The Infiltrator Filmkritik — Heisenberg wechselt die Seiten

  

Wenn man bedenkt, was sich heute so alles als "Thriller" bezeichnen darf, bekommt man ungemein Lust, die PR-Abteilung des entsprechenden Meisterwerks aufzusuchen und den Verantwortlichen freundschaftlich die eigene Faust vorzustellen. Kommt dann aber tatsächlich ein Film um die Ecke, der die Regeln der Kunst beherrscht und seiner Genrebezeichnung mehr als gerecht wird, dann gibt es große Augen und auch echte Probleme. Heutzutage ist man es nämlich kaum noch gewohnt, einer Geschichte wirklich mit jeder Faser des Körpers folgen zu müssen und sich nicht einfach nebenbei unterhalten zu lassen.

Ganz genau solch ein Film ist "The Infiltrator", mit Breaking-Bad-Star Bryan Cranston in der Hauptrolle. Der Mann spielt wie immer auf höchstem Niveau, ist dieses Mal aber nicht als einziger in Höchstform. Und vor allem muss er den Film nicht tragen, weil das wackelige Gerüst von einer Geschichte dazu nicht in der Lage wäre. Nein, in diesem Thriller von Brad Furman stimmt fast alles und das erschreckt mich tatsächlich auf vielen Ebenen, wird der Film in unseren Gefilden doch kaum beworben …

Infiltrator

Schnee im Sommer

"The Infiltrator" basiert auf wahren Begebenheiten der 1980er Jahre und orientiert sich an der Biografie des Mannes, der nicht nur dabei, sondern mittendrin im Drogensumpf war. Jedoch auf der "richtigen" Seite. US-Agent Robert Mazur befindet sich im Undercover-Kampf gegen die massiven Wellen aus Drogen, die in den USA eingeschleust werden. Da kein Ende des Schmuggels in Sicht ist, egal wie sehr er und seine Kollegen sich ins Zeug legen, kommt er auf eine brandgefährliche Idee.

Er will nicht mehr den Drogen hinterher jagen, sondern dem Geld. Und das führt letztendlich ganz nach oben. Dafür gibt er sich als korrupter Geschäftsmann aus, der in der Lage ist, die Millionenbeträge der Mafia zu waschen. Ein Spiel mit Schlangen und ohne Gegengift in der Hosentasche. So bringt er das Leben von sich, seiner Partnerin und seiner Familie in höchste Gefahr. Wäre er nicht der perfekte Mann, um von Cranston verkörpert zu werden. Denn Mazur hat enormes schauspielerisches Talent.

Aufpassen - denn es gibt keine Wiederholungen

Bei der gesamten Geschichte ist der Zeitplan äußerst eng gestrickt. Szene folgt auf Szene und es wird sich zu keiner Zeit die Mühe gemacht, dem geneigten Zuschauer das Essen weich zu kauen. Wer für einen kleinen Moment nicht aufpasst oder auch nur den Bruchteil einer Unterhaltung verpasst, der steht klatschnass und allein im Regen. Wiederholungen gibt es nicht und andere Szenen geben keinen Hinweis auf das, was man soeben verpasst hat. Dadurch kann die ganze Geschichte in Mitleidenschaft gezogen werden und schuld wäre allein der Kinogänger.

In zwei Stunden wird eine Geschichte verarbeitet, die gut und gerne auch als ganze Serie funktioniert hätte und vielleicht auch so besser aufgehoben wäre. Denn es bleiben viele Fragen nach dem Abspann offen. Aber keine, die relevant für das gewesen wären, worauf hier der Fokus des Erzählens liegt. Nämlich auf der Arbeit von Robert „Bob“ Mazur. Seinen Tricks, seiner Vorgehensweise, seiner Einstellung zu Beruf und Familie. Er steht im Mittelpunkt und er allein.

