„Flatliners“ Filmkritik — Horror aus der Dose

  

Da sind wir also wieder. Ein neuer Monat, ein neues Remake. So sicher wie der Milchmann zweimal klingelt, werden Ideen, die jüngst noch nicht ausgeschlachtet wurden, frisch zurecht gemacht und dem gesättigten Kunden als Nachspeise serviert. Dieses Mal hat es Joel Schumachers Horror-Thriller aus dem Jahr 1990 erwischt — Flatliners. „Dead Man Down“-Regisseur Niels Arden Oplev nimmt sich des Werkes an, welches am 30. November 2017 auch in deutschen Kinos zu sehen sein wird.

Flatliners 2017 header deutsch Kino

Flatliners vs. Flatliners

Seit 1990 hat sich an der grundsätzlichen Idee des Originals natürlich nichts geändert. Experimente mit dem klinischen Tod stehen auf der Checkliste ganz oben, gekonnt garniert mit Horrorelementen, Freiraum für Diskussionswütige und jeder Menge Ansätze, die manch einem gelernten Arzt Krämpfe verursachen dürften. Soweit, so gut, ist an all diesen Punkten ja nichts auszusetzen, schließlich darf Science-Fiction über den Tod gerne mal kontrovers und auch etwas freigedreht präsentiert werden.

Was ist es also, was dafür sorgt, dass ihr jetzt schon herauslesen könnt, dass Oplevs Werk nicht unbedingt den Nerv eines freudigen Kinogängers und schon gar nicht den eines grummeligen Kritikers getroffen hat? In erster Linie ist die Antwort einfach: verpasste Chancen; verpasste Chancen wohin man auch blickt. Und das was umgesetzt wurde, erreicht keinerlei nennenswerte Höhen, dümpelt auf einem seichten Teich aus netten Einfällen dahin.

Schuld daran ist weder die Geschichte per se, noch die Schauspieler und ihre mehr oder weniger soliden Leistungen. Der kritische Punkt liegt viel eher in der Betrachtungsweise des Stoffes aus Sicht der Schöpfer dieses Werks. Und im Nachhinein natürlich auch ihrer stark dadurch verunreinigten, sagen wir sogar ins Leere gelenkten Darstellungs-, beziehungsweise Präsentationsform. Der wirkliche Blick hinter das Abziehbild der Marke Horror fehlt.

Wo das Werk der frühen 1990er noch zu Denkspielen angeregt, subtile Andeutungen vorgelegt und vor allem genügend Stoff für die Fantasie des Zuschauers übrig gelassen hat, konzentriert sich die 2017er Version in erster Linie darauf, Spannung aufzubauen und den geneigten Kinogänger mit unnötigen wie einfallslosen Jump Scares aus der Reserve zu locken. Es lässt sich weder ein Versuch erkennen, das Original mit neuester Technik wieder aufleben zu lassen, noch der Wunsch, etwas ganz Eigenes zu kreieren, dass sich seine Existenzberechtigung auf diesem hart umkämpften Markt sichern kann.

Dem Tod so nah ...

Das fängt bereits mit der Frage an, worum es sich hierbei eigentlich handelt. Eine Fortsetzung? Ein Remake? Leider weder noch. Die Frage nach dem Sequel beantwortet sich im Verlauf der Geschichte von alleine und für eine Neuumsetzung entfernt sich der eingeschlagene Weg zu deutlich von dem, was als Vorlage gedient hat. Trotz Mitwirkung des Original-Stars Kiefer Sutherland haben sich Drehbuchautor und Regisseur dafür entschieden, diesen in einer reizlosen Nebenrolle vor sich hin vegetieren zu lassen.

Eine von vielen verpassten Chancen, die „Flatliners“ möglicherweise noch den nötigen Atem des Lebens hätten einhauchen können. Denn es fehlt wirklich an allen Ecken, wenn es um den Plot und seine Darreichungsform geht. Was gezeigt wird ist nach Schema F zusammengeschustert worden. An keiner Ecke wartet eine besondere Überraschung, an keinem losen Ende eine einfallsreiche Idee. Mit einer deutlich erkennbaren Prämisse vor Augen wurde steif das gebaut, was sich im Kopf der Schöpfer festgesetzt hat und jegliche Abweichung von dieser Route unterbunden.

