„Nicht schon wieder allein zu Haus“ Filmkritik: Es gab schon schlimmere Versuche

  

von Heiner Gumprecht | 12.11.2021

Am 12. November 2021 startet auf dem Video-on-Demand-Sender Disney+ der neue Film von Regisseur Dan Mazer („Dirty Grandpa“, „Das hält kein Jahr...!“): „Nicht schon wieder allein zu Haus“. Das Werk wird als Neuauflage des Weihnachtsklassikers „Kevin allein zu Haus“ beworben und hat bereits im Vorfeld wenig Liebe von den Fans auf der ganzen Welt erhalten.

Nicht schon wieder allein zu Haus Filmszene 001 Disney+Bild: „Nicht schon wieder allein zu Haus“ (2021). ©20th Century Studios/Walt Disney


Überraschenderweise ein wenig zu Unrecht, denn es gab definitiv schon schlechtere Versuche, in die übergroßen Fußstapfen zu treten, die Chris Columbus Anfang der 1990er mit seinem Hauptdarsteller Macaulay Culkin im Sand von Hollywood hinterlassen hat. Beispielsweise Wieder allein zu Haus von 1997. Oder Kevin – Allein gegen alle von 2002. Und nicht zu vergessen die letzte Gräueltat, Allein zu Haus: Der Weihnachts-Coup von 2012.


Nicht schon wieder allein zu Haus: Kein Remake

Es gab also bereits reichlich Versuche und verschiedene Ansätze, das Original von damals und damit auch den Erfolg zu kopieren, gelungen ist dies aber lediglich einem Film, nämlich der einzig wirklichen Fortsetzung Kevin – Allein in New York. Was aber nicht bedeutet, dass es die großen Macher*innen in Hollywood nicht trotzdem versuchen und dieses Mal haben sie eine neue Herangehensweise gefunden.


Statt einfach ein Remake auf die Beine zu stellen, eine Fortsetzung, um die nie jemand gebeten hat, oder sogar eine Vorgeschichte, hat man sich dafür entschieden, einfach zu kapitulieren und zuzugeben, dass man dem Erstlingswerk niemals das Wasser reichen kann. Entsprechend ist „Nicht schon wieder allein zu Haus“, der im Original auf den wenig einfallsreichen Namen „Home Sweet Home Alone“ hört, mehr eine Art Spin-Off, das sich als Hommage an das Original sieht und sich auch so präsentiert.

Dazu passend ist der Film vollgestopft mit Anspielungen und Easter Eggs, die die Schöpfer*innen dieses Films wohl als eine Art Ehrerbietung verstehen, oder auch als Verbeugung vor dem Original. So ist die musikalische Untermalung beinahe identisch mit der aus „Kevin allein zu Haus“, es gibt viele kleine Hinweise auf den Film von 1990, rekonstruierte Szenen sowie Gags und sogar einen Gastauftritt von Devin Ratray, der erneut in seiner Rolle als Buzz McCallister zu sehen ist.

Funktionieren tun all diese Dinge nur bedingt. Für Fans von Chris Columbus' Komödie kann es natürlich sehr amüsant sein, all die kleinen versteckten Hinweise und Würdigungen zu suchen und zu entdecken und manche davon sind sogar recht amüsant, doch unterm Strich fehlt es „Nicht schon wieder allein zu Haus“ dadurch auch an Alleinstellungsmerkmalen, die den Film zu mehr machen als nur einem Ausflug ins Land der Nostalgie.

Denn gerade die Parts, die den Film als eigenständiges Werk darstellen sollen, lassen oftmals stark zu wünschen übrig. Natürlich gibt es durchaus einige Gags und Sprüche, die man als gelungen bezeichnen kann, und die bei jedem, der sich nicht komplett dagegen wert, die Mundwinkel nach oben zieht, doch diese sind eher rar gesät, was in erster Linie daran liegt, dass die Drehbuchautoren Mikey Day, Streeter Seidell und John Hughes auf Masse statt Klasse setzen.