Alle anderen umkreisen ihn wie Planeten die Sonne. Sie nähern sich, sie entfernen sich, aber sie sind immer ein Teil seiner Realität. Was diesen Fall, diese Geschichte angeht, beginnen wir bei Null und enden, wenn es nichts mehr zu sagen gibt. Das drumherum, beziehungsweise das davor und danach, mag spannend sein, aber unter diesem Aspekt würde der Film wohl 20 Stunden dauern. Darum muss man sich ran halten, wenn man alles begreifen und fassen möchte. Das lohnt sich zwar, ist aber auch ein wenig anstrengend, da kein Leerlauf entsteht und Szenen blitzschnell wechseln.

Hier offenbart sich auch der einzige Negativaspekt, dem ich diesem Machwerk vorwerfen möchte. Durch den Stil des Regisseurs wirkt "The Infiltrator" teilweise recht abgehackt. Die wichtigsten Eckpunkte werden besprochen, erwähnt oder kurz gezeigt, aber für mehr nimmt man sich nicht die Zeit. Dadurch verfliegt der Kinobesuch zwar auch in Windeseile, aber schön ist trotzdem anders. Am Ende stehen äußerst starke Einzelmomente einer sprunghaften und unfokussierten Erzählweise gegenüber.

Wenn Agenten zu Schauspielern werden

Diane Kruger ("Inglourious Basterds", "Mr. Nobody"), John Leguizamo ("Carlito´s Way", "Moulin Rouge"), Joseph Gilgun ("Misfits", Preacher"): jeder von ihnen macht einen hervorragenden Job und holt aus seiner Figur alles heraus — zumindest in dem Rahmen, den die nervös zappelnde Darbietungskunst der Geschichte erlaubt. Aber Bryan Cranston spielt erneut in einer ganz anderen Liga. Er schafft es, seine Figur nicht nur stark emotional zu spielen, sondern auch perfekt aufzuzeigen, wie schmal der Grat zwischen professioneller Kaltschnäuzigkeit und leichtsinnigem Verhalten bei Mazur ist. Ein Schauspieler, der einen Agenten spielt, der blitzschnell — sofern es die Situation verlangt — zu einem Schauspieler wird.

Außerdem sei noch lobend erwähnt, dass einige Regieeinfälle von Furman sehr schön umgesetzt wurden und dem ganzen Film eine besondere Note verleihen. Dabei bleibt es die ganze Zeit spannend und der Druck zum Finale ist nicht nur Treibstoff für dieses Werk, sondern auch Zeitmaschine für den Kinogänger. Eben fing alles erst an und nahm Fahrt auf und nun ist es schon vorbei. Und das ganz ohne Action, Explosionen und einstürzende Neubauten.

Infiltrator02

Fazit

Mit "The Infiltrator" hat Furman einen äußerst packenden Thriller erschaffen, der von der ersten bis zur letzten Minute Spannung aufbaut und halten kann. Das durchweg gute Ensemble trägt seinen Teil zur Unterhaltung bei, doch Bryan Cranston ist abermals Herr in der Manege. Er spielt seinen Charakter mit allen Schwächen und Stärken und schafft es gleichzeitig, diese dem Zuschauer näher zu bringen. Egal wie dumm oder unsinnig eine Aktion von Mazur auch zu sein scheint, dank Cranston wirkt er einfach nur menschlich.

Leider ist die Erzählkunst in dem Film sehr sprunghaft, was dazu führt, dass dieser sowieso schon schwer zu folgende Film keine Unachtsamkeit duldet. Wenige schaffen es, ganze zwei Stunden unter höchster Konzentration dem zu folgen, was ihnen geboten wird. Vor allem, wenn wichtige Szenen im Dauertakt vorbeiziehen. Mal ist es ein Satz, mal nur eine Geste oder eine Einstellung. Wer sie verpasst, hat verloren. Aber hey: es ist ein Thriller und zwar einer, der dieser Bezeichnung auch gerecht wird. Und in dem Fall erwarte ich genau das.

Bewertung: 5/5*****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 21.09.2016