Filmkritik „Django — Ein Leben für die Musik“ — Weltkriegs-Episoden und Gypsy-Swing

  

Am 26.10.2017 hat dieser französische Spielfilm über den Sinto-Stargitarristen Django Reinhardt (1910 — 1953) in Deutschland Kino-Premiere. Django war im Zeitraum 1934 — 1953 wohl einer der besten Jazzgitarristen. Trotz seines Handicaps — er hatte durch einen Wohnwagenbrand nur noch drei unversehrte Finger an seiner linken Gitarren-Griffhand — entwickelte er neue, revolutionäre Techniken für die Gitarre. Er produzierte etwa 600 Audio-Aufnahmen mit seinem legendären „Quintette du Hot Club de France“. Viele Schrift-Dokumente und Fotografien existieren von ihm, während nur ca. fünf kurze Original-Filmclips von dem Gitarren-Star vorhanden sind. Der Spielfilm eröffnete im Februar 2017 die Berlinale.

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Filminhalt „Django – Ein Leben für die Musik“

Frankreich 1943 in den Ardennen. Eine Gruppe von Sinti (auch „Tzigane/Manouche“ genannt) campiert in den Wäldern. Deutsche Soldaten und französische Kollaborateure machen Jagd auf die campierenden Sinti, die durch die Schergen des Naziregimes erschossen werden.

In einem harten Schnitt wechselt der Film nach Paris in einen Konzertsaal. Das Publikum — deutsche Soldaten, französische Zivilisten — sind langsam ungeduldig, da ein Konzert mit Django Reinhardt (Reda Kateb) bereits längst begonnen haben sollte. Doch der unzuverlässige Gitarrist steht an der Seine und angelt. Das Konzert hat er — wie so oft — vergessen. Ein Mitglied seiner Begleitband spürt ihn auf und bringt ihn in die Garderobe des Konzertsaales, wo seine Mutter und sein Bruder Joseph den Musiker erwarten und ihn für das Konzert ankleiden. Auf der Bühne bringt der Star dann beeindruckende Swing-Titel zum Vortrag. Das Publikum ist begeistert, schnippt mit den Fingern, wippt mit den Füßen, gerät in Begeisterung. Eine geheimnisvolle Blondine (Cécile de France) erscheint und hört der Musik zu.

Nach dem Konzert gratulieren deutsche Offiziere Django in der Garderobe zu seinem Konzert, obwohl die Swing-Musik in Deutschland bereits seit längerem offiziell geächtet ist. Allerdings werden die ekstatische Musik und die Reaktion des Publikums durch den wortführenden Hauptmann kritisiert. Bei dem Treffen ist auch der historisch belegte Leutnant Dietrich Schulz-Köhn anwesend, der bereits vor dem 2. Weltkrieg Kontakte zu der französischen Jazz-Szene hatte.

Die in der Garderobe weilenden Offiziere versuchen Django zu einer Tournee durch Deutschland zu überreden, um seine Musik zu präsentieren. Allerdings zu inakzeptablen und grotesken Bedingungen: Nur zwanzig Prozent der zu präsentierenden Musik darf Swing sein, bei solistischen Darbietungen darf der Rhythmus nicht mit dem Fuß mitgeklopft werden. Weiterhin soll der Kontrabass mit einem Bogen gespielt, nicht mit der Hand gezupft werden. Krönung der Vorschriften: „Nicht-arische Instrumente wie Kuhglocken haben zu unterbleiben“. Lachend kommentieren Django und die Musiker seiner Band bei einem Essen die Vertragsbedingungen. Gast während des Essens ist auch die geheimnisvolle Blondine, die als Louise, „die Königin des Montparnasse“ (Künstlerviertel in Paris) vorgestellt wird.

Bei einem Nachtclubbesuch mit Louise befragt sie Django zu seiner Einstellung zu den Nazis, der geplanten Tournee und zum Krieg. Django stellt sich als unpolitischen Musiker dar. In ganz Europa werden Sinti und Roma von den Nazis und ihren Helfern verfolgt, doch Django interessiert dies nicht. Sein Ziel ist es seine Familie zu ernähren und Musik zu spielen. In einer kurzen Film-Sequenz (Wochenschau-Materialien) im Club, werden die Besatzer Frankreichs als tumbe Toren charakterisiert. Marschmusik, paradierende Soldaten im Stechschritt und Adolf Hitler amüsieren ihn nur. Die Person Hitler ist dem Gitarristen nicht bekannt, sein Schnurrbart erscheint ihm lächerlich.

