Filmkritik zu The Gift

  

Solide Thriller, ganz unaufgeregt und langsam erzählt, scheinen eher etwas fürs Fernsehen, anstatt fürs Kino zu sein. Dieser Gedankengang ist natürlich Unsinn und „The Gift“ macht dies auch mit viel Gefühl ohne aufdringlich zu sein deutlich. Umso aufdringlicher ist dafür der Antagonist des Films.

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The Gift startet am 26. November in unseren Kinos. Noch mehr Infos zum Film hier.

„Ich fürchte die Danaer...“

In „The Gift“ haben im ersten Drittel Simon (Jason Bateman) und seine Frau Robyn (Rebecca Hall) ein sehr unangenehmes Abendessen mit Simons lange nicht gesehenem Mitschüler Gordon (Drehbuchautor und Regisseur, sowie einer der Hauptdarsteller in Personalunion: Joel Edgerton). Als dieser Abend beendet scheint, wendet sich Simon seiner Frau zu und fragt: „Kam er dir merkwürdig vor?“ Jeder Zuschauer von „The Gift“ wird diese Frage mit einem heftige Nicken beantworten wollen. Doch diese Merkwürdigkeiten sind in „The Gift“ weder der Anfang, noch die Spitze des Eisbergs. Sie sind allerdings definitiv auf der harmlosen Seite. Genau diese Merkwürdigkeit an und um Gordo ist jedoch schwer festzumachen. Ist es der stumpfe Schein seiner Augen? Ist es sein mysteriöses Verhalten andauernd Geschenke zu hinterlassen? Ist es sein unangekündigtes Auftauchen? Ist es bloß, weil er Simons Freundschaft sucht, obwohl sich dieser an seinen ehemaligen Mitschüler nicht zu erinnern scheint? Was treibt ihn an? Was hat er vor? Einer der „The Gift“ im Bewegung haltenden Spannungsbögen sind die Antworten auf genau diese Fragen. Und das die Antworten nur zögerlich gegeben werden und sich die Wahrheit langsam wie eben jene Merkwürdigkeiten zu immer schlimmerem auswachsen.

„...auch wenn sie Geschenke bringen.“

Edgertons Drehbuch funktioniert in dieser Hinsicht auch extrem effektiv. Er zeigt uns wie das Paar Simon & Robyn auf das Eindringen einer dritten Person reagiert und was passiert, wenn durch diese Person Unsicherheiten und Zweifel in eine Ehe gebracht werden. Nach und nach scheint sich in „The Gift“ die Luft zu vergiften. Jeder und jede ist davon betroffen. Für die Protagonisten ist der Grund nicht immer leicht auszumachen, als Zuschauer hat man schnell der Schuldige gefunden. Auf diese Art ist „The Gift“ Filmen wie „Eine verhängnisvolle Affäre“ und „Kap der Angst“ nicht unähnlich. In Bezug auf das Eindringen in ein fremdes Leben und der Bedrohung von familiärer Einigkeit durch einen Außenseiter hat „The Gift“ sogar leichte Züge von „Die Nacht des Jägers“.

Auch wenn „The Gift“ den ein oder anderen Schreckensmoment für Zuschauer und Protagonisten enthält, so bleibt der wahre Horror jedoch immer auf einer rein psychologischen Ebene und driftet nie ab. Schlussendlich bewegt sich die Handlung immer schnell auf Simon & Robyns Ehe zurück. Sie scheint in „The Gift“ unter konstantem Angriff langsam zu zerfallen. Aber was der wirkliche Grund dafür ist, enthüllt sich eben nur sehr langsam und scheint immer tiefer in der Vergangenheit verordnet zu sein — wenn es denn überhaupt einen Grund gibt.

Eigentlich läuft für die beiden nämlich einiges ganz gut. Sie sind aus dem kühlen Chicago ins sonnige Los Angeles gezogen, weil Simon einen vielversprechenden Job in einer hiesigen Security Firma bekommen hat. Robyn wiederum ist eigentlich freiberufliche Designerin, aber aus einem zunächst nicht näher geklärtem Grund scheint sie unzufrieden mit ihrem Leben zu sein. Die beiden wollen gemeinsam eine Familie gründen. Simon möchte seine Frau glücklich machen und glücklich sehen, egal was sie für das gemeinsame und eigene Leben plant.

