„Interview with the Vampire“ Serienkritik: Eine höchst willkommene Überraschung

  

von Heiner Gumprecht | 15.12.2022

Wenn beliebte Filme, die noch immer unseren Nostalgienerv treffen, eine Serienadaption erhalten, ist die Vorsicht unter den Fans meist sehr groß und die Pre-Abneigung übersteigt oftmals jegliche Logik. Vor allen Dingen dann, wenn die lieb gewonnenen Charaktere nun ganz anders dargestellt werden, teilweise sogar ihre Hautfarbe und die Hintergrundgeschichte abgeändert wurde. Manchmal ist dieser automatische Ekel durchaus gerechtfertigt, weil die Schöpfer des neuen Werks sich lediglich Marktanteile sichern wollen. Manchmal hat er aber keine Daseinsberechtigung.

Interview with the Vampire, Staffel 1 Bild 001 ©AMC
Bild: „Interview with the Vampire“, Staffel 1 (2022). ©AMC

Interview with the Vampire: Eine Kritik

Ja, Interview mit einem Vampir von Regisseur Neil Jordan hat einen Platz in unseren Herzen. Vielleicht sogar aus gutem Grund. Doch unterm Strich wurde die Buchverfilmung der Vorlage nie gerecht, da ein ganzer Batzen an Informationen und Ereignissen in vergleichsweise lächerliche zwei Stunden gequetscht wurde. Eine Adaption im Serienformat klingt da nach einer durchaus logischen Schlussfolgerung, die von jedem Fan düsterer Fantasyromanzen mit offenen Armen willkommen geheißen werden dürfte.

Nur, dass die Figuren aus der Buchvorlage hier deutlich abgeändert wurden. Sowohl ihre Herkunft als auch ihr Werdegang inklusive ihrer Abstammung wurden modifiziert und damit einer neuen Weltanschauung angepasst. Oftmals ein Schritt, der mit vielen negativen Konsequenzen, meist im Bereich der Logik, einhergeht. Nicht jedoch im Fall der Serie „Interview with the Vampire“, wo diese Korrekturen nicht nur durchaus Sinn ergeben, sondern auch so geschrieben wurden, dass die Geschichte davon profitiert.

Die Rahmenhandlung bleibt natürlich erhalten, doch bekommt sie nun eine gewisse Würze, die teilweise sogar dem Roman, allen voran aber der berühmten Verfilmung gefehlt hat. Aus einer ansatzweise interessanten Figur wie Louis de Pointe Du Lac, der im Kinofilm noch von Brad Pitt gespielt wurde, nun aber von Jacob Anderson verkörpert wird, wird ein höchst spannender und vielschichtiger Charakter, der von seinem Darsteller beinahe makellos verkörpert wird und der die eh schon attraktive Mär in zweierlei Hinsicht bereichert.

Die Show von Serienschöpfer Rolin Jones überrascht jedoch nicht nur mit Abänderungen, die normalerweise für einen bitteren Nachgeschmack sorgen würden, in dieser Form aber höchst willkommen sind, sondern auch mit einem angenehmen Erzählstil, einem guten Auge für Details und einer packenden Atmosphäre, die sich durch alle Folgen der ersten Staffel zieht. Der makabere Hauch im Angesicht der Romantik, die düstere Linie zwischen Brutalität und obszöner Schönheit … all dies wird fast schon hypnotisch wiedergegeben.

Interview with the Vampire, Staffel 1 Bild 002 ©AMC
Bild: „Interview with the Vampire“, Staffel 1 (2022). ©AMC.

Von dem originalen Roman ist nichtsdestoweniger prozentual ungefähr so viel übrig geblieben, wie in der Verfilmung aus dem Jahr 1994, doch ergibt das Verlassen bekannter und lieb gewonnener Pfade hier wenigstens Sinn und erscheint alle sieben Episoden hindurch in sich schlüssig und visuell höchst attraktiv. Tatsächlich gibt es kaum etwas an diesem Werk auszusetzen, außer eben, dass Fans des Originals teilweise auf der Strecke zurückgelassen werden, was natürlich nicht fair, aber vielleicht ein wenig notwendig ist.

In erster Linie überzeugt die neue Serie, die ihr ab dem 06. Januar 2023 exklusiv auf dem Video-on-Demand-Sender Sky schauen könnt, dadurch, dass sie die zynische Selbstironie der Filmversion hinter sich lässt und die eigene Geschichte und ihre Charaktere so ernst nimmt, wie sie es verdient haben. Doch nicht nur das, auch die essentiellen Kernideen der Geschichte werden hier besser vertreten, als es Neil Jordans Version je versucht hätte, was die Serie vor allen Dingen für alle spannend macht, die sich nach klassischen Vampiren sehnen.

Interview with the Vampire, Staffel 1 Bild 003 ©AMC
Bild: „Interview with the Vampire“, Staffel 1 (2022). ©AMC.

Der passende Mix aus Horror und Romantik, Leidenschaft und Gewalt, Sex und Groteskem durchzieht die erste Staffel wie ein blutig roter Pfaden und wird nicht nur von den durchaus talentierten Darstellern getragen, sondern auch von der düsteren Musikuntermalung, der hervorragenden Kulisse und einigen Szenen, die sich nicht viele TV-Adaptionen trauen würden. Nein, „Interview with the Vampire“ ist seiner Vorlage nicht durchgehend treu, doch fängt die Serie all das beinahe perfekt ein, was die Bücher ursprünglich so interessant gemacht hat.

Aber ihr müsst auch darauf gefasst sein, dass die Show ziemlich zäh sein kann, denn um den Kontext passend darzustellen und gewisse Reize aufzubauen, ist nicht wenig Langatmigkeit vonnöten. Und genau hier könnt ihr auch die größte Schwachstelle der neuen Adaption finden: Sie ist stellenweise einfach zu lang geraten, zu zäh und zu dialoglastig. Was durchaus in Ordnung wäre, hätten sich die Schreiberlinge bei diesen Dialogen etwas mehr Mühe gegeben. So scheint es am Ende des Tages leider, dass fünf Folgen besser als sieben gewesen wären.

Fazit

Die TV-Adaption von „Interview mit einem Vampir“ ist trotz ihrer gerade einmal sieben Episoden gefühlt etwas zu lang und manche Szenen erfordern eine Menge Sitzfleisch und Geduld. Dafür fängt die Show von Rolin Jones die Atmosphäre und die Seele der Vorlage fast schon perfekt ein. Getragen von talentierten Schauspielern, untermalt mit passender Musikuntermalung und platziert in einem detailverliebten Setting. Ihr mögt Vampire? Vor allen Dingen romantisch veranlagte Vampire mit psychologischer Tiefe? Dann solltet ihr definitiv einschalten.

Bewertung: 4/5****

Interview with the Vampire, Staffel 1 Key Art Poster ©AMC
Bild: „Interview with the Vampire“, Staffel 1 (2022). ©AMC.