„Game of Thrones: House of the Dragon“ Serienkritik: Das Spiel um den Thron beginnt von neuem

  

von Heiner Gumprecht | 19.08.2022

Noch nie in der Geschichte des Fernsehens gab es ein Phänomen wie „Game of Thrones“, der Serienadaption von George R. R. Martins Bestsellerreihe „Das Lied von Eis und Feuer“. Die unglaublich hochwertige und spannend erzählte Serie hat einen Rekord nach dem anderen gebrochen, wurde von Kritiker*innen und Fans in höchsten Tönen gelobt und kaum ein Zuschauer beziehungsweise eine Zuschauerin konnte aufhören, den eigenen Freundeskreis damit zu nerven. Dann kam die letzte Staffel und das große Schweigen begann...

GoT „House of the Dragon“, Staffel 1 (2022) Szene 002 ©HBO
Bild: „House of the Dragon“, Staffel 1 (2022) ©HBO

Bis heute wird das Projekt von den meisten ehemaligen Fans totgeschwiegen und das aus einem sehr nachvollziehbaren Grund. Denn eine Serie wie „Game of Thrones“ lebt von ihren Auflösungen, von ihren Konsequenzen, und die waren in den letzten beiden Staffeln – vor allen Dingen in der finalen Staffel – unter aller Kanone. Sie waren so schlecht, dass Merchandise von den Bürotischen entfernt wurde, Poster im Mülleimer landeten und Eltern bereuten, ihre Kinder nach Charakteren aus der Serie benannt zu haben. Was sie sowieso sollten.

Verzeiht uns an dieser Stelle also, wenn wir nach der Sichtung der ersten sechs Folgen aus dem Spin-off „House of the Dragon“ noch etwas vorsichtiger bleiben, unsere Freudenschreie also eher verhaltenes Jubeln in Zimmerlautstärke bleibt und unsere Empfehlungen sich nur an jene richten, die dem ganzen Franchise noch eine Chance geben wollen. Solltet ihr zu dieser Zielgruppe gehören, freuen wir uns jedoch darüber, euch berichten zu können, dass die Serie von Ryan J. Condal und George R. R. Martin einen sehr guten Eindruck macht.

GoT „House of the Dragon“, Staffel 1 (2022) Szene 003 ©HBOBild: „House of the Dragon“, Staffel 1 (2022) ©HBO

House of the Dragon: Unsere spoilerfreie Serienkritik

Die Prequelserie spielt circa 200 Jahre vor den Ereignissen in „Game of Thrones“, atmet aber die gleiche Luft wie die Mutterserie und wirkt in jedem Moment, als wäre zwischen dem Original und dem Ableger nie Zeit vergangen. „House of the Dragon“ sieht aus wie GoT, folgt dem gleichen Aufbau wie GoT und, sind wir mal ehrlich, ist natürlich GoT, denn auch hier dreht sich alles um Politik, Verrat, Zwischenmenschliches, Blut, Sex und Gewalt. Bereits die Pilotfolge macht klar, dass die Serienschöpfer*innen keine Zeit verschwenden wollen.

Die ersten sechs der insgesamt zehn Episoden der ersten Staffel überzeugen mit viel Liebe zum Detail und äußerst interessanten Charakteren, zeigen aber auch ein paar deutliche Schwächen auf. So ist der Versuch, der Mutterserie nachzueifern, etwas zu engagiert und korrumpiert manch eine Szene. Es fehlt immer wieder an fühlbarem Vertrauen in das eigene Werk, was sich bereits in der Eröffnungsszene widerspiegelt, wo wichtige Eckpunkte der Geschichte schnell erzählt werden, statt sie in die Handlung mit einzuweben.

Dazu kommt eine gewisse Ungeduld, geneigte Zuschauer*innen langsam an die großen Themen heranzuführen, es scheint, als wäre es das Ziel, all jene anzusprechen, die „Game of Throne“ bis zum Ende genossen haben und die nun genau dort wieder ansetzen wollen. Neuzugänge werden also mit Inhalten und Bombast förmlich überrollt. Was waschechte Fantasyfans natürlich nicht stören sollte, schließlich gibt es für diese kaum etwas an Drachen, Mysterien und Schwertkämpfe auszusetzen.

GoT „House of the Dragon“, Staffel 1 (2022) Szene 004 ©HBO
Bild: „House of the Dragon“, Staffel 1 (2022). ©HBO

Die Qualität bewegt sich dabei im erwarteten Rahmen, will sagen, die Schauspieler*innen machen fast allesamt einen formidablem Job und nur wenige Akteure erlauben sich Schnitzer in ihrem Schauspiel. Das CGI ist mehr als nur okayisch und der generelle Aufbau sowie der Erzählstil sind im oberen Segment anzusiedeln. Lediglich die Kampfszenen können selten überzeugen, da dort meist zu viele Cuts verwendet werden und es schwer fällt, dem Geschehen zu folgen.

Wer über diese negative Kritik hinwegsehen kann oder sich nie davon gestört fühlte, sollte mit „House of the Dragon“ aber durchaus seinen/ihren Spaß haben, denn die Serie erinnert an viele positive Eigenschaften des Originals und tritt gekonnt in die Fußstapfen der ersten Staffel von „Game of Thrones“. Ob sich dieses Niveau halten lässt, ob die Auflösungen und Cliffhanger den Erwartungen gerecht werden, erfahren wir leider erst, wenn alle zehn Episoden gelaufen sind und die erste Staffel zu einem Ende gefunden hat.

Sollte es den Schöpfer*innen jedoch gelingen, den in den ersten sechs Folgen gelieferten Standard zu halten, gibt es keinen Grund, sich nicht auf den Release am 22. August 2022 auf Sky zu freuen. Es ist jedoch sowieso anzunehmen, dass wir bis zum Ende des zehnteiligen Auftakts keine Antwort auf die Frage erhalten werden, ob und wie sich die Serie über lange Zeit schlagen wird. Darum können wir euch nur empfehlen, die Show zu genießen, das Beste zu hoffen und hier und dort ein Auge zuzudrücken.

Fazit

„House of the Dragon“ zeigt sich in den ersten sechs der insgesamt zehn Folgen fast genauso stark wie die Mutterserie, leidet jedoch unter dem voreiligen Erzählstil und einigen fragwürdigen Besetzungen. Wer darüber hinwegsehen kann und kein Problem damit hat, dass ein langsamer Aufbau hier durch eine Abfolge von Paukenschlägen ersetzt wurde, dürfte sich gut unterhalten fühlen. Das Spin-off atmet die gleiche Luft wie die erste Staffel des Originals, ist aber etwas ungeduldiger und – ganz selten – etwas unachtsamer.

Bewertung: 4/5****


GoT „House of the Dragon“, Staffel 1 (2022) Szene 005 ©HBO
Bild: „House of the Dragon“, Staffel 1 (2022) ©HBO