Filmkritik zu Sicario

  

Je mehr sich 2015 seinem Ende nähert, desto höher wird die Schraube in Actionangelegenheiten auf den Kinoleinwänden geschraubt. Zwar steht langsam nur noch der neue Bondfilm aus, aber aus den Schatten der mexikanischen Drogenkartelle und undurchsichtigen US-Machenschafften schält sich der neue Thriller von Denis Villeneuve mit dem Titel „Sicario“ heraus und weiß deutliche Signale nicht nur in Fragen von hochwertiger Darstellung zu senden.

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Kinostart am 01. Oktober 2015: Sicario. Mehr zum Film hier. (Bilder, Trailer, Plakat und Infos)

Ein Blick in den Abgrund

Das in Mexiko seit den 90er Jahren ein blutiger Krieg tobt, dürfte nur schwer an aufmerksamen Menschen vorbeigekommen sein. Allerdings sind die Ausmaße und die Beteiligung der USA in diesem Konflikt vom Format eines veritablen Bürgerkriegs hierzulande sicher erheblich weniger verbreitet. Zwar waren die Ausläufer im Krieg zwischen Kartellen, Federales, Polizisten, dem mexikanischen Militär, Paramilitares und mehr als nur einer Behörde der USA vor 2 Jahren vermehrt in der Presse zu lesen, aber die Meldungsschwemme flaute schnell wieder ab. Nicht zum ersten Mal, denn auch in Mexiko ist das Thema mehr als nur einmal aus den Medien verschwunden. Grund dafür ist der extreme Druck, der von bewaffneten Banden, den Kartellen und der Regierung auf die Presse ausgeübt wird. Aber auch „north of the border“ ist der schmutzige Drogenkrieg keine Angelegenheit, mit der sich, abseits von Fiktion, allzu gern beschäftigt wird. Allein die offiziell in den Konflikt gesteckten Summer belaufen sich auf über 2 Milliarden US-Dollar, hinzu kommt die Unterstützung mit Personal und Ausrüstung, ohne das sich in bald 25 Jahren Krieg eine dauerhafte Entschärfung oder gar Lösung abgezeichnet hätte.

„Sicario“, der neue Actionthriller von Regisseur Denis Villeneuve, der bereits mit „Prisoners“ und „Enemy“ in den vergangenen Jahren Erfolge sowohl an den Kassen als auch bei den Kritikern und Preisverleihern feiern konnte, setzt sich nun mit diesem Thema im Stile von Michael Mann („Heat“, „Collateral“) auseinander. Das Drehbuch dazu liefert der vom Schauspieler zum Autoren gewechselte Taylor Sheridan. Sheridan ist den meisten sicherlich als als Deputy David Hale aus Kurt Sutters Kultserie „Sons of Anarchy“ bekannt.

„Sicario“, das mexikanische Wort in der Sprache der Unterwelt für einen Killer im Dienste der Kartelle, ist natürlich nicht der erste Film, der sich dem Thema widmet. Nördlich und südlich der Grenze zwischen USA und Mexiko spielten schon diverse Filme. Oberflächlich betrachtet versuchen Villeneuve und Sheridan dabei ebenfalls keinen neuen Weg zu gehen. Aber ihre harte Erzählung bekommt schon allein dadurch einen neuen Twist, dass sie eine ernstzunehmende Frauenrolle an allererster Position installieren.

South of the Border

Diese Dame ist FBI Special Agent Kate Macer (Emily Blunt). Bereits in der druckvoll und fesselnd inszenierten Eröffnungssequenz entdecken sie und ihr Einsatzkommando 42 Leichen in den Wänden eines Hauses am Stadtrand von Phoenix. Die Mission bringt ihr nicht nur eine leichte Kopfverletzung ein, sie lässt sie auch auf dem Radar von Geheimdienstmitarbeiter Matt Graver (Josh Brolin) auftauchen. Der undurchsichtige Agent bietet ihr an Teil einer Spezialeinheit zu werden. Sowohl aus purer Neugierde als auch mit dem Bedürfnis eine Veränderung im Kampf gegen die übermächtig erscheinenden Kartelle zu erwirken nimmt sie das Angebot zusammen mit ihrem jungen Kollegen Reggie (Daniel Kalluya) an.

