators prominent im Titel. Doch wie sich herausstellt, nimmt dieser in der Handlung nur eine Nebenrolle ein.

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Tatsächlich dreht sich die Geschichte um den zynischen Journalisten Lloyd Vogel (Matthew Rhys), der ein Porträt über den legendären Kinder-Entertainer schreiben soll und diese Chance nutzt, um herauszufinden, ob Mr. Rogers tatsächlich ein so netter Kerl ist wie alle über ihn sagen oder ob sich nicht ein paar Leichen in seinem Keller entdecken lassen. Die Story dreht sich also weder um Fred Rogers, noch macht sie mehr als nur ein paar vage Andeutungen zu seiner Person. Hinzu kommt, dass die Handlung über einen mürrischen, fast schon verbitterten Reporter, eine gehörige Menge an Empathie erfordert, um als spannend wahrgenommen zu werden.

Ob diese Empathie ein dauerhafter Teil von euch ist oder eher daher kommt, dass ihr ähnlich schlechte Erfahrungen im Leben gemacht habt wie Mr. Rogers (der als Kind dicklich war und dafür von den anderen Kindern in der Nachbarschaft gehänselt wurde) oder Lloyd Vogel (dessen Vater die Familie verlassen hat als die Mutter im Sterben lag) ist dafür wenig relevant. Doch sollte euch vor einem Besuch im Kino nichtsdestoweniger klar sein, dass dieser Film sich primär um die Vorstellung dreht, verspürte Wut bewusst gegen Freundlichkeit einzutauschen, und nicht um eine bestimmte Person.

Der wunderbare Mr. Rogers – Eine Kritik

Statt eines dokumentarischen Films, der sich um das Leben von Rogers dreht, haben wir es hier also mit einem Drama zu tun, dass davon handelt, wie der Moderator, Musiker, Puppenspieler, Schriftsteller, Produzent und presbyterianische Pastor das Leben eines anderen Mannes beeinflusst und schlussendlich zum Besseren wendet. Genau wie der Zeitungsartikel aus dem Jahr 1998, auf welchem dieser Film basiert, geht es um psychologische Heilung in Angesicht purer Freundlichkeit, die dem Anschein nach absolut ehrlich war.

Auf das Wesentliche runtergebrochen ist die Handlung in „Der wunderbare Mr. Rogers“ eine recht simple, die einem Mann folgt, dessen Probleme zwar unschön sind, aber nicht wirklich spannend oder kompliziert. Es ist eine bodenständige Geschichte, die sich lediglich durch zwei Dinge von einem gewöhnlichen Drama abhebt: Zum einen wäre da Mr. Rogers selbst, der vielleicht freundlichste Prominente der je gelebt hat. Und zum anderen einige obskure Szenen, die den psychologischen Werdegang von Hauptfigur Lloyd visuell begreiflich darstellen sollen, stattdessen aber ein wenig verstörend sind.

Der Erzählstil ist dabei durchgehend ruhig und auf das Wesentliche fokussiert, schafft es jedoch nur selten Mr. Rogers auch so sympathisch darzustellen wie er von Leuten, die den Mann persönlich gekannt haben, beschrieben wird. Stattdessen wirkt dieser über weite Strecken ein wenig unaufrichtig und steckt zudem voller Lebensweisheiten, die aufgrund fehlender Untermalung wie hohle Phrasen anmuten. Eine Darstellung, die definitiv nicht gewollt ist und dem 2003 Verstorbenen auch nicht gerecht werden dürfte.

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Nur selten schafft es Tom Hanks, der Rogers in dieser Sony-Produktion verkörpert, die absolute Liebenswürdigkeit von seiner Figur einzufangen und darzustellen. Sein Schauspiel ist zwar ohne Frage hervorragend (wenn auch nicht durchgehend treffsicher), leidet aber unter dem Problem, dass es zu wenige Szenen gibt, in denen er seine Fähigkeiten auch unter Beweis stellen kann. So gibt es beispielsweise nur eine einzelne Szene, in welcher Hanks dem Zuschauer eine Vorstellung davon geben kann, wie komplex seine Figur wirklich ist.

Bei Protagonist Lloyd Vogel, gespielt von Matthew Rhys, haben sich die Drehbuchautoren deutlich mehr Mühe gegeben, dem Schauspieler eine Bühne zu bereiten auf der er sich beweisen kann. Der walisische Darsteller nutzt diese Möglichkeit ziemlich gut und obwohl (oder gerade weil) sein Part nicht so interessant ist wie der von Tom Hanks, schafft er es mit seinem Spiel zu überzeugen und Eindruck zu hinterlassen. Seine Leistung ist nicht so beeindruckend wie die von seinem weltberühmten Kollegen, aber immer noch absolut lobenswert.

Abseits dieser Kritikpunkte ist „Der wunderbare Mr. Rogers“ ein sehr liebenswerter Film, der sich hauptsächlich an solche unter uns richtet, die sich nach Heilung sehnen, das Gute im Leben suchen und bei Sätzen wie Lebensweisheiten nicht die Augen verdrehen. Über den Status netter Abendunterhaltung kommt das Werk von Regisseurin Marielle Heller zwar nicht, wer aber ein Herz für warme Menschen wie Mr. Rogers hat, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren.

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Technisch verspielt

Der wunderbare Mr. Rogers besticht in erster Linie dadurch, dass der gesamte Film aufgebaut wurde wie eine Folge aus „Mister Rogers' Neighborhood“; inklusive Einleitung, die das Thema angibt, einer Modellwelt, die für einige Zwischensequenzen genutzt wird, und einem lehrreichen Ende. Besonders hoch rechne ich den Schöpfern dieses Werks an, dass sich bei einigen Szenen die Zeit genommen wurde, Rogers so darzustellen, wie er als Moderator tatsächlich war. Menschlich, ehrlich und komplett ungezwungen.

Statt also auf eine schnelle Abfolge von potenziell interessanten Szenen abzuzielen, wurde die Gefahr in Kauf genommen, den Zuschauer mit der zeitfressenden Darstellung der Realität zu langweilen. Stattdessen entstand jedoch Hand in Hand mit der schauspielerischen Leistung von Hanks ein angenehm realistisches Bild von Rogers, und das obwohl wir während der Handlung nur herzlich wenig über den Kinder-Entertainer erfahren. Dies macht es natürlich leicht, sich mit der Figur zu identifizieren und diese ins Herz zu schließen.

Fazit

Das Drama von Regisseurin Marielle Heller ist auf jeden Fall liebenswert und trägt das Herz durchgehend am rechten Fleck. Die schauspielerische Leistung von Hauptdarsteller Matthew Rhys ist sehr gut, die von Tom Hanks sogar hervorragend. Trotzdem wird hier eine eher oberflächliche, fast schon irrelevante Geschichte erzählt, bei der sich beständig die Frage nach dem Zielpublikum stellt. Für Fans von Rogers gibt es von dem Moderator zu wenig Screentime. Für Freunde von Dramen ist der Film zu oberflächlich. Und wer sich mit dem Leid der Figuren identifizieren kann, bekommt zu viele hohle Phrasen an den Kopf geworfen.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 12.03.2020