"Love, Simon" Filmkritik

  

Love, Simon“ ist eine Teenie-Drama-Komödie des US-amerikanischen Regisseurs Greg Berlanti. Das Werk über einen homosexuellen Teenager, der mit einem erzwungenem Outing zu kämpfen hat, erscheint ab dem 28. Juni in den deutschen Kinos. Die Mischung aus Drama, Komödie und Romanze beweist dabei ein großes Gespür fürs Storytelling, während das Drehbuch mit einige brillanten Ideen hervorsticht.

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Schwul sein

Simon Spier (Nick Robinson), Schüler einer amerikanischen Highschool, ist ein gut aussehender Jugendlicher, mit einer kleinen Gruppe an Freunden und Bekannten. Seine beste Freundin ist schon seit Kindertagen Leah (Katherine Langford), welche sich für einen Blog begeistert, der sich mit Geheimnissen von Schülern befasst. Hier erfährt sie von einem Mitschüler, welcher sich selbst im Netz als ‚Blue‘ bezeichnet.

Blue ist schwul, doch weiß dies noch niemand. Eine Tatsache, die ihn sehr einsam macht, fühlt er sich doch jeden Tag dazu gezwungen, eine Lüge zu leben. Ein Umstand, mit welchem sich Simon gut auskennt. Er selbst ist ebenfalls homosexuell und hat es noch keiner Menschenseele verraten. Die beiden Schüler beginnen sich regelmäßig zu schreiben und schon bald entsteht eine erste, zarte Bande der Freundschaft …

Martin (Logan Miller), ein Kollege an der Highschool, erfährt von Simons Geheimnis und will ihn damit erpressen. Wenn dieser ihm nicht hilft, bei seinem Schwarm zu landen, will dieser der ganzen Schule verraten, was dem Anschein nach niemand wissen darf. Und genau dies ist die große Frage: stört es Simon wirklich, wenn andere von seiner Neigung erfahren?

Normal sein

„Love, Simon“ wird dadurch besonders, dass der Film seine Hauptfigur nicht unnötig dramatisiert, sondern mit der Zeit und der Entwicklung der heutigen Gesellschaft mitgewachsen zu sein scheint. Simon ist nicht der einzige Schüler, welcher sexuelle Neigungen hat, die von der vorstädtlichen Norm abweichen. Sein Schwulsein hat keine äußerst fatalen Folgen für ihn oder seinen Bekanntenkreis.

Generell ist er nur deswegen ein Angriffsziel, weil er, genau wie der große Unbekannte, Blue, ein Geheimnis aus seiner sexuellen Vorliebe macht. Die Tatsache des Schwulseins selbst ist hier per se nichts besonderes, was der Zuschauer leicht an den Reaktionen der anderen Figuren ablesen kann.

Gleichsam wird die Schwere der seelischen Belastung durch ein erzwungenes Outing, welches in „Love, Simon“ Dreh-und Angelpunkt der Geschichte darstellt, nicht heruntergespielt, sondern geschickt mit der Geschichte verflochten. Der Fokus liegt dabei nichtsdestoweniger deutlich auf einer, für Teenie-Drama-Komödien typischen, Achterbahnfahrt der Gefühle, gekoppelt mit recht turbulenten Zeiten für den Protagonisten.

Regisseur Greg Berlanti („The Flash“, „Supergirl“, „So spielt das Leben“) zeigt ein unerwartetes Gespür dafür, typische Säulen eines solchen Werks mit neuen, frischen Ideen zu verbinden. Dabei verbietet es sich der Film zu jeder Zeit, allzu realistisch zu werden, präsentiert den größten Teil der menschlichen Umgebung rund um Simon als ziemlich offen, gutherzig sowie verständnisvoll. Das mag abseits der Realität liegen, macht „Love, Simon“ jedoch zu einem herzlichen, erfreulichen Erlebnis.

Der Zuschauer soll sich mit der Hauptfigur identifizieren können, ohne eine Kloß im Hals zu bekommen. Es soll gelitten, geweint und sich gefreut werden, ohne befürchten zu müssen, das im nächsten Moment ein Messer gezückt, Kreuze verbrannt und sonstige Schreckenstaten unser Gemüt nachhaltig ruinieren. Daher muss hier und dort ein Auge zugedrückt werden, zumindest, wenn es dem geneigten Kinogänger nicht bereits im Blut liegt, die Welt stets so zu sehen, wie er oder sie diese gerne hätte.

Zum Ausgleich erhalten wir recht gut ausgearbeitete Figuren, welche psychologisch mehr Tiefe sowie Abwechslung erkennen lassen als dies in manch einer hochwertigen Hollywood-Produktion der Fall ist/war. Die Messlatte ist nichtsdestoweniger recht tief angesetzt, soll dieser Film doch eher der puren Unterhaltung dienen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Ein Werk welches zeigen will, dass schon bald alles besser werden wird, ohne sich im Sekundentakt für diese Aussage rechtfertigen zu müssen.

Anders sein

„Love, Simon“ nimmt es wie gesagt nicht immer allzu ernst mit der Wirklichkeit unserer Zeit. Dass gilt für die menschlichen Parts und ihre Reaktionen genauso wie für einige Details, welche die Geschichte vorantreiben sollen. Um all die erwähnten neuen und frischen Ideen einzubauen, wurde hier und dort etwas gebogen, verbeult und gestreckt.

Viele Projekte taten es genauso, bewiesen dabei jedoch selten so viel Geschick und Gespür für das, was wirklich wichtig ist, wie dieses Werk. So kann fast in jedem Moment, jede Unstimmigkeit verziehen werden, da diese im Vergleich zu dem, was daraus erwächst, unwichtig, kaum der Rede wert erscheint.

Gleichsam wird das gesamte Werk qualitativ erstklassig erzählt, driftet nie in schlechte Klischees ab, verliert selten an Tempo und hat quasi mit keinerlei Leerläufen zu kämpfen. Die 109 Minuten vergehen daher nicht nur wie im Flug, sondern fühlen sich auch nach gut investierter Zeit an. Das Werk und seine Inhalte bleiben haften, gleichzeitig ist das positive Gefühl, welches daraus erwachsen kann, recht nachhaltig.

Der Cast selbst ist einer der Gründe, warum dies so gut funktioniert. Beinahe jeder der Beteiligten legt sich richtig ins Zeug, lässt Spaß bei der Arbeit erkennen und ein hohes Maß an Verständnis für die eigene Figur. Dabei stechen Nick Robinson („Jurassic World“, „The Kings Of Summer“, „Du neben mir“), welcher Hauptfigur Simon verkörpert und sein Gegenspieler, Logan Miller, besonders hervor.

Fazit

„Love, Simon“ mag entgegen der obigen Lobrede zwar kein perfekter Film sein, doch hat das Werk das Herz am rechten Fleck und viele, frische sowie gut eingepflegte Ideen. Plot, Charaktere und Erzählstil wurden gut bis sehr gut ausgearbeitet, haben lediglich einige Schwächen im Detail. Die Nähe zur Realität hält sich zwar arg in Grenzen, dafür verschleiert „Love, Simon“ diesen Umstand recht gekonnt, macht ihn dank vieler cleverer Ansätze beinahe obsolet.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 26.06.2018