Nicht schon wieder allein zu Haus Filmszene 002 Disney+Bild: „Nicht schon wieder allein zu Haus“ (2021). ©20th Century Studios/Walt Disney

Nicht schon wieder allein zu Haus: Ein defektes Gagfeuerwerk

So hat man nicht ein, vielleicht zwei ulkige Charaktere im Film, stattdessen ist irgendwie fast jeder geistig ziemlich durch den Wind. Die Einbrecher sind nicht nur schusselig, sie agieren regelrecht unterbelichtet, und ihre schmerzhaften Fehltritte werden teilweise so sehr in die Länge gezogen, dass der Witz schon lange vor dem Ende verloren gegangen ist und einem starken Gefühl von Fremdschämen weichen musste.

Außerdem versucht „Nicht schon wieder allein zu Haus“ viel zu sehr zu beweisen, dass man die Thematik des über dreißig Jahre alten Originals in die heutige Zeit von Handys und Internet verfrachten kann. Zwar hat man eine gute Ausrede gefunden, warum ein kleiner Junge alleine gegen die Bösewichte kämpfen muss und sich nicht bei der Polizei melden kann, doch statt es dabei zu belassen, werden geneigte Zuschauer*innen im Dauertakt daran erinnert, dass es 2021 ist.

Wie schon gesagt, es gibt tatsächlich einige gute Einfälle und nicht zu wenige zündende Gags, was dieses Werk auf jeden Fall besser macht als die vielen Versuche zuvor, doch unterm Strich fallen die Fehltritte deutlich stärker ins Gewicht und sind auch viel zahlreicher vertreten. Was schon bei der Wahl des Hauptdarstellers und der Ausarbeitung seiner Figur beginnt. Ich möchte nicht behaupten, dass Archie Yates („Jojo Rabbit“) ein schlechter Schauspieler ist, nichtsdestoweniger macht er hier keinen überzeugenden Job.

Zudem ist sein Charakter, Max Mercer, teilweise extrem unsympathisch, was nicht zuletzt daran liegt, dass ihm der Charme und die liebenswürdige Art von Kevin McCallister fehlt. Stattdessen ist er frech, neunmalklug und wirkt in manchen Szenen wie eine Mischung aus einem Kind und einem alten, genervten Mann. Zum Glück steht er nicht im Dauertakt im Rampenlicht, sondern hat deutlich weniger Screentime als andere Hauptfiguren in vergleichbaren Filmen. Doch wirklich positiv ist das eigentlich nicht.

Denn auch die anderen Charaktere sind beinahe durchgehend schwer zu ertragen. Von völlig bekloppt, über unsympathisch, bis hin zu den schlechtesten Eltern der Welt ist alles vertreten und die entsprechenden Darsteller machen zu allem Überfluss auch noch einen maximal durchschnittlichen Job. Und für diese Bewertung ihrer Leistung muss man schon zwei Augen zudrücken und hier und dort in die andere Richtung schauen. Mit geschlossenen Augen.

Fazit

Fans von „Kevin allein zu Haus“ müssen bereits in den ersten Minuten versuchen, „Nicht schon wieder allein zu Haus“ nicht als Fortsetzung zu sehen, sondern eher als Hommage an das Original, das diesem Ehre erbieten und kleine Zuschauer*innen mit alberner Slapstick unterhalten will. Sollte euch dies gelingen, überzeugt das Werk hin und wieder mit netten Anspielungen, gut platzierten Easter Eggs und ein paar wenigen wirklich gelungenen Gags.

Doch unterm Strich ist Dan Mazers Film vollkommen überdreht und kaum von den B-Komödien zu unterscheiden, die früher direkt auf DVD erschienen sind und Samstagnachmittags auf RTL oder ProSieben liefen. Schwer als Film zu bezeichnen, sondern eher eine Aneinanderreihung von Gags, getragen von unmotivierten Schauspielern, die schrecklich unsympathische Charaktere darstellen. Diesen Film kann man gesehen haben, man kann es aber auch einfach gut sein lassen.

Bewertung: 2/5**


Nicht schon wieder allein zu Haus Poster Disney+

Bild: „Nicht schon wieder allein zu Haus“ (2021). ©20th Century Studios/Walt Disney