Filmkritik zu The Huntsman & The Ice Queen

  

Irgendwer hat irgendwann der Menschheit mal den Sinnspruch „doppelt hält besser“ eingetrichtert und seit diesem Tag glaubt der eine Teil der irdischen Daumenträger fest daran, dass viel viel hilft. Wenn also die eine Märchenfigur einfach so aus dem Spiegel fällt und auch schon aus temporären Gründen unpässlich ist, dann müssen es eben zwei böse Hexen anstatt einer sein. „The Huntsman & The Ice Queen“, der Titel des „Snow White & The Huntsman“ Prequels hätte demnach eigentlich eher den Titel „The Huntsman & The Ice Queen & Her Sister“ verdient. Hilfreich ist dabei aber selbst die geballte Starpower von Charlize Theron und Emily Blunt auf Seiten der schwermagischen Schwestern für die Wirkung der spiegeligen Saga wenig.

huntsman icequeen Szenebild 01

The Huntsman & The Ice Queen ist ab morgen, 07.04.2016 in den Kinos zu sehen

Spieglein, Spieglein an der Wand....

Was auch immer nun der tatsächliche Grund der Abwesenheit von Kristen Stewards Snow White in dem Film ist, in dem, glaubt man dem deutschen Trailer, einfach mal wie zur Umgehung von Grimmschen Generierungen der Jägermann als „Huntsman“ und eventuelle andere Märchenfiguren mit ihren englischen Pendant benannt werden. Sozusagen das Anti-Game-of-Thrones. Wie so oft blieb uns zumindest diese Grausamkeit babylonischer Verwirrung erspart und es zwang sich der Originalton auf. Schneewittchen jedenfalls war hoffentlich einfach jeder Grund recht dem dümmlich-dünnen Drehbuch von Evan Spiliotopoulos und Craig Mazin so fernzubleiben wie die Mittagsstunde von der Mitternacht.

Bevor es mit dem und der Liebschaft zwischen dem jagenden Huntsman Chris Hemsworth und der von Katniss Everdeens Styleconsultant beratenden Huntsmannin Jessica Chastein heiß und dann kalt werden kann, erbarmt sich ein mürrischer und vielbeschäftigter Erzähler und bringt ein wenig Licht ins Dunkel. Denn bei „The Huntsman & The Icequeen“ handelt es sich — wer hätte es gedacht — nämlich um eine komplett andere Geschichte als ein Prequel zu „Snow White & The Huntsman“ erahnen lassen würde. Schnell stellt es sich als sogar zwei vermischte Geschichten heraus, das, sicher nicht ganz aus Versehen, sich in der Nähe eines sehr erfolgreichen Disneyfilms um fröstelige Damen befindet. Zwischenzeitig scheinen es sogar mehr als zwei Geschichten zu sein, denn im Falle von Chasteins everdeenscher Kriegerin Sara wird der Hintergrund des Charakters mindestens einmal ohne Not neu aufgerollt.

Obwohl schlüssige Handlungen offenbar überbewertet werden setzt der Eröffnungsakt ein paar Dekaden vor „Snow White“ ein. Es wird Ravenna (Charlize Theron) erneut eingeführt und wieder einmal dabei gezeigt, wie sie eine weitere Kerbe in ihre royale Schandtatenliste schlägt. Nicht nur kommt dabei ein schwarzmagisches Schachspiel zum Einsatz, nein, sie setzt sich auch direkt an die Spitze des Königreiches. Ihre Schwester Freya (Emily Blunt) hingegen ist ein sonnigeres Gemütchen. Magische oder politische Macht interessieren sie kein Stück, dafür hat es ihr ein junger Graf (Colin Morgan) angetan, dessen Kind sie unterm Herzen trägt. Als dies aber grausig schief läuft erwachen in ihr frostig hexerische Mächte. Ab geht’s ins eigene eisige Königinnenreich, ab jetzt wird an der dazugehörigen Armee gestrickt und Liebe ist für alle Zeiten und jeden in ihrem Herrschaftsbereich verboten. Menschliche Nähe ist fürderhin ein ganz eigenes Märchen.

...sag mir, wer hat dir das angetan?

Doch halt! Unter ihren politisch überhaupt nicht korrekten Kindersoldaten alias „The Huntsmen“ finden sich Eric und Sara, die sich im Laufe von „The Huntsman & The Ice Queen“ in Chastein und Hemsworth verwandeln werden. Es keimt Liebe zwischen den beiden auf in diesem eisigen Reich, doch Freya findet das natürlich schnell raus und straft mit gefriebrandiger Grausamkeit: Eric wird verbannt und hält Sara für mindestens schockgefrostet. Schockgefrostet sind ab dieser Stelle auch die Drehbuchautoren, denn die Handlung springt 7 Jahre in die Zukunft, Snow White hat keine Zeit, Ravennas spezieller Spiegel wird sowohl von Snow Whites Leuten und Freyas Handlangern gesucht, Eric macht sich für die verhinderte Kristen..äh..Snow White auf und begegnet plötzlich einer alten Bekannten. Das Abenteuer ist an Gradlinigkeit kaum zu toppen, allerdings fehlt völlig der Bezug zur angeblichen Dringlichkeit. Die muss aber dennoch so stark gewesen sein, dass Eric außer vermeintlicher Coolness nur wenig im Gepäck hat. Ein wenig Gegengewicht scheinen hier Nion (Nick Frost, schon in „Snow White“ Bartmurmler) und Gyff (Rob Brydon) als zwei von sieben Zwergen zu sein. Doch selbst dieses dynamische Duo funktioniert erst, als Zwergin Bromwyn (Sheridan Smith, Freunden der britischen Comedy sicher keine Unbekannte) hinzustößt. Sogar zwischen Hemsworth und ihr läuft mehr Chemie ab, als zwischen ihm und Chastein. Genau wie Kristen Steward kann diese super mit Bögen, hat aber sonst nicht viel, wurde ihr Charakter doch offensichtlich mit typisch hollywoodesker Einfallslosigkeit gestrickt. Dass Chastein mehr drauf hat, hat sie letztes Jahr in „Crimson Peak“ deutlich gezeigt.

Emily Blunt kommt leider auch nur bedingt hilfreich beim Publikum an. Zwar rettet sie etwas von Freyas Verletzlichkeit (wie für Blunt zu erwarten) auf die dunkle Seite der Macht hinüber, aber der Film interessiert sich schlicht und ergreifend nicht für derart unwichtige Details.

War's der Mann auf dem Stuhle aus Stoff und Holz?

Hier würde der Spiegel wohl ein deftiges Nicken von sich geben. Regieneuling Cedric Nicolas-Troyan war nämlich derjenige, der für „Snow White & The Huntsman“ für den Visual Effects Oscar nominiert war. Entsprechend gilt all sein Interesse nur der digitalen Zaubermacht: Lichstrahlen, Eisigkeit und allerlei synthetische Unterkühlheiten springen dem Zuschauer entgegen und lassen dennoch nicht vergessen, dass diesem Film etwas sehr wichtiges fehlt: nämlich Herz und bisweilen auch der Verstand.

Fazit

„The Huntsman & The Ice Queen“ liegt in allen Belangen weit unter „Snow White & The Huntsman“. Man muss schon absoluter Fan des ersten Teils sein um diesem seelenlosen Streifen etwas abgewinnen zu können. Einige wenige Highlights lassen einen ansonsten miesen und fast zwei Stunden währenden Winter nicht vergessen.

Bewertung: 2 von 5 Sternen

Filmkritik von Julius, 06.04.2016