The Nest – Ein superbes Drama  (Filmkritik)

  

Kurzfristig musste der Kinostart von „The Nest“ verschoben werden, im ersten Quartal 2021 soll er jedoch kommen. Hier ist unsere Kritik zum Film mit Eva Green.

Es ist ein ungewöhnlicher Film, den Sean Durkin mit THE NEST – ALLES ZU HABEN IST NIE GENUG inszeniert hat. Weil er beginnt wie ein Horrorfilm, aber zutiefst bodenständig ist. Weil er in der Wirkung auf seine Hauptfiguren an SHINING erinnert, aber doch ganz eigene Wege geht. Es ist ein Drama, das nicht alles vorkaut, sondern den Zuschauer mitdenken lässt. Ein Film, der von seiner perfekten Inszenierung, aber auch den Hauptdarstellern lebt.

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The Nest – Zur Handlung

Rory (Jude Law) hat mehr als ein Jahrzehnt mit seiner Familie in den USA gelebt. Aber der Rohstoffmakler möchte zurück nach England und überredet seine Frau Allison (Carrie Coon), dabei mitzuziehen. Also zieht die Familie, zu der auch Allisons Tochter Sam (Oona Roche) und der gemeinsame Sohn Ben (Charlie Shotwell) nach Surrey – in ein luxuriöses Anwesen, das Rory sich eigentlich gar nicht leisten kann. Ebenso wenig wie das neue Auto oder die Stallungen für Allison, die mit Pferden arbeitet. Rory ist ein Täuscher. Ein Mann, der arm ist, aber gerne reich wäre. Der Pläne schmiedet und verfolgt, der mal zu Geld kommt und es dann wieder verliert. Jemand, auf den man nicht wirklich zählen kann.

Das gilt in der neuen Umgebung umso mehr, denn das Glück findet die Familie hier nicht. Die Sollbruchstellen treten immer mehr zutage.

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The Nest – Eine Kritik

Sean Durkin hat im Jahr 2011 das Sekten-Drama MARTHA MARCY MAY MARLENE inszeniert. Seitdem ist er als Regisseur abseits von ein paar Fernsehepisoden nicht mehr in Erscheinung getreten. THE NEST ist nun aber die triumphale Rückkehr, bei der er Elemente seiner eigenen Biographie einfließen ließ – er zog in den 1980er Jahren als Kind auch mit seiner Familie nach Großbritannien und kehrte dann im Alter von zwölf Jahren in die USA zurück. Teile dessen, was er empfand, ließ er in das Drehbuch einfließen.

THE NEST beginnt wie ein Horrorfilm. Er lebt von einer unheimlichen Atmosphäre, geradeso, als sei diese Familie nicht in ein Anwesen in Surrey, sondern in das Overlook-Hotel in SHINING eingezogen. Wie dort bricht die Familie auseinander. Der Vater wird nicht verrückt, jagt aber seinem Traum davon, jemand zu sein, gnadenlos nach. Seine Frau lässt ihn auflaufen, wo sie kann. Es ist diese passiv-aggressive Art zwischen den Beiden, die die Geschichte bestimmt. Instinktiv würde man sich als Zuschauer auf Seite der Frau stellen, aber sie ist letztlich auch nicht besser als ihr Mann. Am Zerrütten dieser Beziehung arbeiten beide gleichberechtigt. Sie spüren eine Distanz, die auch der Zuschauer empfindet. Dieses Gefühl verstärkt Durkin dadurch, dass er kaum Nahaufnahmen von Gesichtern bietet. Er zieht das Bild fast immer größer auf und sorgt damit dafür, dass man diesen Figuren nicht nahekommt.

Die Geschichte selbst ist langsam erzählt. Sie ist subtil. Man könnte meinen, hier passiere gar nichts, aber das wäre weit gefehlt. Denn hier tut sich in den Schwarzblenden unendlich viel, in den Szenenübergängen, in denen der Zuschauer aufgefordert ist, selbst zu denken. Tut man das, erschließt sich die Brillanz dieses Films, der auf unprätentiöse Art vom Ende einer Familie erzählt.

Fazit

THE NEST ist kein leichter Film. Weil er so ruhig erzählt ist, aber auch, weil er dem Zuschauer nicht alles vorkaut. Dabei ist er technisch exzellent umgesetzt – und er lebt von Jude Law und Carrie Coon, die wunderbar harmonieren, bis aus dieser Harmonie ein Gefühl der Disharmonie wird. Das macht den Film zu einem Werk, das wohl eher ein reifes Publikum ansprechen wird. Arthaus im besten Sinne – und ein Werk, das nach MARTHA MARCY MAY MARLENE einmal mehr davon zeugt, wie ausgesprochen faszinierend Sean Durkin als Filmemacher ist.

Bewertung: 4/5****