Filmkritik zu The Boy

  

In der Ruhmeshalle der gruseligen Puppen, von Talky Tina über Chucky bis hin zu Annabelle aus „The Conjuring“, ist es oftmals die Idee, dass ein unbelebtes Spielzeug zum Leben erwachen und Tod und Vernichtung säen könnte, die deutlich schauriger ist, als das tatsächliche Umsetzen dieser blutigen Taten. Hier liegt die wahre Schwierigkeit von Horror: Grusel daraus zu ziehen, ein Kinderspielzeug in eine schreckliche Bedrohung zu verwandeln ohne das Publikum in dümmliches Gekicher ausbrechen zu lassen auf Grund der albernen Vorstellung.

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The Boy - ab dem 18. Februar im Kino.

Oh „The Boy“

Genau dies aber ist der unglückliche (aber immerhin unfreiwillig komische) Fall in „The Boy“. Hier helfen weder die düstere Atmosphäre, noch die spielfreudigen Performances der Darsteller darüber hinweg, dass der Streifen schlicht und ergreifen extrem dumm ist.

Lauren Cohan („The Walking Dead“) gibt sich wirklich alle Mühe ihre Rolle mit Ernst zu erfüllen, trotz aller unplausibler Drehungen und Wendungen. Sie spielt Greta, eine schöne und junge US-Amerikanerin, die in ein entlegenes britisches Dorf reist, um dort einen Job als Nanny für einen 8-jährigen Jungen anzutreten. Allem Anschein nach scheint sie in der Heimat ein schwieriges, romantisches Verhältnis zurückgelassen zu haben und dringend einen Tapetenwechsel zu benötigen. Was sie aber findet ist nicht nur weit von der Heimat weg, sondern weit weg von so ziemlich allem. Als sie vom Chauffeur vor dem Heelshire Manor abgesetzt wird, einem düsteren und alten Gemäuer, merkt sie an: „Das ist etwas, wie aus einer Erzählung, oder?“ Und ja, so eine Hütte kommt in nun wirklich jeder klassischen Geistergeschichte vor. Komplett mit verwildertem Garten, dunkeln Treppenhäusern, geheimen Gängen und dem eigenen Gespenst.

Von den Hausbewohnern, den strengen und noch strenger gekleideten Heelshires (Schauspielveteranen Jim Norton und Diana Hardcastle), die mehr wie die potentiellen Großeltern, denn wie die Eltern eines 8-jährigen Jungen wirken, erhält sie dann auch eine genau zu befolgende Liste an Regeln. Und sie trifft besagten Jungen, der kein Junge ist, dafür aber eine Puppe mit Garderobe in Form von Mini-Anzügen und Mini-Strickjacken und glasigem Blick. Für die Heelshires ist die Puppe namens Brahms ein lebendes und atmendes Kind. Sie reden mit ihm, sie füttern ihn. Sie tragen ihn die Treppen rauf und runter, spielen ihm klassische Musik vor und stecken ihn am Abend ins Bettchen.

Inhaltsrätsel

„Oh, Brahms, du musst doch grade sitzen,“ herrscht ihn seine „Mutter“ irgendwann sanft an. Später gurrt sie, „Mutter ist so stolz auf dich.“ Aller Wahrscheinlichkeit soll das Verhalten der vermeintlichen Eltern verstörend wirken. Haben die noch alle Puppen im Haus oder sind die beiden zutiefst dem Wahnsinn verfallen? Und Greta, des Zuschauers Identifikationsfigur, verleiht all der Skepsis und all den Befürchtungen in dieser bizarren Situation Ausdruck. Aber sie braucht das Geld und deswegen bleibt sie und tritt den Job an. Wie sie in ihrer Heimat, ein kleines Nest in Montana DIESEN Job überhaupt gefunden hat, dass bleibt dabei leider ein Rätsel. Die Heelshires haben nämlich weder Internet noch irgendeine Form von Netz. Sie haben schon vor Dekaden den regelmäßigen Kontakt zur Außenwelt abgebrochen.

Der einzige andere Angestellte des Paares ist Malcolm (Rupert Evans), ein witziger und flirtesker Typ, der für den Heelshires alle Besorgungen erledigt und Verdächtiger Nummer Eins für die Aufgabe des Inserats in Montana ist. Sein Anwesenheit ist entsprechend der von Greta das große Mysterium in „The Boy“. Wer ist er, warum vertraut ihm das wirre Paar, hat er ein Privatleben abseits der wöchentlichen Besuche im Anwesen? Ohne Spoiler anzusteuern: dies ist nur ein Bruchteil der Fragen, die das Drehbuch von Stacey Menear aufwirft. Immerhin ist Malcolm so freundlich Greta und die Zuschauer über die Hintergründe von Puppe und komischen Alten zu erhellen. Der echte Brahms starb vor 20 Jahren in einem Feuer an seinem achten Geburtstag und die Puppe muss nun als Ersatz herhalten.

Abseits der Schrägheit also alles ganz harmlos — zumindest bis die Heelshires nach 20 Jahren doch mal in den Urlaub wollen und Greta alleine mit Brahms daheim lassen. Plötzlich verschwinden Dinge aus ihrem Besitz und tauchen anderorts wieder auf, sie hört Kinderlachen und andere Schaurigkeiten in den Gängen von Heelshire Manor. Die Puppe selber aber bewegt sie keinen Meter (zunächst), doch irgendwas geht eindeutig nicht mit rechten Dingen zu.

Nichts Neues in Heelshire Manor

Regisseur William Brent Bell schafft es eine Handvoll an spannenden Momenten zu erschaffen, einen davon installiert er in der üblichen finsteren Sturmnacht. Aber zum Großteil kann sich „The Boy“ nicht dafür entscheiden gradliniger Grusel sein zu wollen, ein wenig Spaß mit der absonderlichen Situation zu treiben oder direkt im Revier von Guillermo Del Toros Schauermär „Crimson Peak“ zu wildern. Stattdessen versteift er sich massiv auf billige Jump Scares, Alptraumsequenzen, Dialoge, die zum Lachen anreizen wollen (aber es nicht sollen) und ein finsteres Haus. Leider, aber wohl weil nicht beabsichtigt, schafft er nicht einmal dies zu übertreiben und so taugt „The Boy“ nur mit viel Toleranz als heimliches Vergnügen. Den finalen Todesstoß bekommt die Handlung dann durch den enttäuschenden und aufklärenden letzten Twist versetzt. Die Erklärung entpuppt sich als so große Enttäuschung wie der vermeintliche Höhepunkt der Spannungskurve. Als letzte große Drohung verbleibt die Aussicht auf ein Sequel.

Fazit

Hörte das vergangene Jahr auf Seiten des Horrors ansehnlich auf mit Filmen wie „The Hallow“, „Bashkin“ und „Krampus“, so legt es mit „The Forest“ und „The Boy“ wieder richtig schwach los. Immerhin kann es nur noch schwer schlimmer werden.

Bewertung: 1 von 5 Sternen.*

Filmkritik von Julius, 02.02.2016