Filmkritik zu Hail, Caesar!

  

Das letzte Mal, dass Joel und Ethan Coen eine wirkliche Komödie abgeliefert haben, ist eine ganz Weile her. Das Produzenten-, Autoren-, Editing- und Regie-Brüder-Gespann hat sich mit den letzten drei Filmen „A Serious Man”, „True Grit” und „Inside Llewyn Davis” zwar nicht völlig von komödiantischen Elementen entfernt, aber „A Serious Man” war Hiob im mittleren Westen, „True Grit” ein zunächst mitreißendes Abenteuer, welches sich in ein denkwürdiges Stück über Moral und Verlust verwandelte und „Inside Llewyn Davis” eine zutiefst traurige Geschichte um existentielles Versagen. Alles in allem ziemlich dunkler Kram. „Hail, Caesar!“ nun ist ein erheiternder Richtungswechsel: Ein komisches Märchen, clever und albern. In seiner Gesamtschau sogar der optimistischste Film, den die Coen-Brüder je gedreht haben. Auch wenn dies eventuell zunächst und nicht für alle deutlich ist.

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Hail, Caesar! startet heute (18.02.2016) in den deutschen Kinos.

Hail, Caesar, Hail, Coen Brüder!

„Hail, Caesar!“ nun spielt in einer nicht näher spezifizierten Zeit der goldenen Jahre Hollywoods, irgendwann nach dem 2. Weltkrieg und definitiv vor 1960, gibt sich aber trotz dieser Ungenauigkeit alle Mühe so ahistorisch und anachronistisch wie eben möglich zu sein. Inhaltlich umreißt er 28 Stunden aus dem Leben von Eddie Mannix, angelehnt an den realen Eddie Mannix, gespielt mit einer wunderbaren Mischung aus Ernsthaftigkeit und (selbst)gequälter Süße von Josh Brolin. Vorlage Eddie Mannix war zu Lebzeiten eher eine schattige Persönlichkeit, ein Schurke hinter den Kulissen Hollywoods, ein Fixer in der Traumfabrik. Bob Hoskins gab Mannix eine sehr viel realistischere Darstellung in „Hollywoodland”. Doch in „Hail, Caesar!“ ist lediglich sein Name geblieben. Er ist „Head Of Physical Production” für Capitol Pictures, einem gewissenhaft produzierenden Studio, dass mit viel Liebe einen dummen Big-Budget-Streifen zwischen biblischen Epen und schmalzigen Western raus haut.

In diesen 28 Stunden hat Mannix eine Reihe an Problemen zu bewältigen. Das Front Office möchte gerne, dass der singende Cowboy Hobie Doyle (Alden Ehrenreich) vom B-Western-Helden zum romantischen Komödianten mit Hauptrolle „befördert“ wird. Das allerdings verwirrt den leicht zufrieden zu stellenden Hobie und konsterniert seinen anspruchsvollen Regisseur Laurence Laurentz. Obendrein ist der aquatische Musicalstar DeeAnna Moran (Scarlett Johansson) schwanger und das Meermädchen-Kostüm drückt schmerzhaft. Wirklich interessiert an dem Vater des Kindes ist sie nicht, sehr zum Unbill des Studios, das ein heiles, amerikanisches Weltbild verkaufen will. Zwei Klatschkoluminstinnen und Zwillinge (beide Male Tilda Swinton) stellen merkwürdige Fragen und drohen mit einer noch merkwürdigeren Story an die Öffentlichkeit zu treten. Diese aber betrifft den großen Star des Studios, Baird Whitlock (George Clooney). Und zu allem Überfluss wurde der einfach so vom Set des neuen Bibelstreifens durch eine Bande von kommunistischen Drehbuchautoren (die sich „The Future“ nennen) hinweg entführt.

