Filmkritik zu Triple 9

  

Wenn John Hillcoat nicht bereits den Neowestern „Lawless” abgeliefert hätte, so würde „Triple 9“ eventuell diesen Titel tragen. Immerhin treffen in diesem Heist-Streifen fast ausnahmslos Männer und Frauen aufeinander, die von Gesetzen ungefähr so viel halten wie Fische vom Fliegen. Zentrum der Handlung ist eine Bande von ehemaligen Soldaten und korrupten Polizisten, die sich in einem finsteren, urbanen Labyrinth verirren, welches den Namen Atlanta trägt. Und in dem Neo-Noir Thriller gibt es keine Hoffnung auf Vergebung oder Erlösunng.

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Räuber und Gendarm

Alles in allem Zutaten, die Genrefans mit der Zunge schnalzen lassen. Wenn dann noch Namen wie Casey Affleck, Chiwetel Ejiofor und Kate Winslet an vorderster Front ins Spiel gebracht werden, besteht eigentlich die beste Chance für einen Blockbuster. Hillcoats erzählerische Gabe für auf niedriger Flamme gekochter Spannung mit brutalen Ausbrüchen von Gewalt in von Männern dominierter Szenerie passen ebenfalls gut ins Konzept. Doch „Triple 9“ schickt sich ab der ersten halben Stunde an Abkürzungen nehmen zu wollen, die mehr und mehr der Schlüssigkeit vernichten. Ein wenig, als ob „Triple 9“ jedes Mal, wenn eine Ecke geschnitten wird, einen Teil der filmischen Karosserie einbüßt und sich gen Ende schwer angeschlagen über die Zielgrade schleppt.

Allerdings muss man „Triple 9“ zu Gute halten, dass schon die Eröffnungssequenz deutlich macht, dass es mit erzählerischer Klarheit nicht so genau genommen werden wird. Es ist diese Düsternis, die einen Teil der Sicht auf die inhaltlichen Details des Films nimmt, die Hillcoat sehr gut liegt. Das Publikum wird durch seine Erzählung gezwungen sich immer wieder vom eigentlichen Zentrum der Handlung abzuwenden. Dafür bekommt es direkt zu Beginn einen nicht von ungefähr an Michael Manns „Heat“ erinnernden Bruch geliefert: Eine Bande maskierter Täter will am hellen Tag eine Bank in Atlanta überfallen um den Inhalt eines Bankschließfachs zu erbeuten. Die sich diesem Verbrechen anschließende Schießerei auf einem Highway wird nicht nur Erinnerungen an Manns harten Großstadtthrill wecken, sondern auch an den erst kürzlich gestarteten „Deadpool“. Optisch ist besonders das unerwartete Auftreten von rotem Rauch im Fluchtwagen eine schön kontrastierende Bereicherung in der rasante Sequenz.

Wenn sich danach die Wolken ein wenig lichten, lernen wir die Männer hinter den Masken kennen. Es sind die zwei korrupten Bullen Marcuss Belmont (Anthony Mackie) und der bedrohliche Jorge Rodriguez (Szenendieb Clifton Collins Jr.), sowie die ehemaligen Soldaten Gabe (Aaron Paul) und Russell Welsh (Norman Reedus). Angeführt werden sie von Michael Atwood (Ejiofor), seines Zeichens Handlanger der „Kosher Nostra”, einer russisch-jüdischen Gangstergruppe angeführt von Irina Vaslov (Winslet). Letztere ist von dem Bruch aus der Eröffnung wenig begeistert und verlangt von den Männern einen weiteren Job. Wird dieser nicht erfüllt, so wird dies in unschönen Konsequenzen münden, unter anderem für Michaels Sohn, den er mit Irinas schöner Schwester Elena (Gal Gadot) hat.

