Inferno Filmkritik — Aller guten Dinge sind drei?

  

Regisseur Ron Howard hat mit den Büchern über Robert Langdon eigentlich eine perfekte Vorlage in der Tasche. Die Romane eignen sich hervorragend für packende Hollywoodinszenierungen, sind sie doch spannend erzählt, mit einem charismatischen Protagonisten in der Mitte und bieten knackige Rätsel, die das Publikum auf Trab halten. Und trotzdem hat sich das Rad weitergedreht und „Inferno“ beugt sich dem, was momentan in der Traumschmiede am ehesten unter lukrativer Produktion verstanden wird: Action.

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Lauf, Robert, lauf!

Tom Hanks schlüpft abermals in die Rolle des sympathischen Harvard-Professors Robert Langdon und sieht sich zum dritten Mal schwierigen Rätseln gegenüber, die das Schicksal der Welt verändern können. In diesem Fall trifft das sogar wie die Faust aufs Auge zu. In „Inferno“ muss Langdon nämlich sein Gedächtnis zurück erlangen, um einen Super-Virus zu finden, der die halbe Bevölkerung der Erde auslöschen könnte. An seiner Seite zermürbt sich Dr. Sienna Brooks (Felicity Jones) das Hirn über Hinweise, die aus Dante Alighieris „Göttliche Komödie“ entsprungen sind.

Doch wo man sich in den ersten beiden Filmen durchaus Zeit lies und sowohl die Rätsel als auch die Motivation der einzelnen Figuren näher beleuchtet hat, geht es hier vor allem um rasante Szenen und wackelige Kameraeinstellung, die an „Jason Bourne“ erinnern. Da werden gerne auch mal hundert Seiten aus der Vorlage gestrichen, sofern es sicherstellt, dass das Tempo nicht gedrosselt werden muss. Langdon hetzt von einem Ort zum nächsten, grübelt eine Weile über das aktuelle Rätsel nach und sobald er es knacken konnte, geht die muntere Reise auch schon weiter.

Atempausen gibt es kaum. Dafür auch nur wenig Logik. Dem Zuschauer verschließt sich oftmals der Beweggrund von Charakteren und steht gleichzeitig vor verschlossenen Möglichkeiten, wenn es darum geht, die Antworten auf verschiedene Hinweise zu finden. Das liegt daran, dass es den Machern wichtiger war, beständig Action bieten zu können, und nicht ihre Geschichte auf einem geeigneten Fundament zu errichten. Die unruhige Kameraführung tut in dieser Hinsicht ihren Rest und entnervt das Publikum zur Gänze.

Es ist erschreckend, wie wenig vom alten Stil der Filme hier wiederzuerkennen ist und wie weit ab vom Schuss sich „Inferno“ von seiner Vorlage bewegt. Statt einem Erfolgsrezept treu zu bleiben und das begierige Publikum mit dem zu füttern, wonach es verlangt, springt man hier lieber auf den Zug der Zeit und biedert sich einer sehr viel anspruchsloseren Zielgruppe an. Der Film vergeht so zwar wie im Flug, bleibt aber auch nicht besser im Gedächtnis als jeder andere Popcornkino-Streifen, der jedes Jahr in mehrfacher Zahl auf den Markt gespuckt wird.

Es gibt nur wenige Punkte, die diesen Karren noch halbwegs aus dem Schlamm ziehen können, aber sie verblassen im Vergleich sehr schnell, da sie mehr Fassade sind, als Träger der Geschichte. Da wären zum einen die schönen Landschaftsaufnahmen von Venedig und Istanbul. In den wenigen Momenten, an denen die Kamera mal ruhig hält und ihren Job auf angenehme Weise verrichtet, wird dem Auge wohltuend geschmeichelt. Das ist zwar ein wackeliger Propunkt, aber hey, man nimmt, was man bekommen kann.

Zum anderen wäre da Tom Hanks, der wieder außerordentlich hervorsticht und alles aus seiner Rolle herausholt — zumindest in dem beschränkten Rahmen, die ihm das Drehbuch zur Verfügung stellt. Mit seiner Figur kann man mitfiebern und Sympathie aufbauen, was nicht unbedingt für alle anzutreffenden Figuren gilt. Der Film wird dadurch zwar nicht wirklich besser, doch ist dieser Ruhepol von großer Wichtigkeit, um in „Inferno“ nicht komplett die Aufmerksamkeit zu verlieren.

Drama über Logik

Der Rest dieses Machwerks folgt einem ganz einfachen Muster: Drama ist besser als Logik. Wie schon angesprochen, ist es den Machern wichtig gewesen, Geschwindigkeit und packende Szenen in den Vordergrund zu stellen. Dadurch werden viele Themen angesprochen, beziehungsweise angeschnitten, aber nie tiefgreifender thematisiert. Der Plot bleibt bis zum Schluss oberflächlich, wirkt aber die volle Zeit über, als würde er sich selbst — seiner Genialität Tribut zollend — auf die Schulter klopfen.

Hinzu kommen sogar ganze Handlungsstränge, die nach und nach im Sand verlaufen und ohne Erklärungen von dannen ziehen. Hauptsache, Langdon und Brooks können neues Hightech-Spielzeug ausprobieren, vor einer Zehnerschaft Polizisten ungehindert über Absperrungen klettern und sich eine Reliquie nach der anderen in die Hose stecken. Ihre Taten werden nicht nur ignoriert, sondern auch gar nicht weiter hinterfragt. Sie machen es. Sie haben Erfolg damit. Warum noch meckern? Wir sehen doch, dass es klappt.

Fazit

„Inferno“ kann nicht an die Qualität seiner Vorgänger heranreichen, was vor allem daran liegt, dass die Macher Action vor Logik gestellt haben. Hier waren die Ideen zu einzelnen Szenen Mutter des Gedanken und nicht der Wunsch, eine spannende und auch logische Geschichte zu erzählen. Wackelkamera und schnelle Einstellungen waren vordergründig wichtiger, als die Rätsel, um die es im Kern eigentlich gehen sollte. Damit diese Geschwindigkeit beibehalten werden kann, überspringt das Drehbuch massiv Inhalte der Vorlage.

Es sind lediglich Tom Hanks schauspielerisches Können und die schönen Landschaftsaufnahmen, die auf der Proseite noch Punkte verbüßen können. Ein Unterschied zu Nicholas Cage‘ letzten Schnitzeljagden oder dem diesjährigen „Jason Bourne“ ist kaum mehr gegeben. Es sind vor allem die Figuren und der Grundtenor, die hier noch von alternativen Ideen sprechen können.

Es gibt sicherlich viele, die sich freuen, dass die Geschichte nun knackiger und rasanter erzählt wird und man im Angesicht der Rätsel keine Kopfschmerztabletten mehr benötigt, doch qualitativ ist das leider ein Absturz, den man auch unter einem anderen Titel hätte fabrizieren können. Dafür hätte Dan Browns Name nicht herhalten müssen.

Bewertung: 2/5**

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 11.10.2016