von Heiner Gumprecht | 18.11.2021
Vor knapp zwei Jahren überraschten die Regisseure Greg Tiernan und Conrad Vernon die Kinowelt mit ihrem Animationsfilm „Die Addams Family“, der zwar nicht ganz den Charme der ungewöhnlichen Großfamilie einfangen konnte, dafür aber äußerst unterhaltsam war und stellenweise mit seiner cleveren Gesellschaftskritik überzeugen konnte. Nach den relativ positiven Kritiken und dem mehr als akzeptablem Einspielergebnis war klar, dass schon bald ein Sequel kommen würde, das nun auch tatsächlich da ist: „Die Addams Family 2“.
Bild: „Die Addams Family 2“ (2021). ©Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.
Das Werk erscheint planmäßig am 18. November 2021 in den deutschen Lichtspielhäusern und wurde erneut von Tiernan und Vernon umgesetzt, die im Großen und Ganzen versucht haben, den Zauber des ersten Teils erneut einzufangen. Wie gut ihnen das gelungen ist, wo die Stärken und Schwächen der Fortsetzung liegen, und ob sich ein Besuch im Kino erneut lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Tipp: In unserem Kinoprogramm findet ihr die Spielzeiten zu Addams Family 2
Die Addams Family 2: Zur Handlung
Die kleine Wednesday (Luisa Wietzorek) hat es alles andere als einfach. Sie ist nicht nur deutlich cleverer als manch anderes Familienmitglied, sie fühlt sich von ihrer Familie auch oft unverstanden und hinterfragt nicht selten, ob sie überhaupt in den Clan passt. Und da ist sie nicht die Einzige, denn eines Tages steht ein schmieriger Anwalt vor dem Haus der gruseligen Sippe und gibt an, dass es möglich wäre, dass Wednesday nach ihrer Geburt im Krankenhaus vertauscht worden ist.
Was auf den ersten Blick vollkommen absurd erscheint, erschreckt sie Eltern Morticia (Kathrin Fröhlich) und Gomez (Alexander Doering) nichtsdestoweniger zutiefst und sie schwören sich, diese ihre Tochter nie von dieser irren Theorie erfährt. Stattdessen soll ein Familienurlaub die Einigkeit unter den Addams wiederherstellen, was natürlich eine Menge Chaos, wahnwitzige Ereignisse und totale Zerstörung zur Folge hat. Doch nicht nur das, denn der Anwalt gibt nicht auf und macht Jagd auf die flüchtige Bande.
Bild: „Die Addams Family 2“ (2021). ©Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.
Die Addams Family 2: Eine Kritik
Die Verhältnisse haben sich im zweiten Teil mit Blick auf den Vorgänger stark verschoben. Wo im ersten Teil der Wahnwitz und die totale Absurdität einer frei drehenden Animationskomödie noch Hand in Hand mit dem typischen Charme der Addams zusammengearbeitet hat, mit tatkräftiger Unterstützung der treffsichere Gesellschaftskritik, stehen im zweiten Teil Amok laufender Humor und eine Aneinanderreihung von relativ zusammenhanglosen Gags konkurrenzlos im Rampenlicht.
Die liebevollen Anspielungen auf die Wurzeln der Addams Family und die Essenz dessen, was diese Familie einst in Kino und TV ausgemacht hat, ist beinahe komplett verloren gegangen. Stattdessen konzentrieren sich Tiernan und Vernon darauf, uns nicht vergessen zu lassen, wie düster, intelligent und verdreht sympathisch Charakter Wednesday ist, während die anderen Familienmitglieder auf gewisse Schlüsselrollen reduziert werden oder darauf, als Lachnummer herhalten zu müssen.
Das Ergebnis ist kaum noch von einem durchschnittlichen Kinderfilm zu unterscheiden. Die einzigen Differenz zu den vielen Konkurrenzprodukten, die im Einheitsbrei ihre Runden drehen, sind der düstere Look und die beinahe schon zur Slapstick verdrehte gotische Ausrichtung der Protagonisten. Das Niveau von Die Addams Family 2 bewegt sich nicht mehr im durchschnittlichen Bereich, mit einigen Abstechern nach oben, sondern ein gehöriges Stück darunter.
Die Analyse des durchschnittlichen Normalbürgers und unserer Gesellschaft ist schlichtweg nicht mehr vorhanden, was quasi die komplette Daseinsberechtigung dieses Films in Frage stellt, denn ohne den durchbohrenden Blick und den erhobenen Zeigefinger, die uns als Menschen zum Nachdenken anregen sollen, sind die Addams nur noch austauschbare Figuren, die sich für ein paar wenige Lacher zum sprichwörtlichen Affen machen und hier und dort Kinder dazu bringen, leise das Wort „cringe“ zu hauchen.
Bild: „Die Addams Family 2“ (2021). ©Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.
Die Addams Family 2: Ein unnötiges Sequel
Dadurch stellt sich natürlich die Frage, wozu eine Fortsetzung denn überhaupt nötig war, denn abgesehen von dem Wunsch, damit Geld zu verdienen, errate ich keine Anhaltspunkte, die darauf deuten lassen, was die Schöpfer*innen mit diesem Film erreichen wollten. Er hat quasi keine Alleinstellungsmerkmale, zollt weder den Ursprüngen noch seinen Vorgängern Tribut, und ist selbst losgelöst von der Vorlage bestenfalls durchschnittlich. Aber unterm Strich ist „The Addams Family 2“ eigentlich komplett überflüssig.
Nur sehr wenige Gags in dem Werk zünden und der rote Faden der Handlung ist weitgehend austauschbar und generisch. Außerdem macht die eigentliche Geschichte des Sequels nur einen kleinen Teil der eineinhalb Stunden aus, die meisten Parts sind mehr oder weniger zusammenhanglose Lückenfüller, die die durchschnittliche Laufzeit des Films rechtfertigen sollen. Wodurch der Gedanke aufkommt, ob eine gering budgetierte Serie nicht der bessere und auch weniger schmerzhafte Weg gewesen wäre.
Visuell knüpft der zweite Teil an den Erstling an, was für geneigte Kinogänger*innen bedeutet, dass sie nicht zu viel erwarten dürfen, aber mit Blick auf den Vorgänger auch nicht enttäuscht werden. Gleiches gilt für die originalen und deutschen Synchronsprecher und eigentlich auch alle anderen Facetten dieses Werks, die nicht bereits weiter oben in dieser Kritik abgeklappert wurde. Wer kein Hardcore-Fan von „Die Addams Family“ von 2019 ist, macht um diesen Film also vielleicht lieber einen mittelgroßen Bogen.
Fazit
Die Addams sind jetzt noch bunter, noch hipper und noch verrückter. Doch vor allen Dingen sind sie deutlich ideenloser und austauschbar. Der zweite Teil hat keine nennenswerten Höhepunkte und lässt den Charme der Vorlage komplett vermissen. Die eigentlich für diese Familie notwendige Gesellschaftskritik ist komplett flöten gegangen, an ihrer Stelle tritt eine absolut austauschbare Geschichte, die besser zum Nachmittagsprogramm eines Kindersenders passt, als zu diesem Franchise.
Bewertung: 2/5**
Bild: Das Poster zu „Die Addams Family 2“ (2021). ©Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.