Rauch und Schatten

Hier den Überblick zu wahren ist gar nicht mal so leicht. Erschwert wird alles dadurch, dass der Drehbuchautor Matt Cook uns in „Triple 9“ ab Minute Eins hüfttief in den moralischen Sumpf von Atlantas Halbwelt wirft. Als wäre es aber nicht schon schlimm genug für die abgestumpften Antihelden, Marcus bekommt auch noch einen neuen Partner zugeteilt. Chris Allen (Casey Affleck) ist einer dieser ehrlichen Gesetzeshüter, dessen moralische Grundsätze unerschütterlich scheinen und der es unbedingt seinem Mentor, dem Major-Crimes- Ermittler Jeffrey Allen (ein sehr guter Woody Harrelson, der nach „True Detective” und „Rampart” mit diesem Terrain bestens vertraut ist) beweisen will. Michael und sein Team finden in Allen schnell das ideale Opfer für die Ablenkung bei ihrem nächsten Verbrechen. Für den geplanten „999“ muss allerdings diese Ablenkung schwer verletzt werden. Denn nur so wird sich für einige Zeit jeder Beamte in Atlanta auf den darniederliegenden Kollegen konzentrieren.

Die daraus resultierende Handlung hält ein paar Überraschungen bereit. Der Bodycount schießt schnell in die Höhe, Köpfe werden verloren und auf Kofferräume drapiert. Das alles vor einer Szenerie, die auf der einen Seite mit Klischees nicht spart, auf der anderen Seite aber politisch sehr korrekt sein möchte. Gangster kann man in diesem Atlanta an Tattoos oder Kippahs erkennen, die Polizisten dafür sind fair aufgeteilt, was ihre Hautfarbe anbelangt (unbesehen dabei ihre Korruptheit). Je weiter sich „Triple 9“ spinnt, desto tiefer geht es hinab in diesen Kaninchenbau und immer wieder kommt es zum Wechselspiel zwischen den Kräften von Recht und Ordnung und denen des organisieren Verbrechens.

Rasante Optik und Bezugsprobleme

Vordergründig lehnt sich „Triple 9“ dabei deutlich an „The Wire“ und „The Shield“ an, blickt aber eben so oft auf andere urbane Thriller. Allerdings kommt durch die Menge der Charaktere so manch eine Beziehung zu kurz. Erschwert wird alles noch dadurch, dass es „Triple 9“ seinen Zuschauern nicht leicht machen will Bezugspunkte zu finden. So entsteht mehr und mehr der Eindruck eine Bande von schrecklichen Menschen schreckliche Dinge tun zu sehen. Schwerer aber noch wiegen die immer wieder genommenen Abkürzungen in der Erzählung. Diese nehmen wirklich den Drive aus dem Film. Mit Sicherheit hätte hier eine zusätzliche halbe oder sogar dreiviertel Stunde geholfen.

Fans von Hillcoats früheren Filmen „Lawless“ und „The Proposition“ werden feststellen, dass er sich für „Triple 9“ in Sachen Blutvergießen deutlich zurückhalten musste, auf der anderen Seite es aber noch immer nicht gut hinbekommt weibliche Charaktere gut in Szene zusetzen. Einzig Kate Winslets brillanten Performance nimmt ihm dahingehend die Arbeit ab.

Zusammen mit Kameramann Nicolas Karakatsanis und Editor Dylan Tichenor gelingt es Hillcoat, trotz aller Schwächen von „Triple 9“, immer wieder amtliche Szenen von Konflikt und Action in den Straßen von Atlanta zu zeichnen. Der drückende Soundtrack von Atticus Ross und seiner Frau Claudia Sarne, sowie seinem Bruder Leopold und dem britischen Musiker Bobby Krlic leistet dazu einen guten Anteil.

Fazit

„Triple 9“ hat seine offensichtlichen Schwächen. Dennoch ist ein Besuch für Genrefans fast schon ein Muss. Auch wenn danach der Wunsch nach einer Serie auf dem Niveau von „The Wire“ nur noch stärker werden dürfte.

Bewertung: 3 von 5 Sternen.***

Filmkritik von Julius, 30.03.2016