Filmkritik "The Imitation Game — Ein streng geheimes Leben"

  

Alan Turing war ein Mann, dem jeder in der heutigen Zeit eine Menge zu verdanken hat. Diese Zeilen sind nur deswegen lesbar, dank Teilen der Arbeit, die Alan Turing im Dienste der Britischen Regierung und der Alliierten Streitkräfte leistete, um die lange Zeit unknackbaren Codes des Naziregime und deren Enigma-Maschine zu entschlüsseln. Alan Turning wurde 41 Jahre alt, tötete sich selber als gebrochener und unverstandener Mann und gelangte erst 2013, 68 Jahre nach seinem Tot, zu einem Pardon seiner heute längst nicht mehr strafbaren Taten, deren Verurteilung schlussendlich zu seinem Selbstmord führten.

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Komplexität ringt mit Verständnis

Das Leben eines solch komplizierten Mannes zugleich unterhaltsam für ein breites Publikum aufzubereiten und dabei den Fakten und den Beweggründen von Alan Turing treu zu bleiben, ist eine große und schwere Aufgabe. Den Machern von „The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben“ ist dies in weiten Teilen gelungen. Allerdings gehen sie dabei einen nachträglich nicht ganz Alan Turing angemessenen Weg. Falls Regisseur Morten Tyldum (Headhunters) und Drehbuchautor Graham Moore einen Film schaffen wollten, der dem komplexen Wesen von Alan Turing mit all seinen Facetten angemessen wäre, so hätten sie deutlich radikaler und umfassender zu Werke gehen müssen. Dabei wäre dann vermutlich aber auch ein Film entstanden, der der breiten Masse an Zuschauern, auf die eine solche Produktion allgemein abzielt, nicht so entgegen kommen würde wie es eben „The Imitation Game — Ein streng geheimes Leben“ tut. So bleibt die Mathematik einfach, die Emotionen sind klar und emphatisch und die Fakten der Geschichtsschreibung werde gerade so respektiert, wie sie eben Platz für sauberes und fesselndes Drama lassen.

Mysterienbildung für Google und Facebook

In der Gesamtheit der Verfilmung hätten die Macher des Films sicherlich niemanden besseres casten können als Benedict Cumberbatch. Dieser spielt den erwachsenen Alan Turing — sein jüngeres Ich wird durch Alex Lawther dargestellt — und Cumberbatch erweitertet mit seiner darstellerischen Leistung kunstvoll sein Repertoire an realen und erfundenen, sozial unbeholfenen, intellektuellen Überfliegern um eine weitere Persönlichkeit. Denn was Benedict Cumberbatch in solchen Rollen zu dem perfekten Kandidaten macht und seine Rolle als Alan Turing zu einer seiner besten darstellerischen Leistungen, ist sein Talent kühle Distanz und gesteigerte Empfindlichkeit im selben Moment zu präsentieren. Dies verlieh seiner Rolle als Julien Assange genau wie als Sherlock Holmes eben jene besonderen Merkmale, die nun auch seine Rolle als Alan Turing zu etwas wirklich einmaligem machen. Cumberbatch verleiht seinem Charakter einen sehr autistischen Zug, er ist auf sozialer Ebene so ungeschickt, wie er auf intellektueller agil ist.

Er erkennt Muster, die sich niemandem offenbaren auf den ersten Blick, ist zugleich aber völlig im Alltag seiner Mitmenschen verloren. Humor erschließt sich im ihm nicht. Wenn ihn einer seiner Mitarbeiter mit dem Hinweis, dass sie nun Mittagessen gehen würde einladen möchte, sieht Cumberbatch's Turing darin keine freundliche Geste, sondern eine triviale und überflüssige Information. Allerdings wirkt dadurch Alan Turing in „The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben“ an einigen Stellen wie ein übermenschliches, zerbrechliches und roboterhaftes, fremdes Wesen, welches mit unglaublichem Sexappeal ausgestattet ist und einfach nicht verstanden werden kann. Zur im Film erzählten Geschichte passt diese Performance, die aus diesem Blickwinkel ein wenig wie eine Geschichte wirkt, die, wäre sie nicht in etwa so geschehen oder zumindest so erzählbar, als müsse sie für die Werte- und Arbeitskultur des 21. Jahrhunderts in der westlichen Welt als Schöpfungsmythos erfunden werden.