Die Ereignisse fangen an sich zu überschlagen. Bombennächte in Paris, Verhaftungen von Widerstandskämpfern und französischen Zivilisten wechseln sich ab. Louise, die mittlerweile die Geliebte von Django ist, versucht den Musiker zu überreden in die Schweizer Emigration zu gehen, da Sinti zunehmend drangsaliert und in KZs abtransportiert werden. Sie übergibt der Frau von Django falsche Papiere und eine Anlauf-Adresse in Thonon am Genfer See — nahe der Schweizer Grenze -.

Dort angekommen, werden sie in einer leerstehenden Wohnung untergebracht und von einem Mitglied der französischen Resistance betreut. Glück im Unglück. In Thonon campieren weitere Manouche, die strengen polizeilichen Auflagen folgen müssen. Einzige Ausnahme, sie dürfen in Bars — wenn der Besitzer es erlaubt - Musik machen. Zum Nichtstun verurteilt sucht der Musiker Abwechslung beim Angeln, Orgel-Spiel und beim Musizieren mit seinen Stammesfreunden. Eine gedankliche Wandlung bei Django — vom Nichtsehen-Wollen der Realität zur Akzeptanz und Reaktion darauf - zeichnet sich ab.

Um den Unterhalt für seine Familie zu finanzieren, arbeitet Django mit einer Sinti-Musikgruppe zusammen. Bei einem Unterhaltungsabend mit Tanz gerät die Band in einen Streit zwischen deutschen Soldaten und französischen Besuchern des Lokals. Django wird verhaftet und für eine Nacht eingesperrt. Der vernehmende deutsche Offizier erkennt den Gitarristen und verdächtigt ihn in die Schweiz fliehen zu wollen. Er muss versprechen die geplante Tournee nach Deutschland zu spielen. Weitere Bedingung für seine Freilassung: Er soll noch ein Konzert in einer Villa in Thonon für deutsche Offiziere spielen. Louise hat dieses Konzert arrangiert, um die deutschen Soldaten abzulenken. Ein verletzter englischer Flieger soll während des Konzertes über den Genfer See durch die Resistance in die Schweiz gebracht werden. Django stellt den Drahtziehern dieser Aktion seine Bedingungen: Alle Bewohner seines Camps soll die Flucht in die Schweiz ermöglicht werden. Doch der Sprecher der Widerstandsbewegung lehnt dies ab. Er kann nur die Flucht für Djangos Familie ermöglichen.

Django mit seiner Musik, Ströme von Alkohol und schöne Frauen verhexen die Soldaten beim Konzert in der Villa. Wie in Trance agieren die Soldaten und lassen alle Hemmungen fallen. Bevor das Fest in eine Orgie ausartet, wird es abgebrochen. Bei seiner Rückkehr in das mittlerweile mit Flammenwerfern zerstörte Sinti-Camp entschließt man sich zur Flucht. In der Nähe der Schweizer Grenze muss das Vorhaben abgebrochen werden, da die Ehefrau von Django und seine alte Mutter vollkommen erschöpft sind.

Wieder ein harter Schnitt: Paris 1945, Befreiung von den Besatzern. Der Film endet mit einer Uraufführung eines Requiems, das von Django geschrieben wurde um an die Leiden seiner Stammesbrüder zu erinnern. Was der Musiker während des Krieges erlebt hatte, inspirierte ihn zu dieser Komposition. Am Ende des Films erfahren wir, dass die Musik des Requiems — nach einmaliger Aufführung - verloren gegangen ist.

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Fazit:

Der Film stellt nur einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben des Gitarristen dar. Er schildert die Blindheit eines Künstlers, der die Gefahr, die von Nazi-Regime ausgeht, spät begreift. Djangos kultureller Hintergrund erklärt hier sein fehlendes Bewusstsein. In Sinti-Gemeinschaften ist Krieg kein Thema. Sinti sind keinem Land verbunden.