Zwischendrin hat Mannix dann aber noch so seine eigenen Probleme. Er ist so katholisch, dass er andauernd zur Beichte rennen muss, sehr zum Leidwesen seines eigentlich entspannten Beichtvaters. Besonders belastet es ihn seiner Ehefrau gelobt zu haben das Rauchen dran zugeben, aber während seines stressigen Alltages immer wieder zu den Zigaretten zu greifen. Nebenbei wird er noch andauernd von einem Abwerber von Lockheed damit bedrängt, doch im Diensten des Unternehmens eine sehr lukrative Stelle anzutreten. Diese soll weniger Stunden und eine ernsthafte Aufgabe beinhalten. Auf die Frage, wie ernsthaft diese Aufgabe denn sei zeigt dieser finstere Herr Eddie ein Bild von einem Wasserstoffbombentest auf dem Bikiniatoll. Spätestens wenn er Eddie eine Zigarette anbietet, ist klar, der Typ ist niemand anders als der Teufel.

Historischer Wahnsinn und Wasserballett

Die Coens sind einfach die Coens und können (oder wollen) nicht darauf verzichten reale Ernsthaftigkeit ins Absurde umzudrehen. Im Irrenhaus Hollywood ist die kommunistische Bedrohung nichts anders als eine kleines Randspiel des kalten Krieges, in dem ein Schauspieler abgeworben werden soll um den „Soviet Man“ zu mimen. Jener Star ist liebenswürdig und kreuzdumm. George Clooney scheint bei den Coens einfach den Idioten gepachtet zu haben. Obendrein muss er die gesamte Laufzeit ein völlig bescheuertes Zenturio-Kostüm nebst noch bescheuerterem Haarschnitt tragen. Seine Entführer machen sich auch direkt daran ihn in marxistischen Grundsätzen zu schulen, was durch niemand anderen als Dr. Herbert Marcuse (der zwar als Professor Marcuse angeführt wird, aber der Bezug und das Aussehen von John Bluthal sind eindeutig).

Auf diese Art gerät „Hail, Caesar!“ immer wieder in die gefährliche Nachbarschaft von revisionistischen Streifen wie „1941“, „Crimewave” und „The Hudsucker Proxy”, aber die Coen-Brüder sind einfach zu sicher im Stoff um Witze daneben zu setzen — auch wenn diese sicherlich nicht von jedem verstanden werden.

Selbst wem diese Details entgehen (oder wer sie einfach ignoriert), dem kann „Hail, Caesar!“ noch immer eine Menge Freude bringen. Die Mechanismen der Handlung laufen sauber ineinander über wie ein gutes Uhrwerk, Pastiche alter Hollywoodstreifen tauchen an allen Ecken auf und münden in komplett abgedrehten Umkehrungen. Es sind Albernheiten wie die unschuldig-homoerotische Musical-Nummer „No Dames“ mit einem großartigen Channing Tatum, die annähernd pornographische Darstellung einen spritzenden Wales in Johanssons Wasser-Revuee und weitere, die eigentlich nur von Ehrenreichs singenden Cowboy in den Schatten gestellt wird. Dass die beiden Coens absolute Fans der Technicolor Musicals von Michael Powell und Emeric Pressburger sind, lässt sich jetzt endgültig nicht mehr bestreiten, auch wenn dies eventuell schon durch „The Big Lebowski” sehr deutlich geworden ist.

Fazit

„Hail, Caesar!“ vermittelt zu Teilen genau die Dialektik, die Marcuse Baird erklärt, verlangt aber zum kompletten Verständnis vom Zuschauer diese auch direkt anzuwenden. Eddie Mannix ist eigentlich ein guter Mann, der sehr gut in seinem Job ist. Aber durch seine Job entsteht nichts Gutes. In seinem Fall sind es schlechte Filme. Schlechte Filme wiederum unterhalten die Masse, aber helfen auch dabei sie zu unterdrücken und am Denken zu hindern. Nicht auszudenken, was Eddie in einem ernsthaften Job mit seiner Hingabe anrichten könnte. Natürlich hilft bei den Coens nur Akzeptanz (trotz aller Dialektik), aber es ist in „Hail, Caesar!“ in jedem Menschen der natürliche Instinkt etwas Gutes zu tun. Wer „The Big Lebowski“ oder „O Brother, Where Art Thou?“ auf eine hintergründige Weise genossen hat, dem und der sei „Hail, Caesar!“ unbedingt ans Herz gelegt.

Bewertung: 5 von 5 Sternen*****

Filmritik von Julius, 18.02.2016