Dunkle Geheimnisse

Wie zu Beginn der Kritik geschrieben verübte Alan Turing im Alter von 41 Jahren Selbstmord. Der Grund dafür war eine im Rahmen von anderen Ermittlung zu Tage geförderten Anklage der Homosexualität. Im britischen, genau wie im deutschen Recht dieser Tage, stellten homosexuellen Handlungen ein schweres Verbrecher dar. Alan Turing wurde vor die Wahl gestellt eine Haftstrafe anzutreten oder eine medikamentöse Therapie mit Ziel einer chemischen Kastration über sich ergehen zu lassen. Turing entschied sich, sicher im Bewusstsein das Gefängnis nicht zu überleben, für die Therapie, welche ihn schlussendlich in Depressionen und den Freitod trieb. Seine Taten für die britische Regierungen fielen dabei nicht ins Gewicht, da sie als Geheimsache eingestuft worden waren und erst nach dem Ende des kalten Krieges öffentlich gemacht wurden. „The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben“ setzt mit seiner Erzählung an dem Punkt an, an dem Alan Turing in den Fokus einer polizeilichen Ermittlung gerät. Detective Robert Nock (Rory Kinnear) glaubt in Alan Turing einen russischen Spion gefunden zu haben und dieses Verhör fungiert als eine Art Rahmen für 90 Prozent der restlichen Handlung. Turing berichtet dem Polizisten von seinen Taten während des Krieges, gepaart mit Rückblenden in seine Schulzeit, in welcher er seine Liebe zu Kryptografie entdeckte und durch seine Liebe zu seinem Mitschüler Christopher Morcom auch seiner Homosexualität gewahr wurde. Genau dieses, im Leben des wahren Turing wichtiges Element, wird leider in „The Imitation Game“ als reiner Plotpunkt und als dunkles Geheimnis behandelt. Wenn es passt, dann wird sie zur Sprache oder sehr dezent zum Ausdruck gebracht, ansonsten wird sie gekonnt ignoriert.

Fazit

Allerdings ist „The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben“ bis auf diesen kleinen Kritikpunkt und das Gefühl konstanter Anachronismen in den Worten der Mitglieder der „Bletchley Section“ um Alan Turing, gespielt von unter anderem Keira Knightley und Matthew Goode, ein sehr spannendes und unterhaltsames Historiendrama, welches nicht nur den Kampf gegen die Zeit und den voranschreitenden Krieg auf einer deutlich weniger lautstarken Ebene als für gewöhnlich üblich präsentiert, sondern auch die Zwänge einer intoleranten Gesellschaft und die Schwierigkeiten eines unverstandenen Genies eben so darstellt, wie es die Altersbeschränkung von „Ab 12 Jahren“ eben zu lässt. Auch wenn die Geschichte um Enigma schon in der Vergangenheit für das englische Fernsehen aufbereitet wurde und in Form des schrecklich dümmlichen Films „Enigma“ einigen bekannt sein dürfte, so wird sie in „The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben“ auf bisher unerreichte Art erzählt und sollte nicht nur von Fans von Benedict Cumberbatch, sondern auch von allen anderen Kinogängern auf keinen Fall verpasst werden.

Bewertung: 4 von 5 möglichen Sternen.****

Filmkritik von Julius, 21.01.2015

Mehr zum Film

The Imitation Game startet morgen, am 22.01.2015 in den deutschen Kinos. Weitere Informationen, Bilder und Trailer zum Film bekommt ihr hier: The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben | Film-Info