„Raya und der letzte Drache“ Filmkritik – Ein Disney-Meisterwerk zum Vergessen

  

von Heiner Gumprecht | 01.03.2021

Unter einem Disney-Meisterwerk versteht nicht jeder das gleiche. Walt Disney vermarktet beinahe alle Zeichentrick- und Animationsfilme aus Marketinggründen unter dieser Bezeichnung, weswegen dazu auch Titel wie „Lilo & Stitch“, „Zoomania“ und „Ralph reichts“gehören. Viele Fans akzeptieren jedoch in der Regel nur solche Filme als Disney-Meisterwerk, die auf alten Märchen oder Legenden basieren, deren Held eine Prinzessin in Begleitung putziger Tiere ist und in denen gelegentlich gesungen wird.

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Raya und der letzte Drache, das Disney-Meisterwerk, dass am 05. März 2021 exklusiv (zunächst nur mit VIP-Zugang) auf Disneys hauseigenem Video-on-Demand-Sender Disney+ veröffentlicht wird, gehört nur bedingt zur zuletzt genannten Sorte. Zwar ist die Protagonistin im weitesten Sinne eine Prinzessin und Raya hat auch einen tierischen Begleiter, so wie es sich für diese Art von Filmen gehört, jedoch basiert die originelle Geschichte nicht auf einer Vorlage und es gibt auch keine musikalischen Nummern.

Raya und der letzte Drache: Zur Handlung

Disney-Plus-Abonnenten, die zum Release bereit sind, einmalig 21,99 Euro auszugeben, um sich den Film der Regisseure Don Hall, Carlos López Estrada, Paul Briggs und John Ripa so oft wie nur gewünscht ansehen zu können, sollen also bitte nicht enttäuscht sein, wenn die Erwartungen an die Bezeichnung Meisterwerk nicht zur Gänze erfüllt werden. Alle anderen dürfen sich auf die Geschichte der jungen Kriegerin Raya freuen, die in einem mystischen Land lebt, in welchem Menschen und Drachen einst Seite an Seite existierten.

Doch eine schreckliche Plage hat vor langer Zeit die Heimat von Raya heimgesucht und um die alles vernichtende Bedrohung aufzuhalten, mussten die Drachen eine hohen Preis bezahlen. 500 Jahre später sucht das Mädchen nach dem letzten Drachen, in der Hoffnung, die Welt wieder so herstellen zu können, wie sie einst war. Auf dieser Reise kann sie sich nur auf ihren tierischen Freund Tuk Tuk verlassen, das mächtige Schwert ihres Vaters und auf das Bruchstück einer magischen Kugel, die einst das große Unheil abwenden konnte.

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Raya und der letzte Drache: Eine Kritik

Wie so oft bei Filmen aus dem Hause Disney beginne ich meine Bewertung mit dem Punkt, der sich am schwersten mit der Brechstange der negativen Kritik malträtieren lässt: der Grafik. Dies geschieht aus dem einfachen Grund, dass dieser Aspekt meist mit einem einzelnen Absatz abgegessen werden kann, da die Animationsstudios von dem Unternehmen mit der Maus ganz genau wissen, was sie tun und wie sie es tun müssen. Die Frage, ob „Raya und der letzte Drache“ visuell überzeugen kann, sollte sich also gar nicht erst stellen.

Abgesehen von ganz wenigen, klitzekleinen Animationsfehlern, die ich mir gut und gerne auch eingebildet haben kann, gibt es an dem Werk in dieser Hinsicht also nichts auszusetzen. Das farbenfrohe Spektakel glänzt animationstechnisch auf ganzer Linie, kann lediglich als Augenschmaus bezeichnet werden und verdient auch sonst jede Form von abgedroschenem und  nach Klischee wirkendem Lob, das sich ein Schreiberling einfallen lassen kann. Herrlich bunt und wunderbar detailliert, mit sichtbarerer Liebe der Schöpfer zu ihrem Werk.

