Filmkritik zu The Big Short

  

Betrachtet man die umwälzenden Ereignisse der letzten 10 Jahre, so ist die 2008er Finanzkrise sicherlich dasjenige, welches am wenigsten verstanden wurde. Erklärungen aus Hollywood gab es, abseits der nüchternen, aber extrem sehenswerte Dokumentation „Inside Job“ vor allem in dem Boiler-Room Drama „Der große Crash — Margin Call“. „The Big Short“ nimmt sich genau diesem Thema an, liefert dazu allerdings sicherlich die radikalste Erzählung.

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The Big Short: Ab dem 14. Januar 2016 in den deutschen Kinos zu sehen.

Einstürzende Neubauten

Wo sich andere Filmemacher in komplizierten Erklärungen um VWL und BWL verlieren würden, baut „The Big Short“ auf durch Koffein beschleunigte Sequenzen und pure Farce. Irgendwo zwischen gestalterischen Anleihen aus Musikvideos, Comdey-Clips und dem TV-Vorbild „The Office“ (für diejenigen, an denen es vorbeigegangen sein sollte: Der Vorlage für „Stromberg“) setzt Regisseur Adam McKay auf eine große Dosis Säure. Zwar sind nicht alle wichtigen Kreuzungen des Films für Uneingeweihte auf Anhieb zu verstehen, trotz harter Erklärungen, aber der Film wird nicht müde in Geschwindigkeit zu bleiben und mit keynesianischem Fachwissen um sich zu werfen, während er gewaltig unterhält, bis auch die letzte Reihe verstanden hat, was die Stunde schlägt.

Basierend auf Michael Lewis „The Big Short: Inside the Doomsday Machine“ („The Big Short. Wie eine Handvoll Trader die Welt verzockte“) rollt McKays Film die Entwicklungen des globale Zusammenbruchs der Märkte durch die Augen jener auf, die diese Katastrophe kommen sahen — und die Möglichkeit erkannten aus diesem Wissen Profit zu schlagen.

Da wäre zunächst einmal der Börsenzauberer Michael Burry (Christian Bale). Er ist ein Genie mit Mangel an Manieren, der sein Büro gerne barfuß abschreitet. Ihm fällt als erstes auf, dass Sicherheiten und Hypotheken mit günstigen Finanzierungen für Häuser am us-amerikanischen Immobilienmarkt nicht gut gehen können und setzt Milliarden seiner Investoren auf Gebote gegen den Markt.

Dieser scheinbar wahnwitzige Plan wühlt die Wall Street auf und bringt den Banker Jared Vennett (Ryan Gosling) auf den Plan. Dieser ist ein Schleimbeutel wie er im Buche steht und fungiert zugleich als der nicht mit Beschimpfungen sparende Erzähler von „The Big Short“. Mit ihm kommen der von Selbsthass zerfressene und ständig in die Luft gehende Hedge-Fond Manager Mark Baum (Steve Carell), sowie die Börsen-Padawane Charles Geller (John Magaro) und Jamie Shipley (Finn Wittrock) an Bord. Doch erst durch einen geläuterten Bankier und New-Age-Hippie (Brad Pitt) kommt das ungleiche Team erst an die wirklich dicken Fische.

Besser nicht Mr. Nice-Guy

Schauspielerisch spielt der Cast auf hohem Niveau, aber trotz aller Spielfreude ist es einzig Steve Carell, der es schafft einen wirklich hervorstechenden und überzeugenden Charakter abzuliefern. Irgendwie scheinen alle anderen ein wenig Scheu mit zu bringen, Menschen darzustellen, die tatsächlich bereit sind, sich an einer globalen Katastrophe zu bereichern. Wobei dies auch ein wenig am Drehbuch liegt, denn trotz aller Satire und aller sauren Noten, will dieses seine Helden als sympathische Typen präsentieren. Und das, obwohl sie eigentlich nur etwas schlauer und abgezockter waren als alle anderen Spieler am Markt, dessen Untergang so viele in den Ruin stürzte.

Die Menge an Charakteren in „The Big Short“ ist dann aber noch lange nicht die einzige Hürde, die McKay stemmen musste. Neben dem Cast in der ersten Reihe finden sich noch gewichtige Rollen für Marisa Tomei, Hamish Linklater, Jeremy Strong und einige andere. McKay muss das Publikum immer wieder durch Begrifflichkeiten der Märkte lotsen, die teilweise wie Hexenkunst wirken. Mal greift er zu Texten auf der Leinwand, mal stoppt er die Handlung um komplexe Sachverhalte durch die Worte ausnahmslos attraktiver Promis erklären zu lassen. Dazwischen verbinden sich fast willkürlich anmutende Sequenzen dank der Schnittarbeit von Editor Hank Corwin zu einem mehr und mehr verständlichen Gesamtbild.

Humor ist wenn man trotzdem lacht

Betrachtet man dazu McKay vorherige Arbeiten wie „Talladega Nights“ und „Anchorman“, so ist „The Big Short“ von diesem sehr weit entfernt. Hin und wieder verfällt er in bekannt Direktheiten durch Nebencharaktere, wird aber besonders gen Ende immer ernster, verlässt im letzten Akt auch fast jede metaphorische Ebene und tauscht diese gegen blanken Zynismus.

Grade diese extrem realistische Wendung, der reale und weltumspannende Hintergrund der Handlung in Kombination mit den überzeichneten Charakteren sind aber genau das, was „The Big Short“ zu einen besonderen und besonders guten Film machen. Er macht immer wieder das deutlich, was auch die Doku „Inside Job“ mit dicken Strichen unterstreicht: In den Büros der Börsenjongleure dieser (und sicher noch immer auch jetziger) Tage sitzen Menschen, die sehr weit weg von der Welt Normalsterblicher sind. Menschen, die keine ihrer Schandtaten gestehen, sondern mit diesen angeben und hausieren gehen.

Fazit

„The Big Short“ ist kein Film, der einfach nur unterhalten will. Er belehrt. Von daher ist er sicherlich nicht für jeden gemacht. Sein Witz ist teilweise ähnlich überdreht wie Scorsese „The Wolf of Wall Street“, aber, aller Geschwindigkeit zum Trotze und abseits aller Referenzen an die Popkultur, ist er ein Stück Arbeit für sein Publikum. Allerdings eines, das den Zuschauer belohnt, so er und sie denn Aufmerksamkeit und Willen für Erkenntnis mit in den Kinosaal bringen

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 02.12.2015