Filmkritik zu Macbeth

  

Kaum ein Stoff wurde so oft adaptiert, interpretiert und verwurstet wie Shakespeares“Macbeth“. Nun haben sich der australische Filmemacher Justin Kurzel n Kombination mit niemand anderem als Michael Fassbender und Marion Cotillard an die schottische Tragödie herangewagt.

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Macbeth ist ab dem 29.10.2015 im Kino zu sehen. Mehr Info hier.

Ein Mann für menschliche Tiefen

Wenn sich Justin Kurzel eines Stoff wie Shakespeares „Macbeth“ annimmt, dann scheinen sich auf den ersten Blick die Richtigen gefunden zu haben. Der Australier Kurzel hat sich 2011 den Ruf als Mann für menschliche Abgründe und blutige Verbrechen mit seinem brutalen und schonungslosen Krimi-Drama „Die Morde von Snowtown“ fundamentiert. Seine Art eine Erzählung aufzubauen, hat ihm sicher auch den Zuschlag für die Regie des Assassin's Creed Films eingebracht. Shakespeares „Macbeth“ nun, eine finstere Geschichte um einen adligen Highlandkämpfer (Michael Fassbender), der sich von seiner gnadenlos ambitionierten Gemahlin (Marion Cotillard) zum Herrschermord anstiften lässt, ist nach vielen Belangen eine Art Urtyp des düsteren, fast schon noirhaften Thrillers. Hier bleibt keine Handlung ohne Konsequenz und über den Verlauf des Dramas geht es nur bergab, während sich Wahn und Besinnungslosigkeit mit blutigen Morden die Hände zum Tanz reichen.

Blutige Highlands

In Kurzels „Macbeth“ zerren die Drehbuchautoren Jacob Koskoff, Michael Lesslie (auch Schreiber für „Assassin's Creed) und Todd Louiso die Geschichte aus klaustrophobischer Kulisse ans Licht. Wobei Licht durchaus in relativem Kontext betrachtet werden darf. Viel spielt sich auf der Bühne der weiten schottischen Hochebene statt. Fast kommt durch diese Weite der Eindruck einer Schrumpfung der Handlung, jedoch erfährt alles wieder eine drückende Einschränkung dadurch, dass dieser Macbeth nie vom Schlachtfeld trennt. Die Autoren gehen in dieser Hinsicht soweit, dass sie recht früh im Filme das shakespearsche „heath“ (als Wort für eine karge Ebene) durch „battlefield“ ersetzen. Über diesem irdischen Schauplatz von Tod und Untergang verfinstert sich der Himmel in blutiges Rot während sich die Weite nehmender Nebel herabsenkt.

Shakespeare, im Gegensatz zu Lesslie und Co, war stets bemüht selbst in seinen dunkelsten Tragödien immer einen Charakter für den Comic-Relief einzubauen. Dieser Macbeth aber ist todernst — und so musste der schlaue Porter schon während der Arbeiten am Drehbuch dranglauben. Dafür gibt es, im Takt der so mit Macbeth wie mit wohl keinem anderen literarischen Charakter verbandelten Trommel, einen fesselnden Moment nach dem nächsten, abgewechselt scharfen und gewitzten Einsichten. Macbeth bietet Schlachten im Zeitlupe und kunstvolle Blutfontänen, wie es zuletzt Akira Kurosawas Adaption des shakespearschen Bestsellers in „Das Schloss im Spinnenwald“ beeindruckend auf die Leinwand brachte. Einzig die in der OV immer wieder auftretenden Merkwürdigkeiten im Zungenschlag des internationalen Casts sorgen auf Seiten des Gehörs für leichte Verwirrung. Ein wenig scheinen sie zu einem anderen Film gehören zu wollen.

A Drum, a drum the Macbeths do come

Michael Fassbender und Marion Cotillard als Macbeth und Lady Macbeth geben auf der Leinwand ein absolutes (Alp)Traumpaar ab. Die beiden Ausnahmedarsteller versprühen Charisma in jeder Szene. Fast ein wenig mehr als es der Film und ihre Rolle zulassen. Wie von ihr gewohnt gelingt es Cotillard in „Macbeth“ erneut enorm viel durch ihre Mimik auszusagen ohne auch nur ein einziges Wort von sich zu geben. Fassbender kommt zwar weniger gut mit Macbeth Introvertiertheit, Verletzlichkeit und seinen Zweifeln klar, aber stemmt dafür die manischen Episoden, die Wutausbrüche und die Paranoia seines Charakters mit Links. Dies äußert sich bisweilen sogar in fast animalischen Aufschreien hinter von Shakespeare gesetzten Ausrufzeichen.

Einiges in Kurzel Interpretation des Klassikers erfährt für Zuschauer, die mit dem Drama vertraut sind, einen interessanten, neuen Blickwinkel. Einiges davon scheint beinah mit Fassbender und Cotillard vor Augen angepasst worden zu sein. So nimmt sich dieser „Macbeth“ als erstes der Frage um die Kinderlosigkeit des Paares an. Die Antwort zementiert auch zugleich die charakterliche Begründung für einige Verhaltensauffälligkeiten der Dame. Die Trauer um das Kind verwandelt sich im mörderische Ambition und auch ihr merkwürdiges Verhältnis zum Stillen erscheinen in einem anderen Licht.

Macbeth wiederum verbindet die Qualen seiner Frau direkt mit den drei Hexen, welche es geschickt wissen seinen aggressiven Machismo auszunutzen. Im Falle von Macbeth selber äußert sich Kurzels Würzung der Vorlage sehr anschaulich anhand der Ansprache des Protagonisten nach seinem Mord an Duncan (David Thewlis). Immer wieder werden Macbeth Worte als aufgesetzt dargestellt, als etwas, dass er so nicht meinen will, aber von dem er dennoch mit Schrecken erkennt, dass er es selber inzwischen glaubt. Kurzel nun lässt seinen Macbeth diese Worte direkt in das fassungslose Gesicht von Duncans Erben Malcolm (Jack Reynor) sprechen, den blutige Leichnam noch neben sich. Dieser Macbeth ist auf Konfrontation aus. Er versinkt mit Anlauf in seiner Psychose und Wahn. Wie im kompletten Film wird Macbeth von Wut und geräuschvoller Kulisse getragen. Ein Schlachtfeld eben, innen wie außen. Doch nicht ein Ton ist ohne Bedeutung. Sicherlich nicht die subtilste Interpretation, aber eine die in vielen Belangen passt.

Fazit

Kurzels „Macbeth“ weicht die Handlung nicht auf. Er will weder eine akkurate Darstellung sein, noch ein historisch korrektes Zeitbild. Mit hochwertiger Optik, starker Bildsprache und einen exzellenten Cast will er ein stimmiges Charakterbild des mordenden und von Erscheinungen gequälten Paares zeichnen. Dies gelingt Kurzel hervorragend. „Macbeth“ ist sicherlich kein Stoff, den sich jeder Kinogänger einfach so ansehen würde. Aber es ist ein Film, der seine Zuschauer belohnt und fesselt. Nur zur Aufbesserung der eigene Laune an grauen Herbsttagen eignet er sich nicht ansatzweise.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 27.10.2015