Doch jetzt, wo wir diesen Punkt, der mittlerweile eigentlich kaum noch gesondert erwähnt werden muss, hinter uns gelassen haben, können wir uns der Handlung, dem Erzählstil und der generellen Qualität von „Raya und der letzte Drache“ widmen. Und hier, beim eigentlichen Kern dieser Schöpfung, finden wir leider auch seine größten Schwächen. Im Gegensatz zu manch anderen Filmen von Walt Disney und den meisten Werken aus dem Hause Pixar, biedert sich die Geschichte der Kriegerin Raya zudem nicht jedermann, ungeachtet des Alters und der geistigen Entwicklung an.

Stattdessen ist das Zielpublikum ganz klar in einer Altersgruppe von sechs bis zwölf zu finden oder bei solchen, die einen ähnlichen Anspruch an Geschichten haben wie diese kleinen Kinofans. Eine besondere Tiefe in der Handlung sucht der geneigte Zuschauer genauso vergebens wie gut durchdachte Charaktere, eine logische Charakterentwicklung, eine bedeutungsvolle Aussage oder auch logische Konsequenzen. Der Film bleibt durchgehend oberflächlich und reduziert sich selbst auf eine fast schon gehetzt wirkende Story, die zwar mit allerlei süßen Momenten, knuffigen Figuren und gelegentlichen Lachern punkten kann, aber abseits davon nur wenig zu bieten hat.

Raya und der letzte Drache: Süß aber plump

Die philosophische und rechtschaffene Aussage, die wie ein rotes Tuch über die gesamte Handlung geworfen wurde, steht im starken Widerspruch zu dem, was uns gezeigt wird. Gleichsam werden in „Raya und der letzte Drache“ unbeantwortete Fragen einfach offen gelassen und das Ende ergibt aus mehr als nur einem Grund keinen Sinn. So drollig dieser Film auch sein mag, er hat starke Schwächen in beinahe allen wirklich relevanten Bereichen.

Um am Ende wenigstens so etwas ähnliches wie eine Daseinsberechtigung für die Kernaussage des Films zu schaffen, muss die Protagonistin auf ihrer Reise verschiedene Charaktere kennenlernen, die sich ihr auf der gefährlichen Reise anschließen, da der Film aber gerade einmal knapp eineinhalb Stunden Laufzeit vorzuweisen hat, entstehen dadurch einig Probleme, die den meisten, die die Pubertät längst hinter sich gelassen haben, sauer aufstoßen dürfte.

So wirken die eben erwähnten Figuren allesamt so, als hätte jemand unbedarft und ohne große Achtsamkeit die Hand in die Schublade abgedroschener Klischeefiguren gesteckt, ordentlich darin herumgekramt, und sich gegriffen, was sich packen ließ. Ab in den Film und fertig. Jeder bekommt eine völlig identische traurige Hintergrundgeschichte, schließlich sitzen wir ja alle im gleichen sprichwörtlichen Boot, und mehr muss man mit diesen Charakteren dann auch nicht machen.

Das ganze wird, um die Tatsache zu untermauern, dass hier wirklich Kids und anderweitig anspruchslose angesprochen und ältere Semester ignoriert werden, mit selten punktsicherer Jugendsprache garniert, die in dieser Form in einem Fantasyfilm der Marke „Vor langer, langer Zeit“ herzlich wenig zu suchen hat und nicht selten das genau Gegenteil von dem bewirkt, was sich die Macher wohl erhofft haben.

Fazit

„Raya und der letzte Drache“ ist nicht selten niedlich, hat einige sehr lustige Szenen zu bieten und sieht bombastisch sowie weitgehend wundervoll aus. Aus technischer Sicht ohne Frage ein Meisterwerk. Die Handlung, der Erzählstil, die Charakterentwicklung und die sich durch das ganze Werk ziehende Aussage, die einem erhobenem Zeigefinger gleich um Aufmerksamkeit bittet, dümpeln jedoch allesamt im Mittelmaß herum und schaffen es zu keinem Zeitpunkt mehr zu sein als eine Ausrede bei der Beantwortung der Frage nach der Daseinsberechtigung.

Fazit: 3/5***

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Bilder: (c) Disney