Doch in Mexiko entpuppt sich die Lage schnell als erheblich komplizierter, als sie auf der us-amerikanischen Seite der Grenze zu sein scheint. Stets an der Seite von Graver bewegt sich der ehemalige kolumbianische Staatsanwalt Alejandro (Benicio Del Toro). Dieser steht in Sachen Undurchschaubarkeit seinem amerikanischen Partner um nichts nach. Spätestens wenn sich die Sondereinheit ohne jede rechtliche Begründung das hochrangige Kartellmitglied Guillermo (Edgar Arreola) in Juarez schnappt, wird klar, dass in Mexiko Regeln gelten, die den Konflikt gegen den internationalen Terrorismus in Sachen Schmutzigkeit in Nichts nachstehen.

Als dann das Team dem lokalen Vorsteher des gefürchteten Sinola-Kartells, Manuel Diaz (Bernado P. Saracino) zu Nahe kommt, eskaliert die Lage vollends.

Teamarbeit

Villeneuves Inszenierung ist extrem furios, ohne dabei auf hervorragende Erzählung zu verzichten. Zusätzlich punktet „Sicario“ durch die brillante Kameraarbeit von Roger Deakins, der bereits „Skyfall“ seinen Stempel aufdrückte und mit dem Villeneuve schon „Prisoners“ drehte. In weiten Teilen erinnert „Sicario“ an die Neo-Noir Filme von Michael Mann, übertrifft diese jedoch immer wieder. Villeneuve hält sich dabei zwar an den genretypische Machismo, mitsamt der zu erwartenden fatalistischen Einzeiler, die in dem von Männern mit recht breitem Stand dominierten Genre üblich sind, schmuggelt aber mit viel Geschick eine Frau in die Mitte des Geschehens und rüttelt die Spielregeln derartiger Filme ordentlich durch.

Leicht machten es die Studiobosse ihm jedoch nicht. Villeneuve musste hart für die weibliche Hauptrolle kämpfen und konnte sich erst mit der Verpflichtung von Emily Blunt durchsetzen. Blunt hatte immerhin bereits in „Edge of Tomorrow“ eine toughe Amazone gemimt, die sowohl durch Härte als auch durch Gefühl einen runden Charakter ergab. Noch einmal deutlich stärker gelagert liefert sie ihr Spiel als Kate Macer ab. Die Herren an ihrer Seite müssen dem gegenüber zwar ein wenig zurückstecken, wissen aber ebenfalls zu überzeugen. Auch wenn Brolins Charakter Graver etwas von Klischees in Sachen Coolness und Machismo überladen scheint, so kann Brolins charismatisches Spiel dennoch überzeugen. Benicio Del Toro wiederum ist erneut sattelfest und mitten in seinem Element. Als moralisch flexibler Finsterling in Dienste einer vermeintlich guten Sache unterstreicht seine Performance deutlich in welche moralischen Abgründe der Krieg gegen die Drogen die USA bereits geführt hat und vermutlich noch führen wird.

Fazit

„Sicario“ kann in dem vor Actionstreifen nur so summenden Kinojahr sich ganz weit oben in der Rangliste einordnen. Der Film ist fulminant und fesselnd, hat eine sauber herausgearbeitete Tiefe und schafft es die grenzüberschreitenden (und unterschreitenden) Auswirkungen eines schmutzigen Kriegs auf mehr als einer Ebene anschaulich darzustellen. Selbst die abgeschmackten Genreklischees können „Sicario“ nichts wesentliches anhaben. Wen Filme wie „Heat“, Oliver Stones „Savages“, „Traffic“ oder Bücher wie Don Winslows „Das Kartell“ und „Tage der Toten“ nicht losließen, der und die wird hier mehr als nur zufrieden den Kinosaal verlassen.

Bewertung: 5 von 5 Sternen. *****

Filmkritik von Julius, 01.09.2015