Als sie ein paar Einrichtungsstücke für das neue und schöne Haus kaufen, treffen sie plötzlich auf Gordo. Unvermittelt stellt er sich Simon (wieder) vor. Allein dieser erste Auftritt hat etwas aufdringliches. Vielleicht liegt es daran, dass Gordo einfach einer dieser Typen ist, die sozial offensiv aber völlig linkisch erscheinen. Robyn, die später durch Simon als eine offenherzige Person bezeichnet wird, ist erfreut einen Menschen aus der Jugend ihres Gatten zu treffen. Gordo allerdings wird ziemlich schnell zu einem Problem. Er taucht unangemeldet auf um Robyn zu besuchen, während Simon arbeitet. Er hinterlässt dem Paar Geschenke vor deren Haustür samt Widmung mit Smiley. Er ist aufdringlich, aber auf eine irgendwie ahnungslose Art. Simon gibt sich alle Mühe den Störenfried wieder aus seinem Leben zu drängen — und in Robyn keimt der Verdacht, dass zwischen den beiden Männern in der Vergangenheit etwas vorgefallen sein muss.

Ehrliches Handwerk

Diese Stimmung wird sehr gut durch die Kameraarbeit von Eduard Grau unterstützt. Die Kamera scheint mehrfach wie ein böser Geist über dem Dach des Hauses zu lauern. Sie schleicht durch die dunklen und leeren Flure von Robyn & Simons Haus. Die Räume in diesen Fluren sind stets schwer auszumachen, wirken im Schatten versunken. Wie ein unheimlicher Spanner schleicht sich die Kamera nach und nach an die duschende Robyn heran. Sie belauscht Simon & Robyn bei Gesprächen in der Küchen. Natürlich wird so das Rad nicht neu erfunden. Derartige Einstellungen gehören zum Standardrepertoire eines jeden Thrillers. Aber sie gehören ja nur deswegen dazu, weil sie auch funktionieren. Richtig angewendet funktionieren sie jedes Mal. Diese stilistischen Mittel wecken in uns eine Erwartung. Wenn dazu auf erzählerischer Seite in „The Gift“ noch merkwürdige Geschenke und sogar ein verschwundenes Haustier kommen, dann scheint langsam alles klar zu sein.

Auf der schauspielerischen Seite haben wir sehr viel Jason Bateman. Er ist eher für seine komödiantischen Rollen bekannt, liefert aber eine sehr schöne und fokussierte Performance als ein auf seine Frau bedachter Simon ab. Er schafft es Simon als freundlich und herablassend zu erscheinen, bisweilen sogar im selben Augenblick. Simon ist um Robyn besorgt und Gordos Auftauchen macht ihn wütend. Simon mag etwas ungeduldig sein, ist aber eigentlich witzig und rücksichtsvoll. Doch Gordo bringt in ihm unschöne Seiten zum Vorschein, die Robyn unbekannt waren.

Rebecca Hall als Robyn spielt offen und gefühlvoll. Sie scheint einen Schmerz in ihrem Leben zu haben, den sie aber größtenteils verarbeitet hat. Sich Gordo gegenüber freundlich zu verhalten und Verständnis aufzubringen, erscheint für sie das Richtige zu sein. Dabei aber erscheint sie naiv und zu vertrauensvoll. Als Zuschauer möchte man sie wieder und wieder schütteln und warnen.

Edgerton, neben seinen Aufgaben als Regisseur und Drehbuchautor, dreht bei Gordo alle Register zurück. Gordo ist ein sehr leiser Mensch. Edgerton schraubt fast alle offensichtliche Bedrohung zurück. Was bleibt aber, ist der Eindruck von Gefahr und eben ganz viel Merkwürdigkeit.

Fazit

„The Gift“ hat kleiner Längen, die jedoch gen Ende hin eher als „Aha!“ Momente erscheinen. Denn vieles ergibt erst zu späteren Augenblicken Sinn. Dabei jedoch erscheint nichts als Deus-ex-machina, sondern annähernd alles klug und selbsterklärend. Mit der Thematik des schrägen, sozial ungeschickten Typen kann sicherlich jeder und jede etwas anfangen. Jeder kennt so jemanden. Nur im Falle von „The Gift“ schleicht sich dessen Merkwürdigkeit in ein eigentlich beschaulich wirkendes Leben, bringt die Protagonisten um den Schlaf und lässt ihre Nerven reißen. Für Thriller- und Dramafans eine absolute Empfehlung.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 02.11.2015