Der Regisseur Etienne Comar hat keinen Film unter dem Motto „Aus den Niederungen und durch Misserfolge zu den Sternen“ vorgelegt. Viele klassische Bio-Pic‘s der Jazzgeschichte (vor allem Bio-Pic‘s über Jazz-Musiker in den fünfziger Jahren verfolgen diesen Ansatz, z.B. Glenn Miller Story, Benny Goodman Story usw.). Durch die Konzentration auf eine relativ kurze Zeitspanne im Leben des Musikers geht allerdings die Vielschichtigkeit des Stars verloren. Häutungen in seinem Leben z.B. die Entwicklung vom Swing-Star zum sperrigen Bebop-Gitarristen in den fünfziger Jahren oder seine Fähigkeit „naive“ Kunstwerke zu zeichnen finden dadurch keine Erwähnung. Aber auch dunkle Eigenschaften wie Spielsucht, Jähzorn und egoistisches Verhalten werden nur andeutungsweise gezeigt.

Historisch belegt ist der Fluchtversuch Djangos in die Schweiz. Weiterhin belegt ist u.a. die Figur des deutschen Offiziers Dietrich Schulz-Köhn, der während des zweiten Weltkrieges Kontakt zu Django hatte. Schulz-Köhn hielt auch sogar während des Krieges Kontakt zu der Szene, obwohl einige seiner Bekannten Mitglied der frz. Widerstands-Bewegung war. Der Deutsche (nach dem Krieg als Dr. Jazz bekannter WDR-Rundfunk-Redakteur) ließ sich sogar mit Django Reinhardt und weiteren afro-amerikanischen Musikern vor einem Musik-Club in Uniform fotografieren. Ein Verhalten, das ihn vor ein Standgericht hätte bringen können.

Fiktionalisiert ist die Person Louise, die Glamour in den Film bringt. Tatsache ist, dass Django zeitlebens unzählige Amouren hatte. Hollywoodmäßig aufgeblasen ist das Konzert in der Villa, das parallel mit der Flucht des Fliegers gezeigt wird. Django hat das Konzert in der Villa tatsächlich gespielt, nur nicht unter den gezeigten Umständen.

Die dramatischen Momente im Film hat der Regisseur mit einem Trick inszeniert: in Finsternis und Leblosigkeit. Der Kinobesucher weiß, was mit den Menschen passierte, die von den Nazis verfolgt wurden. Comar taucht die Leinwand in solchen Momenten in kurzes, tonloses Schwarz. Das Grauen findet in den Köpfen der Zuschauer statt.

Etwas zu romantisch ist das Leben der Sinti dargestellt. Die Lebensumstände in den Camps hat etwas von Abenteuererlebnis und Flair des Lagerfeuers. Allerdings war die Verpflichtung von einer Gruppe von Sinti, die als Laiendarsteller im Film agieren, ein Glücksgriff.

Die Musik ist der Star

Der Star des Filmes ist eindeutig die Musik von Django Reinhardt. Comar hat diese vom Stochelo Rosenberg Trio neu einspielen lassen. Gerade zu Anfang - in einer langen Konzertszene - überträgt sich die Musikenergie direkt auf den Zuschauer. Sinti-Folkore, Jazz-Balladen oder schnelle Swing-Titel sind im Verlauf des Filmes kongenial zu den gezeigten Bildern eingesetzt.

Das Ambiente der Konzerte (Bühnenbild, goldene Vorhänge) erinnert stark an Woody Allens Film „Sweet and Lowdown“. Als ziemlich gewagt muss der Versuch bezeichnet werden, die verloren gegangene Messe von Django aus einigen vorhandenen Taktfragmenten für den Film zu rekonstruieren.

Comar, der mit „Django“ seinen Debutfilm abgeliefert hat, ist ein annehmbarer Film gelungen. Normalerweise würde man den Film mit drei von fünf Sternen bewerten, da das Lichtspiel irgendwann den Erzählrhythmus verliert. Die verwendete Musik macht aber den Film sehenswert.

Deshalb eine Wertung mit vier von fünf Sternen****

Django

Filmkritik von Klaus Huckert, 14.10.2017