„Nope“ Filmkritik: Jordan Peeles Hommage an das Horrorkino der 1980er

  

von Heiner Gumprecht | 05.08.2022

Der ehemalige Comedian Jordan Peele hat mit seinen Werken „Get Out“ und „Wir“ bewiesen, dass man durchaus von den bereits platt getretenen Pfaden des durchschnittlichen Horrorfilms abweichen und trotzdem sehr erfolgreich sein kann. Zumindest sofern die Atmosphäre und die Eigenideen stimmig und gut sind. Als emporgekommener Meister des Genre in spe ist er mittlerweile zum Inbegriff der gruseligen Wendungen und makaberer Neuausrichtungen geworden, was für eine hohe Erwartungshaltung in Bezug auf seinen neuen Film „Nope“ sorgt.

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Bild: „Nope“ (2022). ©Universal Studios

Das Werk erscheint in Deutschland planmäßig am 11. August 2022 in den Kinos und ist in den USA bereits seit einer Weile angelaufen, wo sich vor allen Dingen Kritiker*innen und Cineasten gegenseitig mit Lobgesängen und positiven Reviews übertreffen. Von den Gelegenheitskinogänger*innen hört man aber deutlich verhalteneren Lob und teilweise sogar ein paar äußerst negative Stimmen. Dafür gibt es aber auch einen guten Grund, denn „Nope“ versteht sicher eher als Hommage an die Horrorfilmlandschaft der 1980er Jahre und eignet sich daher nicht für jedermann.

Nope: Unsere spoilerfreie Filmkritik

Dieser Versuch, seine technische Raffinesse sowie sein Verständnis für das Genre unter Beweis zu stellen und mit einem Augenzwinkern zu ehren, ist einer der stärksten Gründe, warum gerade die Einleitung von „Nope“ zu lang und zu unaufgeregt ist. Natürlich müssen wir die Figuren, ihre Welt und die wichtigsten Umstände kennenlernen, um spätere Aspekte der Handlung besser verstehen zu können, aber das ist kein Grund, komplett auf die passende Atmosphäre und einige Gruselszenen zu verzichten.

Lediglich zwei Unterbrechungen, die sich um ein vergangenes Ereignis drehen, das im späteren Verlauf des Films eine erklärende Rolle einnimmt, lassen die eigentliche Grundidee des Films erahnen und spielen gekonnt mit der Frage, ob das Gezeigte immer schrecklicher ist als das, was wir in unserer Vorstellung daraus machen. Die Gewichtung dieser Szenen ist zum Ende hin aber deutlich schwächer, als ihre Existenz eigentlich vermuten lässt. Und genau hier liegt das Problem, denn Peele verfolgt in diesem Film mehr seine eigenen Interessen als die des Publikums.

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Bild: „Nope“ (2022). ©Universal Studios

Er möchte Aussagen treffen, er will zeigen was er kann und er will geneigten Zuschauer*innen einen Spiegel vorhalten, um sie mit ihrer eigenen Erwartungshaltung aufzuziehen. Doch dabei verliert er oft den Wert der Unterhaltung aus den Augen, da er erwartet, dass die Kinogänger*innen das gleiche Verständnis für Kunst haben wie er. Das Ergebnis ist im schlimmsten Moment einfach nur gähnend langweilig, im Besten ein geschicktes Spiel mit Klischees, aber leider nie wirklich spannend geschweige denn gruselig.

Dieses beständige Klopfen auf die eigene und die Schultern von großen Regisseuren der Vergangenheit hält zum Glück nicht ewig an. Im zweiten Drittel zieht Peele, der ebenfalls das Drehbuch zu „Nope“ verfasst hat, ordentlich an und erschafft quasi mal ebenso einen ganz anderen Film, dessen Kombination aus technischer Raffinesse, Sounduntermalung und schauspielerischer Leistung für eine packende Atmosphäre sorgt, bevor er einen herrlich schauerlichen Höhepunkt erreicht.

Diese Terrorspitze wird von einer herausragenden Szene untermalt, die nicht nur in ihrem visuellen Aspekt ihresgleichen sucht, sondern auch von einem enormen Fingerspitzengefühl für diese Form von Arbeit zeugt. Wer bisher noch nicht mit der Bedrohung in diesem Film warm geworden ist, wird es hoffentlich spätestens jetzt, besser wird es nämlich nicht mehr. Hier zeigt Peele, was er auf dem Kasten hat und was sein neues Werk wirklich sein könnte, wäre es ihm nicht wichtiger gewesen, einen Film für sich selbst statt für die Zuschauer*innen zu machen.

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Bild: „Nope“ (2022). ©Universal Studios

Denn kurz nach diesem schaurig-schönen Höhepunkt wird der Aspekt des Horrors wieder in den Hintergrund gerückt. Anspielungen auf „Der Weiße Hai“ und andere Vorreiter des modernen Horrorfilms drängen sich wieder nach vorne und Peele, der nun gänzlich seinem eigenen Schatten nachjagt, verliert immer mehr Einzelteile der Handlung aus den Augen, was im Finale zu losen Fäden und gewissen Logikfragen führt. Das Ende präsentiert sich zudem handzahm, weitgehend unaufgeregt und auch ein bisschen langweilig.

Kein Wunder, schließlich setzt der Regisseur und Drehbuchautor nun immer stärker auf die Bildsprache und Anspielungen auf Filme, die viele Kinofans nicht einmal gesehen haben. Dabei stellt er sich im Grunde ganz gut an, doch wirklich gruselig ist im letzten Drittel von „Nope“ beinahe nichts mehr, stattdessen wird es sogar unfreiwillig komisch. Dieser fragwürdige Richtungswechsel wird zwar noch einmal mit visuell höchst einfallsreichem und wunderschönem Bombast aufgebessert, dadurch aber kaum spannender.

Fazit

Der dritte Horrorfilm von Jordan Peele ist ein glasklarer Beweis dafür, dass dieser Mann die meisten Aspekte seine Arbeit absolut versteht und es verdient hat, noch viele weitere Titel zu produzieren. Doch für gemeine Kinogänger*innen ist es auch eine Strapaze für das Sitzfleisch, denn statt mit schauderhaftem Horror zu unterhalten, setzt Peele auf Beweihräucherung und Ehrerbietung. Die Einführung ist dadurch zu lang und langweilig, das Finale zu handzahm und losgelöst von der Prämisse. Lediglich der Mittelteil ist gut. Unfassbar gut sogar.

Bewertung: 3/5***


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Bild: Kinoplakat „Nope“ (2022). ©Universal Studios