„Flatliners“ nimmt sich selbst viel zu bedeutend und ernst, präsentiert alles in einem düsteren Ton und bedeutungsschwangeren Betonungen. Tragik, Todestrips, Gotteskomplexe. All diese Nebenwirkungen der Experimente dienen durchweg nur als Kit, haben abseits davon jedoch keinen Mehrwert zu bieten. Der Rest besteht aus gruseliger Musik, halbwegs grauenhaft wirkenden Tönen und der Atmosphäre einer langweiligen Geisterbahn.

Doch unter dieser Fassade brodelt es nicht. Die Geschichte ist weder besonders gut, einfallsreich oder wenigstens abstrakt. Nicht einmal aus dem Blickwinkel eines Menschen, der das Original nie gesehen hat. Stattdessen ist alles so oberflächlich wie es schon zu Beginn den Anschein hat. Ausbrüche aus der Routine des Geschichtenerzählens gibt es nicht, mehr zu entdecken oder zu verstehen ebenso wenig. Was bleibt ist die Hoffnung, wenigstens schauspielerisch überzeugt zu werden, doch auch hier schmerzt es dem Zuschauer an vielen Nervenenden.

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Geistlose Darsteller

Sogar eine talentierte Darstellerin wie Ellen Page („Inception“, „Juno“, „An American Crime“) kann den Karren nicht mehr aus dem Dreck ziehen. Selbst mit Hilfe der gesamten Riege an Schauspielern in diesem Werk wäre ihr das nicht möglich gewesen. Und auch wenn keiner wirklich mies schauspielert, so liegt der durchschnittliche Wert der restlichen dargebotenen Leistung doch maximal auf dem Durchschnittsniveau einer kleineren Produktion, die eigentlich deutlich kleinere Namen ihr eigen nennen kann.

So steht die gute Frau Page also ziemlich alleine da, versucht hier und dort maximale Gefühle und Menschlichkeit zu vermitteln, scheitert jedoch stets an ihrer zweidimensionalen Figur, beziehungsweise an der unausgereiften, fast schon blassen Beschaffenheit eben dieser. Wer nichts zum Arbeiten hat, kann auch nichts abliefern. In diesem Fall etwas übertrieben formuliert, der Wahrheit jedoch näher als mir beim Sichten des Films lieb gewesen wäre.

An ihrer Seite holt Diego Luna („Rogue One“, „Milk“, „Terminal“) noch einige Punkte, da er seine Rolle zumindest den eigenen, persönlichen Charme aufdrücken konnte und dieser hier tatsächlich gut zu Gesicht steht. Co-Stars Nina Dobrev und James Norton sind dagegen nach dem künstlichen Tod nicht wieder aufgestanden und dümpeln frucht- und geistlos von einer Szene zur nächsten. Hier verliert der Film dann auch die letzte Möglichkeit für sich sprechen zu können und verfällt mehr oder weniger in einen klischeebeladenen Abklatsch seiner selbst.

Fazit

„Flatliners“ 2017 ist modern, dem heutigen Publikum angepasst und stets darauf bedacht, nicht allzu sehr anzuecken. Unter dieser glatten Oberfläche der Präsentation lauert jedoch nichts dramatisch Relevantes. Ein einfacher, leicht überflüssiger Horrorfilm, der weder dem Original gerecht wird, noch für sich alleine stehen kann. Ein Film wie tausend andere auch und den Namen im Titel nicht wert.

Das Werk von Niels Arden Oplev („Verblendung“, „Dead Man Down“, „Mr. Robot“) kratzt überall an der Oberfläche, kittet Risse im Storytelling und Logiklöcher mit überdramatischen Anspielungen und Horror aus der Alltagsschublade. Abseits davon bietet dieser Film jedoch keinerlei Mehrwert. Unabhängig vom Original und ganz allein für sich betrachtet, handelt es sich hier immer noch um einen schlechten, gar langweiligen Film.

Bewertung: 2/5**

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 29.11.2017